TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/1 2005/04/0184

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Veröffentlicht am 01.03.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
GewO 1994 §339;
GewO 1994 §5;
GewO 1994 §85 Z7;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der C GmbH in W, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Juni 2005, Zl. MA 63 - 1530/05, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Ausstellung eines Gewerbescheines, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren war abzuweisen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 4. März 2005 beantragte die Beschwerdeführerin, ihr einen auf ihren Namen lautenden Gewerbeschein mit dem Gewerbewortlaut "Veranstaltung und Organisation des Kartenspiels 'Poker' und anderer erlaubter Kartenspiele, bei denen der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig ist, ohne Bankhalter" auszustellen. Diesen Antrag begründete die Beschwerdeführerin im Wesentlichen damit, sie habe bis 9. Juli 2003 über eine aufrechte Gewerbeberechtigung mit demselben Gewerbewortlaut verfügt. Im Vertrauen auf eine unrichtige Rechtsauskunft der Behörde erster Instanz habe der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin den Gewerbeschein am 9. Juli 2003 zurückgelegt. Da die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung durch einen von der Behörde verursachten Irrtum bzw. eine unrichtige rechtliche Anleitung erfolgt sei, werde diese wegen Irrtums angefochten und rückwirkend zurückgenommen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Juni 2005 wurde dieser Antrag im Grunde der Gewerbeordnung GewO 1994 idF der Novelle BGBl. I Nr. 131/2004 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, mit der Gewerberechtsnovelle 2002, welche am 1. August 2002 in Kraft getreten sei, sei die Ausstellung eines Gewerbescheines weggefallen. Es gäbe daher in der GewO 1994 keine gesetzliche Grundlage für die Ausstellung eines solchen Dokumentes. Unabhängig von der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin sei daher der vorliegende Antrag als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Die Beschwerdeführerin bringt gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe außer Betracht gelassen, dass die Beschwerdeführerin die Zurücklegung ihres Gewerbescheines unter analoger Anwendung der §§ 871ff ABGB angefochten habe. Bei der Zurücklegung der Gewerbeberechtigung sei ein wesentlicher Irrtum vorgelegen, da diese nur aufgrund der Annahme erfolgt sei, dass eine neue Gewerbeberechtigung ausgestellt werde. Zweck des Antrages im Verwaltungsverfahrens sei daher die (Wieder)Zuerkennung der Gewerbeberechtigung gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die neuerliche Ausstellung des Gewerbescheines beantragt, weil die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung - ihrem Vorbringen zufolge - durch einen von der Behörde verursachten Irrtum bzw. eine unrichtige rechtliche Anleitung erfolgt sei, und gleichzeitig die Zurücklegung "wegen Irrtum" angefochten und "rückwirkend zurückgenommen". Der Antrag der Beschwerdeführerin kann daher bei verständiger Würdigung auch dahin verstanden werden, dass ihr Begehren primär auf die (Wieder)Erlangung der Gewerbeberechtigung und nicht so sehr auf die Ausstellung eines Gewerbescheines gerichtet sei.

Schon auf Grund dieses unklaren Inhalts des Anbringens durfte sich die Behörde nicht darauf zurückziehen, es sei alleine die "Ausstellung eines Gewerbescheines" beantragt worden, sondern hätte den Gegenstand des Anbringens von amtswegen zu ermitteln gehabt (vgl. die bei Walter/Thienel. Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (199), 538f wiedergegebene hg. Rechtsprechung sowie das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2005, Zl. 2004/16/0101, mwN). Im fortgesetzten Verfahren wird die Behörde gegebenenfalls auch zu klären haben, ob die Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin noch aufrecht ist und aus diesem Grund einer neuerlichen Anmeldung des Gewerbes entgegen steht.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II 333. Das Mehrbegehren in Bezug auf Schriftsatzaufwand war abzuweisen, da in den in der angeführten Verordnung genannten Pauschalbeträgen die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am 1. März 2007

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages Erforschung des Parteiwillens Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005040184.X00

Im RIS seit

12.04.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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