TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/12 2004/01/0277

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.04.2005
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c;
AVG §79a Abs1;
AVG §79a Abs7;
VwGG §52 Abs1;
VwGG §53 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde 1. der KD und

2. der MD, beide in W, beide vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Jänner 2004, Zlen. UVS-02/V/11/8179/2002/6 und UVS- 02/V/11/8181/2002, betreffend § 67a Abs. 1 Z 2 AVG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der nur in seinem Kostenausspruch angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführerinnen (die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der am 15. Jänner 1997 geborenen Zweitbeschwerdeführerin) reisten am 18. Juni 2001 mit dem Zug aus den Niederlanden kommend nach Wien. Gegen das nach Ankunft am Westbahnhof erfolgte Tätigwerden von dem Bundesministerium für Inneres dienstzugeteilten Sicherheitsorganen erhoben sie "gem §§ 88 SPG, 67a AVG" Beschwerde an die belangte Behörde, wobei sie den "Beschwerdegegenstand" wie folgt formulierten:

"Wir erheben gegen die ... ausgeübten Akte unmittelbarer

verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, und zwar

-

die am 18.6.2001 gegen 9:55 Uhr in ... Wien Westbahnhof durchgeführte Festnahme und anschließende Anhaltung bis zirka 11:45 der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin,

-

die während des vorgenannten Zeitraumes durchgeführte Personendurchsuchung und Gepäcksdurchsuchung der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin sowie

-

der Durchleuchtung der Erstbeschwerdeführerin mittels Körperröntgens im Elisabethspital in Wien

Beschwerde ...".

Zum Sachverhalt brachten die Beschwerdeführerinnen vor, dass sie - ohne dass eine Festnahme ausgesprochen worden wäre - auf die Polizeiwachstube am Westbahnhof gebracht worden seien, wo man das Gepäck genau kontrolliert habe und wo sie beide einer Leibesvisitation/Personendurchsuchung unterzogen worden seien. Der Erstbeschwerdeführerin habe man in der Folge eine Einverständniserklärung für eine körperliche Untersuchung vorgelegt, die sie schließlich - nach Androhung, andernfalls für 48 Stunden festgenommen zu werden - unterschrieben habe. Danach sei sie mit der Rettung ins Elisabethspital transportiert worden, wo man ein Röntgen durchgeführt habe. Die Untersuchung sei negativ verlaufen, in der Folge seien beide Beschwerdeführerinnen gegen ca. 11.45 Uhr entlassen worden.

Rechtlich argumentierten die Beschwerdeführerinnen zusammengefasst, dass kein begründeter Verdacht auf Drogenschmuggel oder Drogenhandel - das sei als Grund für die Amtshandlung(en) genannt worden - vorgelegen habe. Die "dargestellte Behandlung" sei ihnen offenbar einzig aufgrund ihrer Hautfarbe und afrikanischen Herkunft zuteil geworden, weshalb beantragt werde auszusprechen, dass

"1.1. die Beschwerdeführerinnen durch

1.1.1. die ... gegen 9:55 Uhr ... durchgeführte Festnahme und anschließende Anhaltung bis zirka 11:45 in ihrem Recht auf Freiheit und Sicherheit,

1.1.2. die während des vorgenannten Zeitraumes durchgeführte Personen- und Gepäcksdurchsuchung in ihrem Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens und 1.2. die Erstbeschwerdeführerin zusätzlich durch die an ihr

vorgenommene Durchleuchtung ... während des ... bezeichneten

Zeitraums in ihrem Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens sowie den korrespondierenden einfachgesetzlichen Rechten verletzt wurden."

Nachdem ein erster Bescheid der belangten Behörde, mit dem diese die Beschwerde der beiden Beschwerdeführerinnen jeweils "insgesamt als unbegründet abgewiesen" hatte, mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 2003, B 1128/02-12 und B 1191/02-12, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufgehoben worden war, erkannte die belangte Behörde mit Bescheid vom 9. Jänner 2004 wie folgt:

     "I) Der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin ... wird gemäß

§ 67c Abs. 3 AVG stattgegeben und der bekämpfte Verwaltungsakt für

rechtswidrig erklärt.

     II) Der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin ... wird gemäß

§ 67c Abs. 3 AVG stattgegeben und der bekämpfte Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt.

Gemäß § 79a Abs. 1 und Abs. 2 sowie Abs. 5 AVG im Zusammenhalt mit der im zweiten Verfahrensgang anzuwendenden Bestimmungen der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II

334/2003, werden jeder Beschwerdeführerin ... an Kostenersatz für

Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand EUR 1486,80 zugesprochen."

Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe von Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 9. Oktober 2003 lediglich damit, dass unter Bindung an dieses Erkenntnis "den beiden Beschwerden stattzugeben und die beiden bekämpften Verwaltungsakte der beiden Beschwerdeführerinnen für rechtswidrig zu erklären" gewesen seien. Aufgrund "der Diktion des nunmehrigen Spruches" seien die beiden Beschwerdeführerinnen jeweils als obsiegende Parteien anzusehen und gebühre ihnen gemäß § 79a Abs. 1 AVG - auf Basis der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 - Kostenersatz für Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand in Höhe von insgesamt EUR 1.486,80.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die nur gegen den Kostenausspruch erhobene Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführerinnen bekämpfen den Kostenausspruch insoweit, als "anstatt des beantragten Kostenersatzes (je dreifachem Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) lediglich Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand in je einfacher Höhe von EUR 1.486,80 zugesprochen wurde". Insgesamt seien nämlich von der Erstbeschwerdeführerin fünf Verwaltungsakte (Festnahme, Anhaltung, Personsdurchsuchung, Gepäcksdurchsuchung und Körperröntgen) und von der Zweitbeschwerdeführerin vier Verwaltungsakte (Festnahme, Anhaltung, Personsdurchsuchung und Gepäcksdurchsuchung) angefochten worden, weshalb - ausgehend davon, dass ohnehin nur Kostenzuspruch für zwei mal drei Verwaltungsakte beantragt worden sei - angesichts des vollständigen Obsiegens je Beschwerdeführerin Kosten für zwei weitere Verwaltungsakte in Höhe von jeweils EUR 2.973,60 (zwei mal EUR 1.486,80) zugesprochen hätten werden müssen.

Die Rechtsgrundlage für den Kostenersatzanspruch der Beschwerdeführerinnen bildet § 79a AVG. Dort wird unter der Überschrift "Kosten bei Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" normiert:

"§ 79a. (1) Die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.

(3) ...

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem unabhängigen Verwaltungssenat verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) ...

6) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

(7) Die §§ 52 bis 54 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 gelten auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1."

Von den in § 79a Abs. 7 AVG genannten Bestimmungen des VwGG sind hier die §§ 52 und 53 von Relevanz. Sie haben (in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 89/2004) folgenden Wortlaut:

"§ 52. (1) Wurden von einem oder mehreren Beschwerdeführern in einer Beschwerde mehrere Verwaltungsakte angefochten, so ist die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz (§ 47) so zu beurteilen, wie wenn jeder der Verwaltungsakte in einer gesonderten Beschwerde angefochten worden wäre.

(2) Für Verhandlungen, die in den Fällen des Abs. 1 am selben Tag oder an unmittelbar aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden, sind Fahrtkosten jeder obsiegenden Partei so zu ersetzen, wie wenn nur eine Verhandlung stattgefunden hätte. Jeder obsiegenden Partei sind Aufenthaltskosten für denselben Zeitraum nur einmal, der Verhandlungsaufwand für jede mündliche Verhandlung zu ersetzen. Stempelgebühren, Kommissionsgebühren und Barauslagen sind in dem Ausmaß zu ersetzen, in dem sie zu entrichten waren.

(3) ...

§ 53. (1) Haben mehrere Beschwerdeführer einen Verwaltungsakt gemeinsam in einer Beschwerde angefochten, so ist die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz (§ 47) so zu beurteilen, wie wenn die Beschwerde nur von dem in der Beschwerde erstangeführten Beschwerdeführer eingebracht worden wäre. Die belangte Behörde kann in diesem Fall mit befreiender Wirkung an den in der Beschwerde erstangeführten Beschwerdeführer zahlen. Welche Ansprüche die Beschwerdeführer untereinander haben, ist nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Aufwandersatz haben die Beschwerdeführer zu gleichen Teilen zu leisten.

(2) ..."

Ausgehend von der Anordnung des § 79a Abs. 7 AVG iVm § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 1 VwGG kommt es bezüglich des Ersatzanspruches der beiden Beschwerdeführerinnen darauf an, wie viele Verwaltungsakte sie vor der belangten Behörde erfolgreich angefochten haben. Bei Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte kann allerdings nicht allein darauf abgestellt werden, wie die zugrunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Wesentlich sind vielmehr die behördlichen Feststellungen über das angefochtene Verwaltungsgeschehen, an Hand derer zu beurteilen ist, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen (in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0360), wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) sowie die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen (vgl die hg. Erkenntnisse vom 28. April 1992, Zl. 91/11/0170, und vom 17. Dezember 1996, Zl. 94/01/0714).

Gegenständlich hat die belangte Behörde keine Feststellungen zum Geschehensablauf getroffen. Solche Feststellungen wären nach dem Gesagten aber erforderlich gewesen, weil ausgehend von den Behauptungen in der zugrunde liegenden Beschwerde an die belangte Behörde das Vorliegen von mehr als zwei Verwaltungsakten - unabhängig davon, dass nach diesen Behauptungen für einen oder gar zwei selbstständige Verwaltungsakte "Festnahme/Anhaltung" unter Bedachtnahme auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 24. August 2004, Zl. 2003/01/0041, wenig Raum bleibt - jedenfalls nicht ausgeschlossen ist. Das hat die belangte Behörde verkannt, weshalb ihr Kostenausspruch gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war (vgl. auch das zutreffend von den Beschwerdeführerinnen zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2000/01/0389).

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 12. April 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004010277.X00

Im RIS seit

25.05.2005

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten