TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/9 2006/02/0294

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Veröffentlicht am 09.10.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
KFG 1946 §102 Abs5 litb;
KFG 1967 §102 Abs5 lita;
KFG 1967 §102 Abs5 litb;
VStG §44a Z1;
VStG §44a;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des KK in R, Deutschland, vertreten durch Dr. Klaus Schärmer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 6/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 25. September 2006, Zl. uvs- 2006/17/1375-1, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1976 und der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Bestrafung gemäß § 102 Abs. 5 lit. b KFG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund und das Land Tirol haben dem Beschwerdeführer zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 (das sind je EUR 585,60) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Juli 2000 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 23. Jänner 2006 um 12.49 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges (Sattelzugfahrzeug und Anhänger)

1. auf der A 12 Inntalautobahn bei km 24.300 den Zulassungsschein des Sattelanhängers nicht mitgeführt bzw. es unterlassen, trotz Verlangens der Straßenaufsicht dieses Dokument zur Überprüfung auszuhändigen,

2. das auf der A 12 Inntalautobahn bei km 23.480 deutlich sichtbar aufgestellte Verbotszeichen "Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t" nicht beachtet.

Er habe Übertretungen gemäß 1. § 102 Abs. 5 lit. b KFG und

2. § 52 lit. a Z. 7a StVO begangen. Es wurden Geldstrafen in der Höhe von zu 1. EUR 29,--, zu 2. EUR 218,-- (im Nichteinbringungsfall jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Zu 1. begründete die belangte Behörde im Wesentlichen, es sei irrelevant, ob der Beschwerdeführer den Zulassungsschein mitgeführte habe oder nicht, zumal er diesen den Polizeibeamten jedenfalls nicht ausgehändigt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 102 Abs. 5 lit. b KFG hat der Lenker den Zulassungsschein auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt hat, handelt es sich beim Verstoß gegen die Verpflichtungen zum Mitführen und zur Aushändigung (unter anderem) des Zulassungsscheins um selbständig zu verwirklichende Tatbestände (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2002, Zl. 99/02/0240). Im hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2004, Zl. 2002/03/0068, (zu den vergleichbaren selbständigen Tatbeständen des Mitführens und Vorzeigens der Gemeinschaftslizenz gemäß Art. 5 Abs. 4 letzter Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92) wurde ausgeführt, dass der Verstoß des Nicht-Vorzeigens eines Dokumentes nicht zwingend mit dem Deliktstatbestand des Nicht-Mitführens dieses Dokumentes verbunden ist (zur näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen). Im Falle, dass der angefochtene Bescheid keine Feststellungen dazu enthält, dass der Beschwerdeführer die betreffende Unterlage nicht mitgeführt hätte, wird der Beschwerdeführer durch einen Spruch wie im gegenständlichen Fall in seinen Rechten verletzt. Dies trifft auch auf den gegenständlichen Fall zu.

Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe keine mündliche Verhandlung durchgeführt, obwohl er eine solche in der Berufung beantragt habe. Damit ist er im Recht:

Die Absätze 1 bis 5 des § 51e VStG, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 65/2002, lauten:

"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

2.

sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder

3.

im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

              4.              sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

Da der Beschwerdeführer in seiner Berufung vom 25. April 2006 - entgegen der von der belangten Behörde sogar noch in der Gegenschrift vertretenen (klar aktenwidrigen) Ansicht - ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, war die belangte Behörde im Beschwerdefall verpflichtet, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im Hinblick auf die Bestrafung gemäß § 102 Abs. 5 lit. b KFG mit (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Im Übrigen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, weil Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. Oktober 2007

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Mängel im Spruch "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Besondere Rechtsgebiete Allgemein Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006020294.X00

Im RIS seit

08.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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