TE Vfgh Erkenntnis 2002/11/25 B1393/02

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Veröffentlicht am 25.11.2002
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art11 Abs2
B-VG Art83 Abs2
Krnt JagdG 2000 §90
VStG §31 Abs3

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Verhängung einer Disziplinarstrafe wegen gröblicher Übertretung jagdrechtlicher Vorschriften infolge fehlender Rechtsgrundlage für eine rechtmäßige Zusammensetzung des erkennenden Senates des Disziplinarrates der Kärntner Jägerschaft

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 2.142 € bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Kärntner Jägerschaft vom 8. August 2001 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, am 7. Oktober 2000 in der Gemeindejagd "Greifenburg-Süd" einen einseitigen Kronenhirsch erlegt zu haben, den er zum Abschuß nicht freigehabt habe, ein Kronenende entfernt zu haben, um einen 8er-Hirsch und somit einen Hirsch, der zum Abschuß frei war, vorzulegen. Dadurch habe er insofern einen Verstoß gegen die Standespflichten gem. §90 Abs2 Kärntner Jagdgesetz, LGBl. 21/2000 (im folgenden: K-JG) zu verantworten, als das Ansehen und damit die Interessen der Kärntner Jägerschaft verletzt worden seien. Er wurde hiefür nach §90 Abs6 K-JG zur Disziplinarstrafe des Ausschlusses aus der Kärntner Jägerschaft für die Dauer von einem Jahr verurteilt.

2. Die dagegen ergriffene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 12. Juli 2002 abgewiesen. In der Begründung dieser Rechtsmittelentscheidung wurde u.a. ausgeführt, der in der Berufung erhobene Einwand hinsichtlich eines falsch zusammengesetzten Senates des Disziplinarrates sei unmaßgeblich, da der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten Tribunalqualität im Sinn der Europäischen Menschenrechtskonvention besitze.

II. 1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

Der Beschwerdeführer macht - bezugnehmend auf §90 Abs4 K-JG und unter ausdrücklicher Berufung auf das hg. Erkenntnis B1331/01 vom 25. Februar 2002 - insbesondere geltend, daß der Beschluß des Landesvorstandes der Kärntner Jägerschaft vom 7. Juli 1999 der zuletzt gefaßte Beschluß über die Zusammensetzung der Senate des Disziplinarrates der Kärntner Jägerschaft gewesen sei; ein Beschluß des Landesvorstandes im Sinne des §90 Abs4 K-JG, welcher sich ausdrücklich auf das Jahr 2001 beziehe, sei nicht gefaßt worden. Damit stehe fest, daß der erkennende Senat des Disziplinarrates bei seiner Entscheidung vom 8. August 2001 (ausgefertigt am 12. September 2001) nicht gesetzmäßig besetzt gewesen sei.

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten legte als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er u.a. ausführte, daß in der Berufungsverhandlung weder der Vertreter des Beschwerdeführers noch der Beschwerdeführer selbst hinsichtlich einer nicht gesetzeskonform zusammengesetzten Kammer (offenkundig gemeint: eines Senates) des Disziplinarrates etwas vorgebracht hätten, weshalb sich die Kammer der belangten Behörde nicht veranlaßt gesehen habe, "gesondert auf das diesbezügliche (vage) Berufungsvorbringen einzugehen." Auch aus dem Akteninhalt habe sich kein Hinweis darauf ergeben, daß der Disziplinarrat nicht gesetzeskonform zusammengesetzt gewesen sei.

III. Die Beschwerde, deren meritorischer Erledigung Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen, erweist sich als gerechtfertigt.

1. Der vorliegende Beschwerdefall entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der (vom Beschwerdeführer bezogenen) Beschwerdesache B1331/01, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof darauf beschränken kann, auf die Entscheidungsgründe seines in dieser Beschwerdesache am 25. Februar 2002 gefällten (dem belangten Unabhängigen Verwaltungssenat am 27. März 2002 zugestellten, mithin bekannten) Erkenntnisses hinzuweisen; aus diesem ergibt sich sinngemäß auch für den nun zu entscheidenden Beschwerdefall, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid (mangels der rechtmäßigen Zusammensetzung des erkennenden Senates des Disziplinarrates der Kärntner Jägerschaft) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde und der Bescheid daher aufzuheben ist.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG; vom zugesprochenen Kostenbeitrag entfallen 327 € auf die Umsatzsteuer sowie 180 € auf die entrichtete Pauschalgebühr.

IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

Schlagworte

Jagdrecht, Kompetenz Bund - Länder, Bedarfskompetenz, Verjährung, Verwaltungsstrafrecht, Kollegialbehörde, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1393.2002

Dokumentnummer

JFT_09978875_02B01393_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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