TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/29 2006/10/0252

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Veröffentlicht am 29.01.2007
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Index

L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;
L92103 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Niederösterreich;
L92603 Blindenbeihilfe Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §143;
SHG NÖ 2000 §12;
SHG NÖ 2000 §39 Abs1;
SHG NÖ 2000 §64 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/10/0253

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, 1. über die Beschwerde des HG in W, vertreten durch Dr. Andrea Göll, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landskrongasse 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Oktober 2006, Zl. GS5-SH-10787/001-2006, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, und 2. über die Beschwerde der CI in W, gleichfalls vertreten durch Dr. Andrea Göll, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landskrongasse 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Oktober 2006, Zl. GS5-SH-10787/001-2006, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Der vorliegenden, zur hg. Zl. 2006/10/0252, protokollierten Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Oktober 2006 dem Erstbeschwerdeführer die Verpflichtung zur Leistung eines monatlichen Ersatzbeitrages in Höhe von EUR 254,-- zu den für den Aufenthalt seiner Mutter Anna G. im NÖ Landes-Pensionisten- und Pflegeheim P seit 1. November 2005 offenen Sozialhilfekosten auferlegt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Verpflegskosten der Mutter des Beschwerdeführers betrügen täglich EUR 72,34, somit monatlich EUR 2.206,37; dazu komme noch das "Sozialhilfe-Taschengeld" in Höhe von EUR 59,15 monatlich, sodass sich insgesamt Kosten in Höhe von monatlich EUR 2.265,52 ergäben. Die Eigenleistungen der Mutter des Beschwerdeführers machten monatlich EUR 1.367,90 aus (Pension und Pflegegeld der Stufe 4), sodass ein offener Betrag von monatlich EUR 897,62 verbleibe, zu dessen Deckung die unterhaltspflichtigen Angehörigen, u.a. der Beschwerdeführer herangezogen werden könnten. Nehme man - entsprechend der Judikatur der Zivilgerichte - eine Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers für seine Mutter gemäß § 143 ABGB in Höhe von 22 % seines Einkommens an, ergäbe sich eine Leistungspflicht in Höhe von EUR 416,-- monatlich. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Aufnahme seiner Mutter in das Heim sei nicht notwendig gewesen, sei zu entgegnen, dass die medizinische Notwendigkeit einer Heimunterbringung vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder deutlich dokumentiert worden sei (zeitweise verwirrt, bettlägrig, keine häusliche Pflege gewährleistet). Soweit der Beschwerdeführer vorgebracht habe, er hätte seiner Mutter Naturalunterhalt durch Aufnahme in seinen Haushalt leisten können, sei ihm zu entgegnen, dass seine Mutter das NÖ Landes-Pensionisten- und Pflegeheim P jederzeit wieder verlassen könne, wenn sie es wünsche. Es werde allerdings darauf hingewiesen, dass ein unterhaltspflichtiges Kind dem (bedürftigen) Elternteil nicht den Naturalunterhalt dadurch aufdrängen dürfe, dass es ihn anstelle der Heimunterbringung in seinen Haushalt aufnehme. Im Übrigen sei eine Anhörung des unterhaltspflichtigen Kindes vor der Aufnahme des Elternteiles in ein Heim überflüssig, weil das Kind dem hilfebedürftigen Elternteil eine notwendige Heimunterbringung nicht verweigern könne. Zum Vorbringen, der Mutter wäre die Tragweite ihres Handelns für ihre Kinder nicht bewusst gewesen, werde auf den erstinstanzlich erstatteten Hinweis betreffend die Kostenersatzpflicht der unterhaltspflichtigen Angehörigen hingewiesen. Es sei zwar unbestritten, dass die Mutter des Beschwerdeführers vor ihrem Heimeintritt in Wien gelebt habe und daher eigentlich das Land Wien zur Gewährung von Sozialhilfe durch Unterbringung in einem Wiener Heim zuständig gewesen wäre. Es sei jedoch genauso unbestritten, dass der Mutter des Beschwerdeführers nicht vom Magistrat der Stadt Wien, sondern auf Grund ihres Antrages von der Bezirkshauptmannschaft Baden Sozialhilfe durch Unterbringung im NÖ Landes-Pensionisten- und Pflegeheim P gewährt worden sei. Nach der Vereinbarung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe könnten dem Bundesland, aus dem der Sozialhilfeempfänger stamme, nur jene Restkosten in Rechnung gestellt werden, die nach Durchführung des Kostenersatzverfahrens verblieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2006/10/0252 protokollierte Beschwerde.

II.

Der vorliegenden, zur hg. Zl. 2006/10/0253, protokollierten Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde der Zweitbeschwerdeführerin die Verpflichtung zur Leistung eines monatlichen Ersatzbeitrages in Höhe von EUR 140,-- zu den für den Aufenthalt ihrer Mutter Anna G. im NÖ Landes-Pensionisten- und Pflegeheim P ab 1. November 2005 offenen Sozialhilfekosten auferlegt. Dies im Wesentlichen mit gleichlautender Begründung wie in dem unter I. dargestellten Bescheid, jedoch mit dem Hinweis, dass eine Heranziehung der Zweitbeschwerdeführerin entsprechend der Judikatur der Zivilgerichte im Ausmaß von 22 % ihres Einkommens eine Kostenersatzpflicht von monatlich EUR 351,58 ergäbe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2006/10/0253 protokollierte Beschwerde.

III.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat sodann erwogen:

Gemäß § 39 Abs. 1 NÖ Sozialhilfegesetz (NÖ SHG) haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten; eine Verpflichtung zum Kostenersatz besteht dann nicht, wenn dieser wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt wäre.

Mit der Wendung "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht" verweist das NÖ SHG auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die gesetzliche (gegebenenfalls auch auf eine vertragliche) Unterhaltsverpflichtung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 2. Mai 2005, Zl. 2003/10/0083, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Nach der für die Beurteilung der gesetzlichen Unterhaltspflicht maßgeblichen Bestimmung des § 143 ABGB schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat (Abs. 1). Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach Kräften zu leisten (Abs. 2). Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteiles mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichtigen den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet (Abs. 3).

Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass der Mutter der beschwerdeführenden Parteien seit 1. November 2005 Sozialhilfe durch Unterbringung im NÖ Landes-Pensionisten- und Pflegeheim P gewährt wird. Hiefür laufen - gleichfalls unbestrittenermaßen - monatlich Verpflegskosten (einschließlich Sozialhilfe-Taschengeld) von EUR 1.367,90 auf, die aus den Eigenmitteln der Hilfeempfängerin nicht gedeckt werden können, sodass monatlich ein offener Differenzbetrag von EUR 897,62 entsteht.

Die beschwerdeführenden Parteien wenden gegen ihre unter Inanspruchnahme ihrer Unterhaltspflicht gemäß § 143 ABGB erfolgte anteilige Heranziehung zur Begleichung (eines Teiles) dieses Differenzbetrages im Wesentlichen gleichlautend ein, es sei von der Behörde ihrem Antrag auf Einvernahme der Mutter nicht entsprochen worden. Wäre ihre Mutter einvernommen worden, hätte sie Auskunft darüber geben können, ob sie, wenn sie gewusst hätte, dass ihre Kinder für die Kosten ihrer Unterbringung im NÖ Landes-Pensionisten- und Pflegeheim P aufzukommen bzw. zu diesen Kosten beizutragen hätten, tatsächlich in das Heim hätte aufgenommen werden wollen. Hätte sie über die Kostenersatzpflicht nach dem NÖ SHG Bescheid gewusst, hätte sie den Antrag auf Aufnahme in das Heim zurückgezogen. Die Mutter der beschwerdeführenden Parteien sei durch eine falsche Rechtsauskunft des Fonds Soziales Wien insofern in einen Irrtum geführt worden, als sie zur Auffassung gelangt sei, die Kosten der Unterbringung würden vom Land Wien übernommen. Im Übrigen sei eine abschließende Beurteilung, ob der Mutter der beschwerdeführenden Parteien die Tragweite ihres Handelns überhaupt bewusst gewesen sei, ohne das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen über ihren geistigen Gesundheitszustand nicht möglich. In diesem Zusammenhang sei auch nicht unerheblich, zu welchem Zeitpunkt Ferdinand G. verstorben sei.

Bei diesem Vorbringen übersehen die beschwerdeführenden Parteien, dass Leistungen der Sozialhilfe gemäß § 64 Abs. 1 NÖ SHG zwar im Allgemeinen einen Antrag voraussetzen, dass Leistungen unter dem Titel "Hilfe zum Lebensbedarf" im Sinne des 2. Abschnittes, zu denen u.a. Betreuungs- und Pflegemaßnahmen in stationären Einrichtungen gemäß § 12 NÖ SHG zählen, ohne Antrag erfolgen dürfen, wenn der Behörde Umstände bekannt werden, die eine Hilfeleistung erforderlich machen. Da die Heimunterbringung der Mutter der beschwerdeführenden Parteien entsprechend den unbestritten gebliebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides aus medizinischer Sicht dringend notwendig und die gewährte Hilfe daher im Sinne des § 64 Abs. 1 NÖ SHG erforderlich war, kann es dahin gestellt bleiben, ob und gegebenenfalls welche Bedeutung dem Umstand, dass die Mutter nach Auffassung der beschwerdeführenden Parteien über die Kostenersatzpflichtigkeit von Sozialhilfeleistungen irrte, für die Rechtswirksamkeit der Antragstellung zukäme. Die Gewährung von Sozialhilfe durch Unterbringung im NÖ Landes-Pensionisten- und Pflegeheim P war nämlich von einer entsprechenden Antragstellung nicht abhängig. Aus diesem Grund ist auch der in den Beschwerden zum Ausdruck gebrachte Zweifel am geistigen Gesundheitszustand der Mutter der beschwerdeführenden Parteien nicht zielführend.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerden erkennen lässt, dass die jeweils behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung und daher ohne die beantragte Verhandlung - die mangels Berührung "zivilrechtlicher Verpflichtungen" auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK nicht erforderlich war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2004, Zl. 2002/10/0078, und die dort zitierte Vorjudikatur) - als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2007

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006100252.X00

Im RIS seit

23.02.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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