TE Vwgh Erkenntnis 2007/11/27 2003/06/0141

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Veröffentlicht am 27.11.2007
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
95/06 Ziviltechniker;

Norm

B-VG Art139 Abs4;
B-VG Art140 Abs4;
B-VG Art140 Abs7;
IngKG §27 Abs2 Z2 idF 1990/735;
IngKG §29 idF 1990/735;
Statut der Wohlfahrtseinrichtungen der BundesIngenieurkammer 1970;
Statut der Wohlfahrtseinrichtungen der BundesIngenieurkammer 1991;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/06/0097

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg,

I. über die zur hg. Zl. 2003/06/0141 protokollierte Beschwerde der A M O in W, vertreten durch Arnold Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, sowie

II. über die zur hg. Zl. 2005/06/0097 protokollierte Beschwerde der A M O in W, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Sterngasse 13,

gegen die Bescheide des Vorstandes der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, jeweils vertreten durch Dr. Herbert Hochegger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4,

zu I.) vom 11. Oktober 2001, GZ.: W 3156, betreffend Versagung der Gewährung einer Witwenpension, und

zu II.) vom 7. Februar 2005, GZ: 399-1/04, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Gewährung einer Witwenpension, zu Recht erkannt :

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die Beschwerdeführerin ist die Witwe nach einem am 24. März 1992 verstorbenen Ziviltechniker. Mit Eingabe vom 22. März 2001 stellte sie einen Antrag auf Gewährung der Witwenpension.

Mit dem zur hg. Zl. 2003/06/0097 angefochtenen Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten vom 11. Oktober 2001 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Kuratoriums der Wohlfahrtseinrichtungen auf Gewährung einer Witwenpension nach ihrem Ehegatten nicht stattgegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass nach dem Statut der Wohlfahrtseinrichtungen (in der Folge: Statut) des Jahres 1992 (gemeint: 1991) ein Pensionsanspruch auf Grund der Rechtslage zum Zeitpunkt des Stichtages, dies sei der Sterbetag des Mitgliedes, zu beurteilen sei. Demnach stünde der Witwe eines Ziviltechnikers oder ehemaligen Ziviltechnikers gemäß § 13 Abs. 1 des Statuts 1991 eine Pension nur dann zu, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Ehemanns im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, was aber hier nicht der Fall gewesen sei. Da die Beschwerdeführerin somit keinen Anspruch auf Gewährung der Witwenpension habe, sei ihrem Antrag nicht stattzugeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser sprach im Beschwerdefall mit Erkenntnis vom 23. Juni 2003, Slg. Nr. 16.902, aus, dass § 27 Abs. 2 Z. 2 sowie § 29 des Ingenieurkammergesetzes, BGBl. 1969/71 in der Fassung BGBl. 1990/735, verfassungswidrig waren und das Statut der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenieurkammer, erlassen durch Beschluss des Kammertages vom 30. Juni 1970, kundgemacht in den Öffentlichen Nachrichten der Bundes-Ingenieurkammer vom 20. Juli 1970, in der Fassung der Kammertagsbeschlüsse bis einschließlich jenem vom 13. Dezember 1991, dieser kundgemacht im amtlichen Teil der Zeitschrift "konstruktiv" Nr. 167 vom 14. Februar 1992, Seite 5, gesetzwidrig war.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom selben Tag, B 1578/01-8, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und begründete dies im Wesentlichen damit, es sei im Hinblick auf das Ergebnis des durchgeführten Normenprüfungsverfahrens ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin - soweit verfassungsrechtliche Fragen berührt seien - nachteilig betroffen sein könne. In diesem Zusammenhang verwies der Verfassungsgerichtshof auf Punkt II.3.3 seines oben zitierten Erkenntnisses vom 23. Juni 2003, in dem er ausgeführt hatte, dass die Gesetzwidrigkeit hinsichtlich des gesamten Statutes festzustellen gewesen sei, weil auch die Feststellung der Gesetzwidrigkeit bloß der präjudiziellen Bestimmungen des Statutes für die Beschwerdeführerin dieselben Folgen gehabt hätte.

Über Antrag der Beschwerdeführerin trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 26. August 2003, B 1578/01-11, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In ihrer ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin replizierte auf diese Gegenschrift.

2. Mit Schreiben vom 29. Juli 2004 stellte die Beschwerdeführerin beim Kuratorium für Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten (in der Folge: Behörde erster Instanz) einen Antrag auf Leistung einer Witwenpension ab 1. Juli 2004 gemäß § 29 Abs. 3 Z. 3 ZTKG 1993, BGBl. Nr. 157/1994, idF BGBl. I Nr. 44/2004.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2004 wies die Behörde erster Instanz diesen Antrag im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die Beschwerdeführerin habe bereits mit Schreiben vom 22. März 2001 einen Antrag auf Zuerkennung einer Witwenpension gestellt, in welchem ausdrücklich auf das Statut 2000 Bezug genommen worden sei. Diesem Antrag sei damals nicht stattgegeben und diese Entscheidung vom Vorstand auch bestätigt worden; derzeit sei die Sache beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Durch das Statut 2004 sei eine neue Rechtslage geschaffen worden, die für den vorliegenden Fall jedoch ohne Bedeutung sei, da für sozialversicherungsrechtliche Versorgungsansprüche prinzipiell Stichtagsrecht gelte und der maßgebliche Zeitpunkt für den Anspruch demnach der Todestag des Ehemannes sei. Da Pensionsanträge nicht nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Antragstellung, sondern nach der Rechtslage im anspruchsbegründenden Zeitpunkt zu beurteilen seien, sei durch das Inkrafttreten des Statuts 2004 keine Änderung der Rechtslage eingetreten, welche eine andere oder neuerliche Behandlung der bereits anhängigen Verwaltungssache ermögliche. Auch der zu beurteilende Sachverhalt sei unverändert. Der vorliegende Antrag habe demnach dieselbe Verwaltungssache zum Gegenstand, weshalb er wegen bereits anhängiger Rechtssache zurückzuweisen war.

Der Vorstand der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten gab mit dem zur hg. Zl. 2005/06/0097 angefochtenen Bescheid vom 7. Februar 2005 der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und führte begründend im Wesentlichen aus, die als gesetzwidrig bzw. verfassungswidrig erkannten Bestimmungen seien nicht anzuwenden. Im Sozialversicherungsrecht gelte aber grundsätzlich das "Stichtagsrecht" und Versorgungsansprüche seien nicht nach dem Recht, welches zum Zeitpunkt der Antragstellung in Geltung stehe, zu beurteilen, sondern auf Grund der zum Stichtag geltenden Rechtslage. Bei Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes gelte der Versicherungsfall mit dem Tod als eingetreten und sei somit der Stichtag. Diese Rechtsansicht ergebe sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. März 2002, Zl. 2001/06/0158. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringe, dass auf anhängige Verfahren noch das bisherige Gesetz anzuwenden sei. Das Statut 2004 sei erst mit 1. Juli 2004 in Kraft getreten und könne daher für den vorliegenden Fall ebenso wenig wie das Statut 2000 zur Anwendung kommen. Der vorliegende Antrag sei daher grundsätzlich auf Grund des Statutes 1991 zu entscheiden, weil der Sachverhalt auf Grund der Stichtagsbezogenheit keiner neuen Rechtslage zu unterstellen sei. Daher sei der Antrag zurückzuweisen gewesen, wobei dahingestellt bleiben könne, ob dies wegen bereits (formal) entschiedener oder wegen anhängiger Rechtssache zu erfolgen gehabt habe.

In ihrer Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin erstattete einen ergänzenden Schriftsatz.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

3.1. zur Zl. 2003/06/0141:

Die als verfassungswidrig erkannte Norm und die als gesetzwidrig erkannte Verordnung sind im Beschwerdefall, der Anlassfall für den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes waren, nicht anzuwenden (vgl. Art. 139 Abs. 6 zweiter Satz und Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG). Da die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der Witwenpension von der als verfassungswidrig erkannten Norm bzw. der als gesetzwidrig erkannten Verordnung ausging, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Ob der Beschwerdeführerin auf anderer rechtlicher Grundlage ein Anspruch auf Witwenpension zusteht (die Beschwerdeführerin erwähnt diesbezüglich in ihrer Beschwerde mit näherer Darlegung die Rechtsanalogie) und diesbezüglich allenfalls die tatsächlichen Voraussetzungen bestehen, wurde von der belangten Behörde nicht geprüft und war (daher) auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3.2. zur Zl. 2005/06/0097:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt und bringt (zusammengefasst) vor, § 29 Abs. 3 Z. 3 ZTKG, BGBl. Nr. 157/1994, idF BGBl. I 44/2004, sehe nunmehr ausdrücklich vor, dass einer bis zum Tod in aufrechter Ehe lebenden unterhaltsberechtigten Witwe ein entsprechender Pensionsanspruch zukomme. Auf Grund der von der Beschwerdeführerin bewirkten Bereinigung der Rechtslage stehe ihr ein Anspruch auf Witwenpension nach dieser Bestimmung zu. Ihr Antrag sei daher anhand der bereinigten Rechtslage zu prüfen und hätte von der erstinstanzlichen Behörde nicht zurückgewiesen werden dürfen.

Damit zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag der Beschwerdeführerin zwar wegen "anhängiger Rechtssache" (gemeint ist das Beschwerdeverfahren zur Zl. 2003/04/0141) zurückgewiesen, damit aber offensichtlich eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemeint, weil das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden letztinstanzlich bereits entschieden war.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.

Entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteienbegehren im Wesentlichen mit den früheren deckt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/12/0141, mwN).

Diese Voraussetzungen liegen im Beschwerdefall nicht vor, weil die Beschwerdeführerin ihren Antrag - wie dargestellt - auf eine neue Rechtslage gestützt hat. Für die belangte Behörde war Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Indem sie der Berufung der Beschwerdeführerin nicht Folge gab und damit das Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes gleichfalls bejahte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

3.3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (jeweils) auf den §§ 47 ff VwGG der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 27. November 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2003060141.X00

Im RIS seit

27.12.2007

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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