TE Vfgh Beschluss 2003/2/7 B1101/02

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Veröffentlicht am 07.02.2003
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §17 Abs2
VfGG §33
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
ZPO §64 Abs1 Z3

Leitsatz

Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags zwecks Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist als offenbar aussichtslos; anwaltliche Unterfertigung von Wiedereinsetzungsanträgen beim VfGH nicht gesetzlich geboten; Beigebung eines Rechtsanwaltes angesichts der Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch nicht erforderlich; kein minderer Grad des Versehens bei Versäumung der Frist

Spruch

Der Antrag des L S, ..., ihm in der Beschwerdesache gegen den Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 29. April 2002, Z0-1-0, zwecks Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Antragsteller hatte mit Eingabe vom 29. Juni 2002 beantragt, ihm Verfahrenshilfe "gegen Magistrat Linz wegen Aberkennung der Invalidenpension" sowie "Einbehaltung einer Nachzahlung" zu gewähren.

2. Mit hg. Beschluß vom 25. Juli 2002, B1101/02-4, wurde der Verfahrenshilfeantrag, soweit gegen den Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 29. April 2002, Z0-1-0, gerichtet, abgewiesen. Die - mit Zustellung dieses Beschlusses am 29. Juli 2002 von neuem in Gang gesetzte (vgl. §464 Abs3 ZPO, §35 Abs1 VfGG) - sechswöchige Beschwerdefrist (§82 Abs1 VfGG) ist am 9. September 2002 abgelaufen, ohne daß der Antragsteller eine Beschwerde durch einen selbst gewählten Rechtsanwalt eingebracht hätte.

3. Mit hg. Beschluß vom 2. September 2002, A9/02-2, (dem Antragsteller zugestellt am 4. September 2002, also noch vor dem Ablauf der neuerlich in Gang gesetzten Beschwerdefrist gegen den Bescheid vom 29. April 2002) wurde dem Antragsteller die Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Klage auf Nachzahlung von Versehrtenrente nach dem OÖ Gemeinde-Unfallfürsorgegesetz bewilligt.

Diese Klagssache gem. Art137 B-VG ist beim Verfassungsgerichtshof zu A9/02 anhängig.

4. Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2002, beim Verfassungsgerichtshof eingelangt am 23. Oktober 2002, erhob der Antragsteller, vertreten durch den - bloß - für die Klagssache bestellten Verfahrenshilfeanwalt, (auch) Beschwerde gem. Art144 B-VG gegen den Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 29. April 2002. Diese Beschwerde wurde mit hg. Beschluß vom 25. November 2002, B1101/02-9, als verspätet zurückgewiesen.

5. Mit Eingabe vom 20. Jänner 2003 beantragt der Antragsteller Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Antrags auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist des §82 Abs1 VfGG. Begründend wird dazu im wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe - irrig - angenommen, nach Abweisung seines in der Beschwerdesache gestellten Verfahrenshilfeantrags werde ihm eine weitere "Verständigung" des Verfassungsgerichtshofes zukommen, weil er mit Schreiben vom 29. Juli 2002, beim Verfassungsgerichtshof eingelangt am 1. August 2002, um eine "neuerliche" Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in dieser Angelegenheit ersucht habe. Er sei deshalb davon ausgegangen, daß ihm - mit hg. Beschluß vom 2. September 2002 - "ohnehin die Verfahrenshilfe für sämtliche Möglichkeiten an den VfGH/VwGH bewilligt" worden sei.

6.1. Verfahrenshilfe ist einer Partei so weit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint (§63 Abs1 ZPO).

Im verfassungsgerichtlichen Verfahren müssen Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben sein (vgl. §17 Abs2 VfGG). Derartige Eingaben unterliegen überdies weder der Eingabengebühr gem. §17a VfGG (vgl. §17a Abs1 iVm §15 Abs1 VfGG) noch der Eingabengebühr gem. §14 TP6 Gebührengesetz (vgl. §14 TP6 Abs5 Z1 Gebührengesetz idF des ArtVI Z18a Abgabenänderungsgesetz 2001, BGBl. I Nr. 144/2001, und dazu AB 859 XXI. GP).

6.2. Nach §64 Abs1 Z3 ZPO (§35 Abs1 VfGG) kann einer Partei die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwaltes auch dann bewilligt werden, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwar nicht gesetzlich geboten ist, aber "nach der Lage des Falles erforderlich erscheint". Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor; vielmehr erscheint die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverteidigung sogar als offenbar aussichtslos iS des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG):

a) Da das VfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 Abs1 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idgF sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988 uva.).

b) Davon kann hier aber nicht die Rede sein:

Wie aus den hg. Beschlüssen vom 25. Juli 2002 bzw. vom 2. September 2002 eindeutig hervorgeht, hat der Verfassungsgerichtshof mit dem erstgenannten Beschluß den Verfahrenshilfeantrag des Antragstellers hinsichtlich der Beschwerdesache abgewiesen, hinsichtlich der Klagssache dagegen mit dem letztgenannten Beschluß bewilligt. Der Spruch dieses Beschlusses hatte - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"Dem in der Klagssache des L S, ..., gegen die Landeshauptstadt Linz wegen Nachzahlung von Versehrtenrente nach dem OÖ Gemeinde-Unfallfürsorgegesetz, gemäß §63 Abs1 ZPO, §35 VfGG gestellten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird stattgegeben.

..."

Mit - auch an den Antragsteller ergangenem - hg. Schreiben vom 9. September 2002, A9/02-5, wurde schließlich der in der Klagssache zu A9/02 zur Verfahrenshilfe beigegebene Rechtsanwalt des Antragstellers aufgefordert, innerhalb von sechs Wochen die "Klage gem. Art137 B-VG" einzubringen. (Auch) dieses Schreiben bietet somit keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Verfassungsgerichtshof Verfahrenshilfe auch zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde bewilligt hätte.

Selbst ein oberflächliches Studium des Beschlusses vom 2. September 2002 konnte somit nicht den Eindruck entstehen lassen, dieser Beschluß habe den hg. Beschluß vom 25. Juli 2002 "aufgehoben" oder aus einem sonstigen Grund die sechswöchige Beschwerdefrist des §82 Abs1 VfGG von neuem in Gang gesetzt. Einem allfälligen Mißverständnis des Antragstellers läge mithin bloß eine auffallende Sorglosigkeit beim Lesen des Beschlusses zugrunde.

Hätte sich der Antragsteller hingegen in einer nicht auf einem groben Verschulden beruhenden Unklarheit darüber befunden, in welchem Umfang ihm der Verfassungsgerichtshof Verfahrenshilfe bewilligt hat, wie er noch in seiner Beschwerde vom 21. Oktober 2002 - anwaltlich vertreten - vorbrachte, war das Problem erkennbar und lag kein unabwendbares Hindernis vor, die Bescheidbeschwerde noch innerhalb der offenen Frist einzubringen oder spätestens die Beschwerde vom 21. Oktober 2002 mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verbinden. Dem beabsichtigten Wiedereinsetzungsbegehren stünde - was die letztgenannte Variante anbelangt - die Bestimmung des §148 Abs2 ZPO (§35 Abs1 VfGG) entgegen, wonach der Antrag innerhalb von vierzehn Tagen ab "dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist", zu stellen ist.

7. Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint somit als offenbar aussichtslos. Damit entspricht der Verfahrenshilfeantrag aber nicht den Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG), weshalb er abzuweisen war.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1101.2002

Dokumentnummer

JFT_09969793_02B01101_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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