TE Vfgh Erkenntnis 2003/2/25 A9/02

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Veröffentlicht am 25.02.2003
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art137 / Liquidierungsklage
ZPO §411

Leitsatz

Abweisung der Klage eines Bediensteten der Stadt Linz auf Auszahlung eines von der beklagten Partei einbehaltenen Teiles einer Nachzahlung von Versehrtenrente; Aufrechnung von Gegenforderungen aufgrund rechtskräftiger und vollstreckbarer Urteile ordentlicher Gerichte bzw eines Erkenntnisses des VwGH nicht zu Unrecht erfolgt

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der 1948 geborene Kläger stand bis zu seiner mit Ablauf des 6. September 1990 gemäß §85 Abs4 des OÖ Statutargemeinde-Beamtengesetzes, LGBl. Nr. 37/1956, kraft Gesetzes erfolgten Entlassung (rechtskräftige Verurteilung wegen zweier Vermögensdelikte zu einer Freiheitsstrafe unbedingt) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Linz. Er war zuletzt als Brandmeister bei der Feuerwehr (Verwendungsgruppe C) tätig.

2. Der Kläger hatte am 8. November 1985 im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes einen Unfall erlitten.

2.1. Mit - rechtskräftigem - Bescheid vom 19. September 1989 anerkannte die Dienstbehörde erster Instanz diesen Unfall des Klägers gemäß §2 Abs1 OÖ Gemeinde-Unfallfürsorgegesetz, LGBl. Nr. 36/1969, als Dienstunfall und sprach ihm "für die Folgen dieses Unfalles gemäß §§1, 7, 8, 9, 22 und 27 leg. cit. ab 9. November 1989" (richtig: 1985) eine Versehrtenrente (Teilrente) im Ausmaß von 20 vH der Vollrente zu.

2.2. Mit Schreiben vom 24. Jänner 1991 beantragte der Kläger unter anderem eine "Anhebung der Invalidität auf 40 %", weil sich seine Beschwerden wesentlich verschlechtert hätten.

Mit Bescheid vom 6. Mai 1992 entzog die Dienstbehörde erster Instanz dem Kläger die zuerkannte Versehrtenrente nach Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH auf 15 vH, uzw. mit Ablauf des Monates, mit dem dieser Bescheid rechtskräftig werde. Die dagegen erhobene Berufung des Klägers vom 22. Mai 1992 wurde mit Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 5. Mai 1994 als unbegründet abgewiesen.

Mit Juni 1994 wurde die Versehrtenrente eingestellt.

2.3. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid erhob der Kläger Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis dieses Gerichtshofes vom 19. Dezember 2000, Z94/12/0159, wurde der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

2.4. Mit Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 29. April 2002, dem Kläger zugestellt am 21. Mai 2002, wurde die Berufung des Klägers auch im zweiten Rechtsgang als unbegründet abgewiesen.

3. Mit Schreiben des Präsidialamtes der beklagten Landeshauptstadt Linz vom 31. Mai 2002, dem Kläger am selben Tag zu eigenen Handen per Boten zugestellt, wurde der Kläger über die Höhe seines Nachzahlungsanspruchs hinsichtlich des Zeitraums Juni 1994 bis Mai 2002 in Kenntnis gesetzt:

"Sehr geehrter Herr S!

Ihnen steht eine Nachzahlung Ihrer Versehrtenrente in der Höhe von € 21.836,82 zu.

Die Stadt Linz hat jedoch Ihnen gegenüber zumindest folgende aufrechenbare Forderungen:

Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit dem Urteil des OLG Linz vom 26.4.1994, 12 R 11/94 (Amtshaftungsklage);

fällig seit 31.12.1994                               €  7.805,48

Sachverständigenkosten im Zusammenhang mit dem

Urteil des OLG Linz vom 26.4. 1994[,] 12 R 11/94;

fällig seit 31.12.1994                               €  1.453,46

Prozesskosten im Zusammenhang mit dem Urteil des

BG Linz vom 24.4.1991, 11 C150/91 (Schadenersatz);

fällig seit 31.12.1998                               €    140,65

Verfahrenskosten im Zusammenhang mit dem VwGH-

Erkenntnis vom 22.11.2000 [Anm.: Z2000/12/0213];

fällig seit 10.7.[2]001                              €    896,52

Exekutionskosten                                     €    122,--

Summe                                                € 10.418,11

Gem. §1438 ABGB erklärt die Stadt Linz daher die Aufrechnung sämtlicher ihr zukommenden Geldforderungen, insbesondere ihrer o.a. Forderungen mit der Ihnen zustehenden Nachzahlung der Versehrtenrente, sodass aus diesem Titel an Sie lediglich € 11.418,71 zur Auszahlung gelangen können.

Mit freundlichen Grüßen

..."

4. Am 4. Juni 2002 schloß der Kläger mit seinem Rechtsvertreter, Mag. P, einen Zessionsvertrag. Darin erklärte der Kläger, seine "derzeit gegen den Magistrat Linz, Hauptplatz 1, 4020 Linz, bestehenden Ansprüche aus dem Titel Versorgungsrente" bis zur Höhe des von Mag. P aus seiner Tätigkeit als Rechtsvertreter erworbenen Honoraranspruchs (inkl. 4 % Zinsen) von € 3.893,41 abzutreten.

Die beklagte Partei wurde über den Abschluß dieses Vertrags am selben Tag in Kenntnis gesetzt.

5. In weiterer Folge unterzeichneten der Kläger, Mag. P sowie der damalige Rechtsvertreter des Klägers, Mag.Dr. M, folgende - vom Präsidialamt der beklagten Landeshauptstadt erstellte - "Erklärung":

"Wir, die Unterfertigenden, stimmen vorbehal[t]los folgender Regelung zu:

Die Stadt Linz hat L S aufgrund des VwGH-Erkenntnisses vom 19.12.2000, ..., Versehrtenrente in der Höhe von € 11.418,71 nachzuzahlen.

Herr Rechtsanwalt Mag.M P hat gegen Herrn S eine offen[e] Honorarforderung wegen seiner anwaltlichen Tätigkeit für Herrn S im Verfahren wegen Entziehung der Versehrtenrente in der Höhe von € 3.893,41, welche von Herrn S anerkannt wird.

Dieser Betrag wird anlässlich der Auszahlung an Herrn S seitens der Stadt Linz in Abzug gebracht und in Erfüllung des Zessionsvertrages vom 4.6.2002 direkt an Herrn RA Mag. P ... überwiesen.

Herrn Rechtsanwalt Mag.Dr. A M, welcher von Herrn S mit Vollmacht vom 29.5.2002 bevollmächtigt wurde, die Herrn S zustehende Nachzahlung entgegen zu nehmen, werden somit € 7.525,30 ... ausbezahlt.

Die Stadt Linz hat durch diese o.a. Zahlungen im Zusammenhang mit der Nachzahlung der Versehrtenrente an Herrn S schuldbefreiend geleistet.

Sämtliche Unterfertigende verzichten in diesem Zusammenhang auf alle öffentlich- oder privatrechtliche[n] Rechtsmittel.

Die Stadt Linz wird nach Unterfertigung dieser Erklärung durch sämtliche Beteiligte umgehend die Anweisung auf die o.a. Konten vornehmen."

6. Mit Schreiben vom 26. August 2002 forderte der Kläger die beklagte Partei auf, "den einbehaltenen Teil der Nachzahlung [s]einer Versehrtenrente auszuzahlen", uzw. binnen vierzehn Tagen. Begründend wird dazu im wesentlichen ausgeführt, die beklagte Partei hätte nicht aufrechnen dürfen.

Die beklagte Partei kam dieser Aufforderung nicht nach.

7. Die vorliegende, auf Art137 B-VG gestützte Klage begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, dem Kläger den Betrag von € 13.823,72 zuzüglich 4 % Zinsen ab 1.7.2002 sowie die - verzeichneten - Kosten dieses Rechtsstreits zu Handen des Klagsvertreters binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründend wird dazu folgendes ausgeführt:

Die dem Kläger zuerkannte Versehrtenrente sei ohne Rechtsgrund eingestellt worden. Im Juni 2002 sei die Versehrtenrente zum Teil nachbezahlt worden, uzw. in der Höhe von € 11.418,71, wovon € 3.405,61 auf die Zinsen und € 8.013,10 auf das Kapital angerechnet worden seien.

8. Die beklagte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, worin beantragt wird, die Klage als unbegründet abzuweisen. Begründend wird dazu ausgeführt, dem Kläger sei eine Nachzahlung in Höhe von € 21.836,82 zugestanden. Die beklagte Partei habe davon jedoch durch Aufrechnung eigene Forderungen abgezogen, sodaß ein Betrag von € 11.418,71 verblieben sei. Diese Aufrechnungserklärung sei dem Kläger am 31. Mai 2002 nachweislich zugestellt worden. Da der Kläger über den Rest zum Teil im Wege eines Zessionsvertrags verfügt habe, hätten ihm lediglich € 7.525,30 überwiesen werden können.

Wörtlich heißt es sodann:

"Wenn Herr S in seiner Klage nun behauptet, dass die Einstellung der Auszahlung der Versehrtenrente rechtsgrundlos erfolgt sei, so ist dem zu entgegnen, dass mit einer Klage nach Art137 B-VG nicht die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsverfahrens überprüft werden kann. ...

Aus dem Umstand der Klagserhebung ist weiters abzuleiten, dass Herr S offensichtlich die Gültigkeit der vorgenommenen Aufrechnung nach §1438 ABGB bezweifelt. Dazu ist auszuführen:

Eine Aufrechnung erfolgt durch einseitige Erklärung des Aufrechnenden und kann auch gegen den Willen des Aufrechnungsgegners vorgenommen werden; Konnexität der Forderungen ist nicht erforderlich. Voraussetzungen für eine gültige Aufrechnung sind:

Richtigkeit, Fälligkeit, Gleichartigkeit und Gegenseitigkeit; weiters darf kein gesetzliches oder vertragliches Aufrechnungsverbot bestehen.

Die Forderungen der Stadt Linz gegen Herrn S waren sämtliche richtig, das heißt sie sind gültig entstanden und waren im Aufrechnungszeitpunkt noch nicht erloschen.

Sie waren auch fällig, wie sich aus dem beiliegenden Akt ergibt. Ebenso waren sie gleichartig, da es sich jeweils um Geldforderungen handelt. Auch die Gegenseitigkeit war gegeben.

Ein vertragliches Aufrechnungsverbot lag nicht vor, auch kein gesetzliches. Theoretisch in Frage käme ohnehin nur ein Aufrechnungsverbot einer unpfändbaren Forderung gem. §293 Abs3 iVm §§290 ff EO.

Bei einer Versehrtenrente handelt es sich um eine beschränkt pfändbare Forderung gem. §290a Abs1 Z. 5 lita EO, das heißt, dass das sog. Existenzminimum freibleiben muss. Dies ist hier der Fall, da Herr S eine Pension bezieht, deren Höhe das Existenzminimum überschreitet.

Da somit sämtliche Voraussetzungen vorliegen, wurde die Kompensation zu Recht vorgenommen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Klage ist zulässig. Sie ist auf die Auszahlung des von der beklagten Partei einbehaltenen Teiles einer Nachzahlung von Versehrtenrente gerichtet. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt seine Zuständigkeit gem. Art137 B-VG zur Entscheidung über Liquidierungsbegehren bezüglich besoldungsrechtlicher Ansprüche von Beamten bejaht (vgl. zB VfSlg. 8371/1978, 11.356/1987 und 11.395/1987). Nicht anders verhält es sich mit dem im vorliegenden Fall klagsweise geltend gemachten Liquidierungsanspruch: Auch dieser Anspruch wurzelt im öffentlichen Recht, über ihn ist somit nicht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden. Der Anspruch ist auch - da es an einer diesbezüglichen Vorschrift mangelt - nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen. Die Prozeßvoraussetzungen gem. Art137 B-VG sind daher gegeben (VfSlg. 3259/1957, 5732/1968, 6198/1970, 14.618/1996).

2. Die Klage ist jedoch unbegründet:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat zwar bereits wiederholt ausgesprochen (zB VfSlg. 5732/1968, 6198/1970, 7003/1973, 8043/1977; zuletzt etwa VfSlg. 14.618/1996, 15.820/2000), daß eine bestrittene Forderung, über die die zuständige Behörde noch nicht entschieden hat, jedenfalls dann nicht als in einem Verfahren gem. Art137 B-VG aufrechenbare Gegenforderung angesehen werden kann, wenn sie entweder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen oder über sie durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu entscheiden ist. Andernfalls käme nämlich der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über den Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung Rechtskraft gem. §35 VfGG, §411 Abs1 letzter Satz ZPO zu; der Verfassungsgerichtshof würde die Grenzen seiner durch die Verfassung bestimmten Zuständigkeit überschreiten. In VfSlg. 6198/1970 heißt es zudem, daß dem Verfassungsgerichtshof nicht die Zuständigkeit zukommt, über eine Gegenforderung zu entscheiden, wenn sich der Anspruch nicht gegen einen der in Art137 B-VG bezeichneten Rechtsträger richtet (vgl. auch VfSlg. 15.174/1998 mwN).

2.2. Für den Kläger ist daraus aber nichts zu gewinnen:

Die von der beklagten Partei geltend gemachten Gegenforderungen beruhen ausnahmslos auf - vorhin (Pkt. I.3.) im einzelnen bezeichneten - rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteilen der ordentlichen Gerichte bzw. auf einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (22. November 2000, Z2000/12/0213). Es handelt sich somit - anders als in den der vorhin zusammengefaßten Vorjudikatur zugrunde liegenden Fällen - um keine strittigen Forderungen, über die der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden hätte. Der Verfassungsgerichtshof kann angesichts dessen weder finden, daß die beklagte Partei mit ihren Forderungen zu Unrecht gegen den Nachzahlungsanspruch des Klägers aufgerechnet hätte, noch, daß der Berücksichtigung der Zahlungswirkung dieser Aufrechnung bei Beurteilung des Klagsanspruches im Verfahren nach Art137 B-VG ein rechtliches Hindernis entgegenstünde.

Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.

3. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Dienstrecht, Ruhegenuß, Sozialversicherung, Unfallversicherung, Versehrtenrente , VfGH / Klagen, Zivilprozeß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:A9.2002

Dokumentnummer

JFT_09969775_02A00009_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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