TE Vfgh Erkenntnis 2002/2/25 B1331/01

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Veröffentlicht am 25.02.2002
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art11 Abs2
B-VG Art83 Abs2
Krnt JagdG 2000 §90
VStG §31 Abs3

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Verhängung einer Disziplinarstrafe wegen gröblicher Übertretung jagdrechtlicher Vorschriften infolge fehlender Rechtsgrundlage für eine rechtmäßige Zusammensetzung des erkennenden Senates des Disziplinarrates der Kärntner Jägerschaft

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Kärntner Jägerschaft vom 28. Februar wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, am 25. August 1996 - vom Gemeindejagdgebiet "Altersberg" aus - im Eigenjagdgebiet "Altersberg-Ochsenalpe" einen Rehbock erlegt zu haben, ohne hiezu berechtigt gewesen zu sein, dadurch nach §90 Abs3 Kärntner Jagdgesetz 2000 (im folgenden: K-JG) gröblich jagdrechtliche Vorschriften übertreten und die Interessen der Kärntner Jägerschaft verletzt zu haben. Er wurde hiefür nach §90 Abs6 K-JG zur Disziplinarstrafe des Ausschlusses aus der Kärntner Jägerschaft für die Dauer von vier Jahren verurteilt.

2. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 17. August 2001 als unbegründet abgewiesen.

II. 1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Verfassungswidrigkeit des §90 Abs1 K-JG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

Darin führt der Beschwerdeführer - bezugnehmend auf §90 Abs4 K-JG - unter anderem aus:

"Laut dem dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Landesjägermeisters von Kärnten vom 11.09.2001 vorgelegten Schriftstück wurde die Zusammensetzung der Disziplinarsenate mit Beschluß des Vorstandes der Kärntner Jägerschaft vom 07.07.1999 bestimmt. Demselben Schriftstück ist zu entnehmen, daß der Senat IV aus dem Vorsitzenden Dr. W D. E, sowie den Beisitzern Ing. H S und F S sen. zusammengesetzt wurde.

Außerdem wurden insgesamt 8 Ersatzmänner bestellt, wobei es sich durchwegs um die Beisitzer der vier Senate handelt.

Aus dem angefochtenen Erkenntnis ergibt sich, daß der Disziplinarsenat im Anlaßfall aus dem Vorsitzenden Dr. W D. E, sowie den Beisitzern A D und F S sen. zusammengesetzt war. Daraus folgt, daß beim Senat IV als Ersatzmann A D mitgewirkt hatte.

Der Beschluß des Vorstandes der Kärntner Jägerschaft vom 07.07.1999 bewirkte in bindender Form die Zusammensetzung der Disziplinarsenate für das Jahr 2000, nicht aber für das Jahr 2001. Mangels Beschlußfassung des Landesvorstandes der Kärntner Jägerschaft existierte für das Jahr 2001 kein gesetzmäßig zusammengesetzter Disziplinarsenat. Mangels Zuhaltung der gesetzlichen Anordnung war der Senat IV nicht befugt, als Disziplinarrat im Anlaßfall am 21.03.2001 tätig zu sein.

Auch der vom Gesetzgeber geforderten Reihenfolge, nach der die Ersatzmänner zu bestimmen sind, wurde nicht entsprochen: Die Aufklärung, wonach jedes Mitglied durch jedes Ersatzmitglied ersetzbar sei, wird der gesetzlichen Anordnung nicht gerecht. Die in der vorgelegten Zusammensetzung der Disziplinarsenate unter der Bezeichnung Ersatzmänner angeführten Personen lassen eine Reihenfolge, wie diese in den einzelnen Senaten zu berufen sind, nicht erkennen.

Würde die Auflistung der Ersatzmänner der vom Gesetzgeber geforderten Reihenfolge entsprechen, hätte im Anlaßfall Öfö. Ing. N K bestellt werden müssen. Für die Bestellung des GBI i.R. A D als Ersatzmann wäre vorausgesetzt gewesen, daß nicht nur der Beisitzer Ing. H S, sondern auch die Ersatzmänner Öfö. Ing. N K, OAR S W und Dr. E B verhindert gewesen wären. Dies war nach der telefonischen Auskunft der Kärntner Jägerschaft nicht der Fall."

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten legte als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Landesjägermeister der Kärntner Jägerschaft teilte nach einer Aufforderung gemäß §20 Abs2 VfGG mit, daß ein Beschluß des Landesvorstandes der Kärntner Jägerschaft iSd. §90 Abs4 K-JG, welcher sich ausdrücklich auf das Jahr 2001 bezieht, nicht gefaßt worden sowie daß der Beschluß des Landesvorstandes über die Zusammensetzung der Senate des Disziplinarrates sowie die Bestimmung der Reihenfolge, in der die Mitglieder bei der Verhinderung eines Senatsmitgliedes als Ersatzmänner in die Senate eintreten, vom 7. Juli 1999 der zuletzt gefaßte Beschluß über die Zusammensetzung der Senate des Disziplinarrates der Kärntner Jägerschaft sei.

III. Die Beschwerde, deren meritorischer Erledigung Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen, erweist sich als gerechtfertigt.

1. Vorweg ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, das einen Widerspruch des §90 Abs1 K-JG, der die Verfolgungsverjährung für Vergehen gegen die Standespflichten (im Unterschied zu §31 Abs2 VStG) erst nach fünf Jahren eintreten läßt, zu Art7 und Art11 Abs2 B-VG behauptet, auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen. Ihr folgend liegen hier durchaus Gründe exzeptionellen Gewichts vor, die es dem Gesetzgeber nicht verwehren, eine vom StGB bzw. dem VStG abweichende disziplinarrechtliche Verjährungsregelung vorzusehen (vgl. VfSlg. 11.795/1988; ferner 12.515/1990). Hinsichtlich der vergleichbaren Bestimmung des §97 Abs1 (im damaligen) Sbg. Jagdgesetz, LGBl. 94/1977, hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, daß es nach den Besonderheiten, die dazu führen, daß eine Verletzung der Jägerehre verhältnismäßig lange Zeit nach Begehung der mißbilligten Handlung in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten kann, nicht unsachlich sei, für die Möglichkeit der Ahndung von Verletzungen der Jägerehre einen Zeitraum von fünf Jahren vorzusehen (VfSlg. 11.060/1986).

2. Die Beschwerde ist jedoch aus einem anderen Grund gerechtfertigt. §90 Abs4 K-JG, LGBl. 21/2000, lautete in seiner Fassung vor dem Gesetz vom 12. Juli 2001, mit dem das Kärntner Jagdgesetz 2000 geändert wird (LGBl. 72/2001), folgendermaßen:

"(4) Der Disziplinarrat besteht aus dem Vorsitzenden, seinen Stellvertretern und der erforderlichen Anzahl von Mitgliedern. Diese sind von der Vollversammlung auf die Dauer von fünf Jahren zu wählen. Sie müssen Mitglieder der Kärntner Jägerschaft sein. Der Disziplinarrat verhandelt und entscheidet in Senaten, die aus einem Senatsvorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern bestehen. Die Senate sind vom Landesvorstand vor Jahresschluß für die Dauer des ganzen folgenden Jahres bleibend zusammenzusetzen. Zugleich ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die übrigen Mitglieder bei der Verhinderung eines Senatsmitgliedes als Ersatzmänner in die Senate eintreten."

(Durch die bezogene Novelle wurden - mit Wirksamkeit vom 29. September 2001 - der für den vorliegenden Fall nicht näher interessierende zweite und dritte Satz dieses Absatzes durch folgenden Satz ersetzt: "Diese sind von der Vollversammlung aus dem Kreis der Mitglieder der Kärntner Jägerschaft auf die Dauer von fünf Jahren zu wählen, wobei jedenfalls der Vorsitzende und der Stellvertreter aus dem Kreis der rechtskundigen Mitglieder zu wählen sind.")

3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) auch dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (vgl. VfSlg. 10.022/1984, 11.350/1987, 12.957/1991). Eine Kollegialbehörde ist auch dann als unrichtig zusammengesetzt anzusehen, wenn sie von Gesetzes wegen vor Jahresschluß für die Dauer des ganzen folgenden Jahres bleibend zusammenzusetzen und unter einem die Reihenfolge über den Eintritt der Ersatzmänner im Verhinderungsfall eines Mitgliedes der Kollegialbehörde zu bestimmen ist, ein solcher Beschluß im Zeitpunkt der Entscheidung der Kollegialbehörde aber nicht in Geltung steht, sodaß die rechtliche Grundlage für die Zusammensetzung des erkennenden Organes überhaupt fehlt.

Da der administrative Instanzenzug als Einheit aufzufassen ist, wird das Recht auf den gesetzlichen Richter ebenso verletzt, wenn in unterer Instanz eine unrichtig zusammengesetzte Kollegialbehörde eingeschritten ist und dies von der belangten Behörde nicht wahrgenommen wurde (vgl. zB. 11.677/1988, 12.957/1991 mit weiteren Hinweisen auf die Vorjudikatur).

4. Wie sich aus der erwähnten Mitteilung des Landesjägermeisters der Kärntner Jägerschaft vom 4. Dezember 2001 ergibt, liegt ein Beschluß des Landesvorstandes der Kärntner Jägerschaft nach §90 Abs4 K-JG für das Jahr 2001, in dem der Disziplinarrat der Kärntner Jägerschaft das Erkenntnis gegen den Beschwerdeführer gefällt hat, nicht vor. Der zuletzt ergangene Beschluß über die Zusammensetzung der Senate des Disziplinarrates sowie die Bestimmung der Reihenfolge des Eintrittes der Ersatzmitglieder im Verhinderungsfall eines Senatsmitgliedes war am 7. Juli 1999 gefaßt worden und galt lediglich für die Dauer des darauffolgendes Jahres 2000. Für eine rechtmäßige Zusammensetzung des erkennenden Senates des Disziplinarrates der Kärntner Jägerschaft fehlte im vorliegenden Fall daher die vom Gesetz ausdrücklich geforderte Rechtsgrundlage.

5. Da die belangte Behörde diesen Mangel nicht aufgegriffen hat, ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen € 327,-- auf die Umsatzsteuer sowie € 181,68 auf die entrichtete Pauschalgebühr.

7. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

Schlagworte

Jagdrecht, Kompetenz Bund - Länder, Bedarfskompetenz, Verjährung, Verwaltungsstrafrecht, Kollegialbehörde, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1331.2001

Dokumentnummer

JFT_09979775_01B01331_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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