TE OGH 2003/01/28 5Ob229/02s

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.2003
beobachten
merken
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Janina S*****, gestorben am *****, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch die erbserklärte Erbin Marta H*****, diese vertreten durch Dr. Andreas Doschek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Dr. Suad F*****, und 2.) Klaus F*****, beide: vertreten durch Boller-Langhammer-Schubert Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 47.991,65 sA und Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Juni 2002, GZ 39 R 257/02m-61, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 25. März 2002, GZ 5 C 623/00s-57, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Dietmar K***** kaufte die gegenständliche Liegenschaft mit dem am 19. 7. 2000 abhandlungsbehördlich genehmigten Kaufvertrag vom 15. 12. 1998. Die Rechtfertigung des grundbücherlich vorgemerkten Eigentums von Dietmar K***** erfolgte am 8. 8. 2001.

Die Beklagten schlossen mit der damaligen Hauseigentümerin Maria R***** am 22. 12. 1995 den gegenständlichen Mietvertrag hinsichtlich der Wohnung top Nr 2 ab. Entgegen des Textes des Mietvertrages besteht der tatsächlich vereinbarte Mietzins nicht bloß aus den dort genannten S 3.000,--, sondern zum Teil auch aus den mündlich vereinbarten vom Erstbeklagten zu erbringenden ärztlichen Leistungen an die Eigentümerin Maria R***** und ihre damalige Haushälterin Janina S*****. Die kostenlose medizinische Betreuung für Maria R***** und Janina S***** war sowohl eine Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrages als auch im Sinne einer Gegenleistung des Erstbeklagten Inhalt des Mietvertrages. Die Vermieterin Maria R***** und die Beklagten trafen keine Vereinbarung darüber, welchen Einfluss der Tod von Maria R***** und Janina S***** auf den Mietvertrag haben solle. Es war aber vereinbart, dass zum Zwecke der ärztlichen Betreuung der Erstbeklagte in die vermietete Wohnung einziehe und damit im gleichen Haus wie die unentgeltlich ärztlich zu betreuenden Damen wohne. Der Erstbeklagte zog mit seiner Frau vereinbarungsgemäß am 30. 12. 1995 in die gemietete Wohnung, der Zweitbeklagte verblieb in der elterlichen Wohnung im 19. Bezirk. Das Mietobjekt hat die Ausstattungskategorie A, seine Nutzfläche beträgt 176,53 m2. Die Wohnung wurde mit der Zentralheizungsanlage des Hauses beheizt und hatte zwei Bäder. Im ersten Bad waren die Armaturen des Handwaschbeckens und die Spülung des WCs und des Bidets schadhaft, im zweiten Bad waren die Fugen im Bereich des Anschlusses bei der Wand aufgesprungen und es war die Dichtheit nicht mehr gewährleistet. Einzelne Fliesen im Bodenbereich waren schadhaft. Die Elektroanlage der Wohnung entsprach nicht mehr den heutigen Erfordernissen, die Anlage ist jedoch mit Überspannungsschutzschalter und einem FI-Schalter abgesichert. Es handelt sich um eine gute bis sehr gute Wohnung in Grünlage, die Geschäftslage ist minder gut, die Verkehrslage entsprechend. Versorgungsmöglichkeiten sind in der weiteren Umgebung. Der angemessene monatliche Hauptmietzins beträgt S 25.235,--. Die Wohnung war vor Abschluss des Mietvertrages an Direktoren und an Personen mit gehobenen Ansprüchen zu einem monatlichen Mietzins zwischen S 25.000,-- und S 28.000,-- vermietet gewesen. Vor Abschluss des Mietvertrages stand die Wohnung ca 1 bis 1 1/2 Jahre leer. Sie wurde nach Auszug des letzten Mieters nicht renoviert.

Maria R***** verstarb am 17. 9. 1996, rund sieben Monate nach Abschluss des Mietvertrages. Janina S***** war Erbin von Maria R*****. Sie verstarb am 3. 9. 1997. Der Erstbeklagte und seine Frau wohnten vom 30. 12. 1995 bis September 1997 in der gegenständlichen Wohnung. Danach zog er mit seiner Frau in seine Wohnung in den 19. Bezirk zurück und der Zweitbeklagte bezog die gegenständliche Wohnung. Die Beklagten lehnen die Bezahlung eines höheren Mietzinses nach dem Tod von Maria R***** und Janina S***** ab. Die Klägerin begehrt nun mit ihrer am 31.8.2000 (vor Einverleibung des Eigentumsrechtes von Dietmar Kainz) eingebrachten Klage die Bezahlung des offenen Mietzinsrückstandes von September 1997 bis November 1999 und Räumung. Sie sei nunmehr nach dem Tod von Maria R***** und Janina S*****, also den Personen, zu deren kostenloser ärztlicher Betreuung sich der Erstbeklagte verpflichtet habe, berechtigt, den angemessenen monatlichen Hauptmietzins statt der im Mietvertrag vereinbarten S 3.000,-- zu begehren.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Beklagten eine höhere Mietzinsverpflichtung als die Bezahlung eines wertgesicherten Hauptmietzinses von S 3.000,-- nicht übernommen hätten. Der Erstbeklagte habe sich zur Übersiedlung trotz der damit verbundenen nachteiligen Einschnitte in sein Privat- und Berufsleben nur unter der Voraussetzung bereit gefunden, dass der vorteilhafte Mietvertrag längerfristig auch seinem Sohn, dem Zweitbeklagten zugutekomme. Die Zusage der unentgeltlichen Pflege sei nicht Bestandteil des Mietvertrages. Er habe ärztliche Leistungen erbracht, die einem Honorar in der Höhe von monatlich S 70.000,-- entsprochen hätten. Die Höhe des begehrten Mietzinses sei vereinbarungswidrig und unangemessen. Ein angemessener Mietzins wäre schon nach § 16 Abs 1 Z 4 MRG unzulässig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass ein angemessener Mietzins nach § 16 Abs 1 MRG nicht begehrt werden könne, da der Mietgegenstand nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Räumung durch den früheren Mieter abgeschlossen worden sei. Ein Mietzins im Sinne des § 16 Abs 2 MRG könne nicht zugesprochen werden, weil das Gericht an die Prozessbehauptungen der Klägerin gebunden sei.

Das Rekursgericht gab der Berufung der Klägerin mit der Begründung nicht Folge, dass sie auch nicht zur Anhebung des Mietzinses nach § 16 Abs 2 MRG berechtigt sei. Der Mietzins habe vereinbarungsgemäß bis zum Ableben der beiden Damen sowohl aus einem Geldbetrag als auch aus einer vom Erstbeklagten zu erbringenden Dienstleistung, danach nur mehr aus einem Geldbetrag bestanden. Da schon zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses absehbar gewesen sei, dass zu irgendeinem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, nämlich nach dem Tod der beiden Damen, die Dienstleistungen nicht mehr zu erbringen sein würden, im schriftlichen Mietvertrag aber dennoch ohne jeglichen Vorbehalt der monatliche Mietzins von S 3.000,-- vereinbart worden sei, könne dies nur im Sinne einer gewollten Reduktion des Mietzinses ab dem Tod der zu Betreuenden verstanden werden. Damit fehle aber jegliche rechtliche Grundlage anstelle der seit dem 4. 9. 1997 weder zu erbringenden noch erbringbaren Dienstleistungen einen zusätzlichen Geldbetrag als Mietentgelt zu fordern.

Das Rekursgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären sei.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen den - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig und im Sinne der Rückverweisung an das Berufungsgericht auch berechtigt. Die Klägerin vertritt die Rechtsansicht, dass bei Wegfall der Pflegeleistungen nach dem Tod der zu pflegenden Personen eine Mietzinserhöhung auf ein angemessenes (Richtwertzins) Entgelt berechtigt sei. Aus der Vertragsgestaltung lasse sich der Wille der Parteien, dass nach dem Tod der zu betreuenden Personen nur der im Mietvertrag vereinbarte Mietzins zu leisten sei, nicht ableiten. Die Aktivlegitimation der klagenden Partei ist zu Recht im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Im Falle eines Eigentümerwechsels kommt es grundsätzlich auf die Einverleibung des Eigentumsrechtes im Grundbuch an, womit der Erwerber in das Bestandverhältnis eintritt und zur Einhebung des Mietzinses legitimiert ist (RIS-Justiz RS0108811, RS0104141, RS0021129). Das Erstgericht hat eindeutig und unzweifelhaft festgestellt, dass die kostenlose medizinische Betreuung für Maria R***** und Janina S***** sowohl Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrages als auch ein Teil des vereinbarten Hauptmietzinses war. Die Parteien des Mietvertrages trafen keine Vereinbarungen für den Fall, dass die zu betreuenden Personen versterben würden. Davon abweichende Feststellungen wurden vom Berufungsgericht nicht getroffen. Es gibt also im Vertragswerk selbst keinen Hinweis darauf, dass die Parteien des Mietvertrages eine Reduktion des Mietzinses nach dem Ableben der zu betreuenden Personen wollten. Damit ist auf das dispositive Recht zurückzugreifen.

Das Berufungsgericht hat infolge seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsmeinung mangels vermeintlicher Relevanz die Feststellung des Erstgerichtes, dass neben den beiden Wohnungen top 1 und 2 im Keller des Hauses noch eine Hausbesorgerwohnung vorhanden sei, nicht übernommen. Damit ist nach den derzeitigen Feststellungen nicht klar, ob der Mietgegenstand allenfalls unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 Z 2 MRG fällt. Danach gelten für Wohnungen in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen die §§ 14, 29 bis 36, 45, 46 und 49 MRG, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und II. Hauptstückes. Maßgebend für die Beurteilung, ob ein Wohnhaus über nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen verfügt, ist der tatsächliche Zustand (4 Ob 112/98v = MietSlg 50.253). Bei einer Wohnung im Sinne des Gesetzes muss es sich um einen selbständigen, in sich baulich abgeschlossenen Teil des Gebäudes handeln, der geeignet ist, der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen und für sich allein vermietbar wäre (2 Ob 104/99d, 5 Ob 259/99w, 4 Ob 112/98 v). Ausnahmeschädlich ist daher auch eine Hausbesorgerwohnung (vgl 5 Ob 259/99w). Befindet sich also in dem Haus der Klägerin eine Hausbesorgerwohnung und damit drei selbständige Wohnungen, so käme der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht zum Tragen. In diesem Fall wäre auf § 28 MRG zurückzugreifen. Dieser bestimmt, dass in dem Fall, dass der vereinbarte Mietzins ganz oder teilweise in Dienstleistungen besteht, der Vermieter vom Hauptmieter statt der Dienstleistungen die Entrichtung des nach diesem Bundesgesetz zulässigen Mietzinses in barem begehren kann. Gleiches gilt, wenn zwar das Dienstverhältnis, nicht aber das Hauptmietverhältnis beendet wird. Unter Arbeitsleistungen sind auch Werkleistungen zu verstehen (1 Ob 243/97k = SZ 71/55), die vereinbarten äztlichen Leistungen sind darunter ebenfalls zu subsumieren.

Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung kann daher nicht nur der Mieter, sondern auch der Vermieter gemäß § 28 MRG bei einer erheblichen Änderung der beiderseitigen Leistungen gegenüber dem von den Vertragsteilen bei Vertragsabschluss zu Grunde gelegten Wertverhältnis (also der von diesen damals so gewollten Gleichwertigkeit deren Leistungen), die Entrichtung des nach dem MRG zulässigen Mietzinses in Geld verlangen (1 Ob 243/97k = SZ 71/55). Im vorliegenden Fall waren die kostenlos zu erbringenden ärztlichen Leistungen des Erstbeklagten Teil des Hauptmietzinses. Können diese nunmehr nach dem Tod der zu betreuenden Personen nicht mehr erbracht werden und wurde - wie hier - für diesen Fall keine Reduktion des Hauptmietzinses vereinbart, so ist nach § 28 MRG der Vermieter berechtigt, die Anhebung des Mietzinses auf den nach dem MRG zulässigen Mietzins zu verlangen. Begehrt nun der Vermieter die Bezahlung des angemessenen Mietzinses so beinhaltet dies - im Gegensatz zur Rechtsmeinung des Erstgerichtes - als minus sehr wohl auch das Begehren auf Bezahlung des (niedrigeren) Hauptmietzinses nach § 16 Abs 2 MRG (Richtwert). Diesbezüglich fehlen aber Feststellungen. Für den Fall, dass der Ausnahmetatbestand nach § 16 Abs 4 Z 2 MRG nicht zum Tragen kommt, was das Berufungsgericht vorweg durch Behandlung der Beweisrüge der Klägerin abklären muss, werden diese Feststellungen im fortzusetzenden Verfahren nachzutragen sein. Sollte sich herausstellen, dass die gemietete Wohnung in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen liegt, so kommt der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG zum Tragen. In diesem Fall gilt § 28 MRG nicht, wohl aber unter anderem die Kündigungsbeschränkungen des MRG. Da die Parteien des Mietvertrages für den Fall, dass die kostenlos zu erbringenden ärztlichen Leistungen als Teil des Hauptmietzinses unter Aufrechterhaltung des Mietvertrages nach dem Tod der zu betreuenden Personen entfallen, keine Vereinbarung getroffen haben, ist hier eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen (vgl Rummel in Rummel I3, Rz 22). Hätten redliche Vertragspartner diesen Fall bedacht, hätten sie die Erhöhung des Hauptmietzinses entsprechend den entfallenen Leistungen bis zur Grenze der Angemessenheit vorgesehen. Diese Grenze für den Fall, dass die vom Mieter zu erbringenden Leistungen insgesamt den angemessenen Hauptmietzins übersteigen, ergibt sich daraus, dass mangels anderer Anhaltspunkte weder anzunehmen ist, dass der Mieter insgesamt eine höhere (jetzt nur in Geld bestehende) Leistung hätte erbringen wollen, als dies dem angemessenen Hauptmietzins im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses entsprochen hätte, noch dass die Vermieterin sich mit weniger zufrieden gegeben hätte. Da das Berufungsgericht die für die Entscheidung notwendige Feststellung darüber, ob eine Hausbesorgerwohnung im Wohnhaus zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages vorhanden war, rechtsirrtümlich mangels Relevanz nicht geprüft hat, war daher die Rechtssache an das Berufungsgericht zu verweisen. Kommt es zum Ergebnis, dass der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht verwirklicht ist, so werden - allenfalls vom Erstgericht - Feststellungen zur Höhe des Mietzinses nach § 16 Abs 2 MRG im oben aufgezeigten Sinn zu treffen sein. Ergibt sich, dass die Wohnung dem Ausnahmetatbestand unterliegt, so wäre die Höhe des Mietzinsrückstands im Sinne der obigen Ausführungen zu ermitteln.

Anmerkung
E68743 5Ob229.02s
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten