TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/30 2005/21/0326

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2007
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §46 Abs4;
NAG 2005 §73 Abs4;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/21/0122 2006/21/0123 2006/21/0124

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerden 1. der F, 2. des H, und 3. der B, alle in Guntramsdorf, alle vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, I. gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28. Juni 2005, Zl. Fr 833/05, betreffend Ausweisung der drei Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 FrG (hg. Zl. 2005/21/0326), und II. gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres jeweils vom 7. April 2006, Zl. 141.864/3-III/4/06 (gegenüber der Erstbeschwerdeführerin, hg. Zl. 2006/21/0123), Zl. 141.864/5-III/4/06 (gegenüber dem Zweitbeschwerdeführer, hg. Zl. 2006/21/0124), und Zl. 141.864/4-III/4/06 (gegenüber der Drittbeschwerdeführerin, hg. Zl. 2006/21/0122),

jeweils betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund jeweils zu einem Drittel Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 103,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Ehefrau, die Zweit- und Drittbeschwerdeführer, die in Österreich geboren wurden, sind die gemeinsamen Kinder von ihr und dem in Österreich lebenden und arbeitenden M. Die Genannten sind jeweils türkische Staatsangehörige.

Die Erstbeschwerdeführerin ist am 2. Mai 2002 illegal nach Österreich eingereist und hat am gleichen Tag einen Asylantrag gestellt. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Februar 2003 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und ihre Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Ihre dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. April 2003 zurückgewiesen. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit hg. Beschluss vom 19. Februar 2004, Zl. 2003/20/0298, abgelehnt.

Am 23. September 2004 beantragten die - rechtsfreundlich vertretenen - Beschwerdeführer die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit M.

Mit dem erstangefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 28. Juni 2005 wies die belangte Behörde (Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich) die Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 des (bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet aus.

In ihrer Begründung führte sie - auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, nach Ablehnung der (vorgenannten) Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof sei die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG weggefallen. Der fortdauernde Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich erweise sich somit als rechtswidrig, sodass die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt seien. Berücksichtigungswürdige humanitäre Gründe lägen nicht vor. Ein Bleiberecht nach Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB) erfordere eine Genehmigung, zu einem in Österreich lebenden Angehörigen zu ziehen. Eine derartige Bewilligung sei den Beschwerdeführern jedoch nicht erteilt worden. Vielmehr sei die Erstbeschwerdeführerin illegal nach Österreich eingereist, der aufenthaltsrechtliche Status ihrer minderjährigen in Österreich geborenen Kinder richte sich gemäß § 28 Abs. 2 FrG nach dem aufenthaltsrechtlichen Status der Erstbeschwerdeführerin als ihrer Mutter.

Wenn die Ausweisung auch in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer eingreife, so sei sie dennoch zur Beendigung des illegalen Aufenthaltes und damit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Nach dem Gesetzeszweck eines geordneten Fremdenwesens hätten die Beschwerdeführer keine Möglichkeit, ihren Aufenthalt vom Inland her zu legalisieren. Es seien auch keine Umstände ersichtlich, die für eine Ermessensübung zu ihren Gunsten sprächen.

Mit den zweit- bis viertangefochtenen, ebenfalls im Instanzenzug ergangenen Bescheiden (jeweils) vom 7. April 2006 wies die belangte Behörde (Bundesministerin für Inneres) die Anträge der Beschwerdeführer vom 23. September 2004 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 1 und 2 (bezüglich der Zweit- und Drittbeschwerdeführer weiters gemäß § 23 Abs. 4) des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, ab.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde (zusammengefasst) aus, M., mit dem die Erstbeschwerdeführerin am 25. Februar 2004 die Ehe geschlossen habe, verfüge seit 30. November 2004 über einen Niederlassungsnachweis. Dieser sei gemäß § 11 Abs. 1 NAG-Durchführungsverordnung als "Daueraufenthalt-EG" zu werten. Die vorliegenden Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit dem Ehemann bzw. Vater entsprächen § 46 Abs. 4 NAG. Da es sich jedoch um Erstanträge handle, hätten diese gemäß § 21 Abs. 1 NAG vor der Einreise in das Bundesgebiet im Ausland gestellt werden müssen; die Entscheidung wäre im Ausland abzuwarten gewesen. Die Voraussetzungen für eine Inlandsantragstellung (insbesondere nach § 21 Abs. 2 NAG) seien nicht erfüllt. Ebenso lägen keine besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründe vor. Ein gemeinsames Familienleben könnte auch in einem anderen Staat geführt werden. Für eine Ableitung von Rechten aus Art. 7 ARB fehle den Beschwerdeführern die Genehmigung, zu dem türkischen Arbeitnehmer M. zu ziehen. Auch diese Bestimmung berühre nicht die Befugnis des betreffenden Mitgliedstaates, Genehmigungen zum Zuzug von Familienangehörigen von türkischen Arbeitnehmern zu erteilen, was im Beschwerdefall nicht erfolgt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobenen, wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen

Beschwerden nach Aktenvorlage durch die belangten Behörden erwogen:

I. Zur Ausweisung:

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 2005 in ihren Rechten darauf, nicht aus dem Bundesgebiet ausgewiesen zu werden, auf Unterlassung einer Diskriminierung ihrer Person sowie des M. und "auf Unterlassung auf ein Verfahren mit den Behördenqualitäten im Sinne des Urteils des EuGH vom 2.6.2005 in der Rs C 136/03 / (Dörr und Ünal) und C 60/00 (Mary Carpenter) verletzt".

Dazu ist vorauszuschicken, dass den Beschwerdeführern unstrittig keine Genehmigung erteilt wurde, zu ihrer in Österreich lebenden "Ankerperson" (Ehemann bzw. Vater) zu ziehen. Daraus folgt, dass die Voraussetzungen des Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB) nicht erfüllt sind, sodass für die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet aus diesem Abkommen (und der in diesem Zusammenhang ergangenen Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) - etwa seinem in der Beschwerde weiters zitierten Urteil vom 11. November 2004 in der Rechtssache C-467/02 (Cetinkaya) oder dem Urteil vom 2. Juni 2005 in der Rechtssache C-136/03 (Dörr und Ünal)) nichts zu gewinnen ist. Von daher gehen auch die Ausführungen der Beschwerde zu den aus dieser Norm ihrer Ansicht nach resultierenden Rechtsfolgen ins Leere (vgl. etwa das zu einer ähnlichen Konstellation ergangene hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2005, Zl. 2004/21/0178).

Soweit die Beschwerdeführer das Urteil des EuGH vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-60/00 (Carpenter) ansprechen, sind sie darauf zu verweisen, dass dieses die aufenthaltsrechtliche Situation der philippinischen Ehefrau eines britischen Staatsangehörigen betroffen hat. Dieser Fall ist daher mit der vorliegenden Sachlage, an der kein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften beteiligt ist, auch nicht vergleichbar.

Gemäß § 33 Abs. 1 FrG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerdeführer treten der Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand der zitierten Gesetzesbestimmung verwirklicht sei, über die bereits abgehandelte Argumentation hinaus nicht entgegen. Ausgehend von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt, insbesondere im Hinblick auf den rechtskräftig negativen Abschluss des Asylverfahrens der Erstbeschwerdeführerin, der auch in den vorliegenden Beschwerden unbestritten bleibt, ist der belangten Behörde zuzustimmen, wenn sie den Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG als verwirklicht ansah.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist (u.a.) eine Ausweisung, durch die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass mit einer durch die Ausweisung der Beschwerdeführer bewirkten Trennung von ihrem Ehemann bzw. Vater ein erheblicher Eingriff in das Familienleben verbunden wäre; sie hat diesen jedoch im öffentlichen Interesse für gerechtfertigt erachtet.

Dazu ist auszuführen, dass - nach Rechtskraft der gemäß § 8 AsylG gegenüber der Erstbeschwerdeführerin ergangenen Entscheidung - im Verwaltungsverfahren kein taugliches Vorbringen erstattet wurde, nach dem für einen der Beschwerdeführer oder für M. eine Rückkehr in ihr Heimatland unzumutbar wäre. Von daher spricht somit nichts gegen die Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Herkunftsstaat (Türkei). Gegenteilige Umstände werden auch in der zur hg. Zl. 2005/21/0326 protokollierten Beschwerde nicht aufgezeigt.

Will die Ankerperson trotzdem in Österreich bleiben, so ist die (vorübergehende) Trennung im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Zu Recht ist die belangte Behörde nämlich im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften, welche die Einreise und den Aufenthalt regeln, unter dem Gesichtspunkt eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. August 2006, Zl. 2004/21/0140).

Ebenso sind keine Gründe ersichtlich, die ausnahmsweise eine Familienzusammenführung im Licht des Art. 8 EMRK (aus den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003, G 119, 120/03 (= VfSlg. 17.013) angestellten Überlegungen) geboten erscheinen ließen (vgl. etwa das zu einer ähnlichen Sachlage ergangene, bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2005, Zl. 2004/21/0178, mwN). Da im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Inlandsantragstellung bzw. eine Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen nicht gegeben sind, ist es den Beschwerdeführern zuzumuten, zur Ermöglichung des "Familiennachzuges" einen entsprechenden Antrag von ihrem Heimatland aus zu stellen und dessen Erledigung dort abzuwarten (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 31. August 2006).

Es kann der belangten Behörde somit nicht entgegengetreten werden, dass sie in Ansehung der noch nicht lange in Österreich befindlichen Beschwerdeführer die Voraussetzungen nach § 37 Abs. 1 FrG für erfüllt erachtete und keinen Anlass für eine Ermessensübung zu Gunsten der Beschwerdeführer finden konnte.

II. Zu den Niederlassungsbewilligungen:

Die Beschwerdeführer wenden sich nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass es sich vorliegend - woran auch das eingangs dargestellte Asylverfahren der Erstbeschwerdeführerin nichts ändern könnte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0108, und vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0248) - nicht um Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels, sondern um Erstanträge im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 13 NAG handelt. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG wären solche Anträge vor der Einreise in das Bundesgebiet im Ausland einzubringen und die Entscheidung darüber im Ausland abzuwarten gewesen. Dass einer der Fälle des § 21 Abs. 2 NAG vorliegen würde, in denen es zulässig wäre, einen Erstantrag vom Inland aus zu stellen, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Auch aus dem angefochtenen Bescheid oder den vorgelegten Verwaltungsakten ergeben sich dafür keine Hinweise.

Im vorliegenden Zusammenhang kämen allenfalls Anträge gemäß § 46 Abs. 4 iVm § 73 Abs. 4 NAG in Betracht, die nicht gemäß § 21 Abs. 1 leg. cit. wegen Inlandsantragstellung oder Inlandsaufenthaltes abgewiesen werden dürften (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zlen. 2006/18/0243 bis 0246). Die Beschwerdeführer haben derartige Anträge jedoch nicht gestellt und auch nicht vorgebracht, warum es ihnen im Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des NAG am 1. Jänner 2006 und der Erlassung der angefochtenen Bescheide vom 7. April 2006 nicht möglich gewesen wäre, solche Anträge einzubringen. Das Vorliegen humanitärer Gründe im Sinne der genannten Gesetzesstellen war daher nicht zu prüfen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0248, und Zl. 2006/18/0293, mwN).

Im Übrigen muss eine Antragstellung im Inland gemäß § 74 NAG von Amts wegen zugelassen werden. § 74 NAG räumt dem Fremden jedoch kein durchsetzbares - und vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machendes - Recht auf Inlandsantragstellung ein (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0153).

Die - auch in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte - Anwendbarkeit des ARB wurde bereits oben (unter Punkt I.) verneint.

Soweit die Beschwerdeführer schließlich - in einem Unterbleiben ihrer (ausreichenden) Anhörung bestehende - Mängel des Berufungsverfahrens relevieren, unterlassen sie es darzulegen, zu welchen konkreten Sachverhaltsfeststellungen ergänzende Beweisaufnahmen geführt hätten. Insoweit fehlt daher die Dartuung einer Relevanz.

Nach dem Gesagten erweisen sich die Beschwerden insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. Jänner 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005210326.X00

Im RIS seit

05.03.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten