TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/14 2006/01/0123

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Veröffentlicht am 14.12.2006
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Index

41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §25 Abs2 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §37b Abs2 idF 2003/I/101;
BBetrG 1991 §6 idF 2004/I/032;
BBetrG 1991 §9 Abs1 idF 2004/I/032;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des H T in I, geboren 1991 (auch M G, geboren 1991, oder R M, geboren 1981), vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. November 2005, Zl. 265.689/0-V/13/05, betreffend §§ 6 Abs. 1 Z 3 und Abs. 3, 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein minderjähriger marokkanischer Staatsangehöriger, stellte am 21. September 2004 einen Asylantrag, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 19. Oktober 2005 gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 1997 idF der Asylgesetznovelle 2003, BGBl. I Nr. 101 (AsylG), abwies; außerdem erklärte es die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies ihn gemäß § 6 Abs. 3 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko aus.

Diesen Bescheid stellte das Bundesasylamt der Abteilung für Jugendwohlfahrt im Amt der Tiroler Landesregierung zuhanden eines namentlich genannten Mitarbeiters als gesetzlichem Vertreter des Beschwerdeführers zu, der gegen die erstinstanzliche Entscheidung fristgerecht Berufung erhob.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG ab, erklärte (neuerlich) die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz für zulässig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 6 Abs. 3 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko aus.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, die vor allem einen Vertretungsmangel hinsichtlich des minderjährigen Beschwerdeführers geltend macht, weil dieser "nie einer Betreuungseinrichtung" zugewiesen worden sei, weshalb "zu keinem Zeitpunkt ein Übergang der gesetzlichen Vertretung an den Jugendwohlfahrtsträger" vorgelegen habe.

Darüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 25 Abs. 2 AsylG (in der hier maßgeblichen Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101) wird der Rechtsberater in der Erstaufnahmestelle mit der Einleitung des Zulassungsverfahrens zum gesetzlichen Vertreter eines (unbegleiteten) Minderjährigen und bleibt es solange, bis der Minderjährige nach Zulassung des Verfahrens einer Betreuungsstelle zugewiesen wird. Erst mit diesem Zeitpunkt geht die gesetzliche Vertretung auf den für diese Betreuungsstelle örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger über (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 12. April 2005, Zl. 2004/01/0460, mit Hinweisen auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes je vom 9. März 2005, B 1290/04-10 und B 1477/04-11).

"Betreuungsstelle" ist gemäß § 37b Abs. 2 AsylG jede außerhalb der Erstaufnahmestelle gelegene Unterbringung, in der die Versorgung der Grundbedürfnisse eines Asylwerbers faktisch gewährleistet wird.

In Ergänzung dazu sah § 6 Bundesbetreuungsgesetz, BGBl. Nr. 405/1991 (in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung des Artikel II des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2004) vor, dass über den ersten Unterbringungsort nach erfolgter Zulassung die Behörde im Einvernehmen mit der zuständigen Stelle des betroffenen Bundeslandes entscheide, und dem Asylwerber formlos mitzuteilen sei, in welcher Betreuungsstelle (§ 37b Abs. 2 AsylG) ihm künftig die Grundversorgung gewährt werde. Als Behörde (erster Instanz) im Sinne dieser Gesetzesstelle wurde in § 9 Abs. 1 leg. cit. das Bundesasylamt angeführt.

Diese Bestimmungen lassen sich nur so verstehen, dass die Zuweisung eines minderjährigen Asylwerbers an eine Betreuungsstelle einerseits eine - wenn auch eine nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht formgebundene - Entscheidung der Asylbehörde erfordert und andererseits - nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit wegen des an die Zuweisung gebundenen Überganges der gesetzlichen Vertretungsmacht vom Rechtsberater in der Erstaufnahmestelle auf den örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger - in den Akten der Asylbehörde auch entsprechend dokumentiert sein muss.

Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben wären, kann weder dem angefochtenen Bescheid, der - wie zuvor schon das Bundesasylamt - ohne nähere Begründung von der gesetzlichen Vertretungsmacht des Jugendwohlfahrtsträgers ausgeht, noch den Verwaltungsakten entnommen werden. Nach der Aktenlage wurde der Beschwerdeführer, nachdem er die Erstaufnahmestelle nach Zulassung seines Verfahrens am 28. September 2004 (mit anschließend unbekanntem Aufenthalt) verlassen hatte, ehe ihm ein Quartier zugewiesen werden konnte, am 12. Mai 2005 nach einem polizeilichen Aufgriff von der Bundespolizeidirektion Innsbruck,

Fremdenpolizei, "unter Mitwirkung der Jugendwohlfahrt ... im

Chillout" in Innsbruck untergebracht. Ob es sich bei diesem Quartier um eine Betreuungsstelle im Sinne des § 37b Abs. 2 AsylG handelte und bejahendenfalls, ob bzw. wann die Asylbehörde die Entscheidung über die Unterbringung des Beschwerdeführers in dieser Unterkunft getroffen hat, ist nicht zu erkennen. So findet sich etwa auch im Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem (GVS-Auszug) kein entsprechender Hinweis. Erst die Klärung dieser Fragen lässt aber eine abschließende Beurteilung der Vertretungsmacht des für den Beschwerdeführer einschreitenden Jugendwohlfahrtsträgers zu.

Der angefochtene Bescheid war deshalb wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 14. Dezember 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006010123.X00

Im RIS seit

31.01.2007

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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