TE Vwgh Erkenntnis 2007/7/5 2007/06/0094

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Veröffentlicht am 05.07.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
StVG §107 Abs1 Z10;
StVG §107 Abs1 Z9;
StVG §108 Abs2;
StVG §109;
StVG §26 Abs2;
VStG §19;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des DG in X, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Burghard Götschhofer, Rechtsanwalt in 4643 Pettenbach, Kirchdorfer Straße 9, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Linz vom 30. Oktober 2006, Vk 3/05-13, betreffend Ordnungswidrigkeit gemäß § 107 Abs. 1 StVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Anstaltsleiter der Justizanstalt Xverhängte mit Straferkenntnis vom 15. Dezember 2004 über den Beschwerdeführer gemäß § 107 Abs. 1 Z. 10 StVG i.V.m. § 109 Z. 4 und § 113 StVG die Ordnungsstrafe der Geldbuße in der Höhe von EUR 22,--, weil er am 30. November 2004 den diensthabenden Beamten A.K. mit den Worten, "Du bist ja nicht dicht", beschimpft habe, sich somit ungebührlich benommen und gegen die allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen verstoßen habe.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Beschwerde, die die Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Linz mit Bescheid vom 10. Februar 2005 wegen Verspätung zurückwies.

Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0100, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil die Beschwerdefrist erst mit der schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Straferkenntnisses zu laufen begonnen habe und der Beschwerdeführer daher die 14-tägige Beschwerdefrist im vorliegenden Fall mit der am 19. Jänner 2005 bei der belangten Behörde eingelangten Eingabe gewahrt habe.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass sie folgenden Sachverhalt ihrer Entscheidung zu Grunde lege:

A.K. habe am 30. November 2004 seinen Dienst als Posten 4 um

13.50 Uhr im "Konvent" versehen. Um 13.53 Uhr habe der Beschwerdeführer innen an der versperrten Eingangsgittertür zum Konvent gerüttelt und A.K. aufgefordert, ihn hinauszulassen, um die Essenswagen von der Anstaltsküche zu holen. A.K. habe darauf hingewiesen, dass es noch zu früh sei und er noch einige Minuten warten solle. Darauf habe der Beschwerdeführer im aggressiven Tonfall entgegnet: "Ich bin schon 12 Jahre da und weiß wie es rennt! Du bist ja nicht dicht!" Daraufhin habe A.K. den Beschwerdeführer abgemahnt, worauf dieser erneut aggressiv geantwortet habe: "Nachsteigen brauchst mir nicht! Du bist nicht dicht!" Daraufhin habe sich der Beschwerdeführer aus dem Postenbereich entfernt.

Der Beschwerdeführer habe entgegen den Bestimmungen des StVG vorsätzlich A.K. durch die inkriminierten Äußerungen beschimpft. Die Feststellungen gründeten sich auf die Meldung des A.K. vom 1. Dezember 2004 und die damit übereinstimmende Vernehmung des Beschwerdeführers vom 7. Dezember 2004. Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers, der Beamte hätte ihn an seiner Arbeit behindert, sei als (rechtlich ohnehin unerhebliche) Schutzbehauptung zu werten, was auch durch die - eine Verhöhnung darstellende - Unterschriftsleistung (durch die Worte "Ich und eine Zeichnung") untermauert werde.

§ 107 Abs. 1 Z. 9 StVG (ungebührliches Benehmen) stelle die gegenüber der im Straferkenntnis herangezogenen Bestimmung des § 107 Abs. 1 Z. 10 StVG die speziellere Norm dar. Eine Bestrafung nach § 107 Abs. 1 Z. 10 StVG komme nur dann in Betracht, wenn das Verhalten nicht nach einer vorhergehenden Bestimmung strafbar sei, wobei aber durch die rechtsirrtümliche Subsumtion des Sachverhaltes der Strafgefangene nicht in seinen Rechten verletzt sei (Hinweis auf Drexler, StVG, zu § 107 Rz 9).

Durch die vorsätzlichen Äußerungen des Beschwerdeführers habe er der Bestimmung des § 26 Abs. 2 StVG zuwidergehandelt, indem er sich nicht so benommen habe, wie es der Anstand gebiete. Darüber hinaus erfülle er hiedurch § 107 Abs. 1 Z. 9 StVG, da der Maßstab des ungebührlichen Benehmens objektiv gezogen werden müsse, sodass Erwägungen darüber, welche Sprache allenfalls in der Justizanstalt üblich sein möge, nicht anzustellen seien (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0158). Der vom Beschwerdeführer wiederholt eingeforderte Bedeutungsinhalt seiner zugestandenen Äußerung gehe am Wortsinn vorbei. Durch den Wortlaut "nicht dicht zu sein" werde umgangssprachlich eine abwertende Eigenschaft bezeichnet, nämlich in dem Sinn, nicht ganz bei Verstand zu sein (Hinweis auf den Duden, Deutsches Universalwörterbuch3, S 340). Nur an diesem Bedeutungsinhalt sei die inkriminierte Äußerung zu messen, woraus sich ein ungebührliches Benehmen bzw. eine Verletzung der Verpflichtung gemäß § 26 Abs. 2 StVG ergebe. Die subjektive Tatseite leite sich lebensnah aus der Tatwiederholung ab. Den Unrechtsgehalt und die Schuld des Beschwerdeführers belaste der Umstand einer verstärkten Tatbestandsmäßigkeit, da er die Beschimpfung trotz Abmahnung wiederholt habe; die Annahme einer situativ bedingten Entgleisung sei demnach lebensfremd. Eine Reduktion der ohnehin "moderat ausgemessenen Geldbuße" in Höhe von EUR 22,-- sei nicht angezeigt, ebenso wenig eine mildere Strafe oder ein Vorgehen nach § 108 Abs. 2 StVG.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im vorliegenden Fall ist das Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 in der Fassung BGBl. I Nr. 15/2004 (StVG), anzuwenden.

Gemäß § 11g StVG haben die Vollzugskammern die Verwaltungsverfahrensgesetze, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sinngemäß anzuwenden und zwar

"1. im Beschwerdeverfahren außer dem Fall der Z 2 das AVG mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 12, 38, 40 bis 44g, 51, 55, 57, 63 bis 66 Abs. 1 und Abs. 3, 67a bis 67g, 73 Abs. 2 und 3 und 75 bis 80,

2. im Beschwerdeverfahren wegen eines Ordnungsstraferkenntnisses das AVG in dem in Z 1 genannten Umfang mit Ausnahme des § 11, sowie die §§ 1 bis 8, 19, 19a, 22, 25, 31, 32, 38, 44a Z 1 bis 3 und 5, 51 Abs. 6, 52 und 64 bis 66 VStG."

Gemäß § 107 Abs. 1 StVG begeht der Strafgefangene eine Ordnungswidrigkeit, der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorsätzlich

"9. sich einer im Strafvollzuge der sonst für die Anstalt tätigen Person, einem Bediensteten der öffentlichen Verwaltung, einem Unternehmer, anderen privaten Auftraggeber (§ 45 Abs. 2) oder einem seiner Bediensteten oder einem Besucher gegenüber ungebührlich benimmt; oder

10. sonst den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 zuwiderhandelt."

§ 26 Abs. 1 und 2 StVG lauten wie folgt:

"(1) Die Strafgefangenen haben den Anordnungen der im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten. Sie dürfen die Befolgung von Anordnungen nur ablehnen, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt oder die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde.

(2) Die Strafgefangenen haben alles zu unterlassen, was die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder sonst die Verwirklichung der Grundsätze des Strafvollzuges gefährden könnte. Sie haben sich so zu benehmen, wie es der Anstand gebietet."

Gemäß § 108 Abs. 2 StVG hat es bei der Abmahnung sein Bewenden, wenn die Schuld des Strafgefangenen gering ist, die Ordnungswidrigkeit keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und die Bestrafung auch nicht geboten scheint, um den Strafgefangenen von künftigen Verfehlungen abzuhalten.

Gemäß § 109 StVG kommen als Strafen für Ordnungswidrigkeiten nur eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen in Betracht:

     "1.        der Verweis

     2.        die Beschränkung oder Entziehung von Vergünstigungen;

     3.        die Beschränkung oder Entziehung der Rechte auf

Verfügung über das Hausgeld (§ 54), Fernsehempfang (§ 58),

Briefverkehr (§ 87), Besuchsempfang (§ 93) oder Telefongespräche

(§ 96a);

     4.        die Geldbuße;

     5.        der Hausarrest."

Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei sein Verschulden an der verfahrensgegenständlichen Tat geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend. Es hätte daher mit einer Ermahnung gemäß § 21 VStG sein Bewenden haben müssen. Es lägen keine Erschwerungsgründe vor, er sei disziplinär unbescholten. Die Judikatur nehme an, dass § 21 Abs. 1 VStG anzuwenden sei, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibe. Es sei über ihn unrechtmäßigerweise eine Geldstrafe statt der Erteilung einer Abmahnung, eines Verweises, einer Beschränkung oder eine Entziehung von Vergünstigungen verhängt worden. Die Behörde hätte gemäß § 109 StVG entsprechend abwägen müssen, welche Strafe zur Ahndung dieser Ordnungswidrigkeit geeignet und ausreichend sei.

Zunächst ist festzustellen, dass § 21 VStG gemäß § 11g Z. 2 StVG im vorliegenden Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht zur Anwendung kommt. Diese Bestimmung enthält keinen Verweis auf § 21 VStG. Da das StVG eine gleichartige Bestimmung im § 108 Abs. 2 leg. cit. enthält, wird das diesbezügliche Vorbringen im Lichte dieser Bestimmung behandelt.

Es kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden, dass seine Schuld in Bezug auf die von ihm begangene Verletzung des in einer Strafanstalt gebotenen Anstandes gering ist. Dies ergibt sich insbesondere - wie dies auch von der belangten Behörde festgestellt wurde - daraus, dass er die in Frage stehende Äußerung trotz entsprechenden Hinweises wiederholt hat. Eine Abmahnung im Sinne des § 108 Abs. 2 StVG kam daher schon allein aus diesem Grund nicht in Betracht.

Wenn die belangte Behörde im Rahmen des ihr gemäß § 109 StVG zustehenden Ermessens in Anwendung der Strafbemessungsgründe gemäß § 19 VStG eine Geldbuße in der geringen Höhe von EUR 22,-- verhängt hat, kann darin gleichfalls keine Rechtswidrigkeit erkannt werden. Der Beschwerdeführer begründet selbst auch nicht, warum anstelle der verhängten geringen Geldbuße eine andere der in § 109 Z. 1 bis 3 vorgesehenen Strafen hätte verhängt werden müssen. Die belangte Behörde hat sich dabei auf die in § 19 VStG vorgesehenen Kriterien berufen und insbesondere festgestellt, dass insoweit die Ordnungswidrigkeit auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder zumindest gleichgültige Einstellung zurückzuführen sei, ein hoher Grad des Verschuldens gegeben sei (Hinweis auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 zu § 19 VStG). Eine verstärkte Tatbestandsmäßigkeit (dies bezieht sich offenbar darauf, dass der Beschwerdeführer die in Frage stehende verletzende Äußerung nach Abmahnung wiederholte) belaste im vorliegenden Fall den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden des Beschwerdeführers und es könne daher eine situationsbedingte Entgleisung nicht angenommen werden. Die in Frage stehende Äußerung des Beschwerdeführer ist zumindest so zu beurteilen, dass der Beschwerdeführer dem rechtlich geschützten Wert des Schutzes und der Wahrung des Anstandes in der Anstalt durch die Strafgefangenen zumindest gleichgültig gegenübersteht.

Es ist abschließend auch noch festzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 10. September 1998, Zl. 97/20/0809, ausgesprochen hat, es sei evident, dass derjenige, der sich in Form seiner Ausdrucksweise derart "ungebührlich benimmt" sich auch nicht im Sinne des § 26 Abs. 2 StVG so benimmt, "wie es der Anstand gebietet". Da § 26 Abs. 2 leg. cit. und § 107 Abs. 1 Z. 9 StVG dem Strafgefangenen insoweit dasselbe rechtswidrige Verhalten untersagen und dafür dieselbe Sanktion vorsehen, wurde der Beschwerdeführer durch die rechtsirrtümliche Subsumtion des vollständig im Sinne der Tatbildumschreibung des § 107 Abs. 1 Z. 9 StVG im Spruch des Straferkenntnisses festgestellten Sachverhalts unter den nur subsidiär zur Anwendung kommenden Tatbestand des § 107 Abs. 1 Z. 10 (wenn das ungebührliche Benehmen nicht gegenüber den im § 107 Abs. 1 Z. 9 angeführten Personen erfolgt und eine Verletzung des Anstandes darstellt) nicht in seinen Rechten verletzt. Auch im vorliegenden Fall liegt insofern daher auch keine Rechtsverletzung für den Beschwerdeführer vor.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 5. Juli 2007

Schlagworte

Ermessen VwRallg8 Ermessen besondere Rechtsgebiete Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007060094.X00

Im RIS seit

15.08.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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