TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/6 2007/09/0234

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Veröffentlicht am 06.03.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §48;
VStG §51g Abs3 Z1;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des R M in F, vertreten durch Dr. Reinhard Pitschmann und Dr. Rainer Santner, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 16. Dezember 2005, Zl. UVS-1-499/E7-2004, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen und Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer in Erledigung seiner Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 21. Juni 2004 schuldig erkannt, am 15. Januar 2003 in H zwei namentlich genannte Ausländerinnen entgegen § 3 Abs. 1 AuslBG beschäftigt zu haben. Er wurde hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG mit zwei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von je 72 Stunden) bestraft.

Nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Berufungsverhandlung stellte die belangte Behörde auf Grund deren Ergebnisse fest, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitraum das Table-Dance-Lokal "B" in H betrieben habe, in welchem die im Spruch näher bezeichneten zwei russischen Staatsangehörigen im Tatzeitraum als Tänzerinnen beschäftigt gewesen seien, obwohl hiefür weder eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt worden sei. Die Ausländerinnen seien auch nicht in Besitz einer für diese Beschäftigung gültigen Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines oder eines Niederlassungsnachweises gewesen.

Die Ausländerinnen seien auf Grund eines Vertrages, der zwischen der "M GmbH" einerseits und einer Künstleragentur andererseits abgeschlossen worden sei, im Lokal "B" als Showtänzerinnen beschäftigt worden, wobei der Beschwerdeführer hiefür an die Agentur einen bestimmten Betrag zu zahlen gehabt habe. Die Ausländerinnen seien von der Agentur entlohnt worden. Darüber hinaus hätten sie aber Provisionen für Getränkeanimationen erhalten. Der Beschwerdeführer sei an den Entgelten, die die Ausländerinnen für private Table-Dance-Darbietungen von Gästen erhalten hätten, beteiligt gewesen. Außerdem sei den Ausländerinnen vom Beschwerdeführer eine kostenlose Unterkunft zur Verfügung gestellt worden.

Nach ausführlicher Darlegung ihrer beweiswürdigenden Überlegungen und Zitierung der von ihr in Anwendung gebrachten Gesetzesbestimmungen beurteilte die belangte Behörde den von ihr festgestellten Sachverhalt rechtlich dahingehend, es sei für die vorliegende Bestrafung nach dem AuslBG entscheidend gewesen, dass die Ausländerinnen vom Unternehmen des Beschwerdeführers, sei es als unmittelbarer Arbeitgeber, sei es als Beschäftiger überlassener Arbeitskräfte verwendet worden seien. Der Beschwerdeführer verkenne, dass zu Folge § 2 Abs. 2 und 3 AuslBG somit Arbeitgeber auch der sei, der im Rahmen des Dienstverhältnisses über die Arbeitskraft eines anderen verfügen könne. Im Übrigen komme der Frage, ob nun Provisionen für Animierleistungen ausbezahlt bzw. vereinbart worden seien oder der Beschwerdeführer an den Entgelten für die Table-Dance-Darbietungen der Ausländerinnen beteiligt gewesen sei oder nicht, keine große Bedeutung zu, da auch bei Fehlen dieser Voraussetzung eine Beschäftigung überlassener Arbeitskräfte vorliegen würde. Es sei auch darauf hinzuweisen gewesen, dass für das Vorliegen eines bewilligungspflichtigen Arbeitsverhältnisses auch der Umstand spreche, dass die Tänzerinnen vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit eine Leistung in Form der Stellung einer kostenlosen Unterkunft erhalten hätten.

Im Übrigen legte die belangte Behörde ihre Strafzumessungsgründe dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe zu Unrecht außer Acht gelassen, dass mit den zwei ausländischen Staatsangehörigen die (im Übrigen vorgelegten) Gastspielverträge abgeschlossen worden seien, deren Inhalt "die Vermittlung von Auftritten selbständiger Showtänzerinnen" sei. Die Auszahlung von Getränkeprovisionen werde bestritten und könnten auch allenfalls lediglich als "steuerfreie Trinkgelder" "deutbar" sein. Die Beistellung einer kostenlosen Unterkunft sei ebenfalls in den Agenturverträgen vereinbart worden. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die sich lediglich auf die Aussagen der Zollmitarbeiter stütze, andererseits aber entlastende Beweismittel wie etwa die vorliegenden Agenturverträge und die Angaben des Beschwerdeführers und des Zeugen Bösch nicht würdige, sei unschlüssig und Ergebnis eines unzureichenden Ermittlungsverfahrens.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer die Unterlassung der Einvernahme der von ihm beantragten Zeuginnen, mit deren Einvernahme der Beschwerdeführer hätte beweisen können, dass er die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht begangen habe. Durch die Unterlassung der Einvernahme der von ihm beantragten Zeuginnen liege nicht nur eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften, sondern auch die Verletzung des Prinzips eines fair-trial im Sinne der EMRK vor. Die Behörde habe nicht einmal den Versuch unternommen, die von ihm beantragten, im Ausland aufhältigen Zeuginnen zur Verhandlung zu laden oder wenigstens eine schriftliche Stellungnahme von ihnen zu erreichen, obwohl die Wohnsitzadressen auf Grund der im Akt erliegenden Agenturverträge bekannt gewesen seien.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht:

Dem Beschwerdeführer ist zwar zunächst entgegen zu halten, dass dem Verwaltungsgerichtshof nur insofern eine Überprüfung der Beweiswürdigung möglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit des ihr zugrunde liegenden Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2007/09/0232, 0378 und 0379, mit weiteren Nachweisen). Insoweit sich die Beschwerdeausführungen daher auf die beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde beziehen, war zu überprüfen, inwieweit diese nicht nur schlüssig, sondern auch Ergebnis eines ordnungsgemäßen Verfahrens waren. In diesem Zusammenhang machte der Beschwerdeführer aber geltend, zu Unrecht seien Entlastungszeugen, nämlich die im Ausland lebenden Tänzerinnen, deren Anschriften sich aus den im Akt liegenden Agenturverträgen ergeben hätten, weder geladen noch einvernommen worden. Die belangte Behörde hat ihre Feststellungen über die konkreten Umstände und den Umfang der Tätigkeiten der Ausländerinnen im Betrieb des Beschwerdeführers insbesondere auf die Gegenstand des erstinstanzlichen Strafaktes bildenden und mit diesem in der mündlichen Berufungsverhandlung verlesenen Angaben der Tänzerinnen anlässlich ihrer Betretung in Verbindung mit den Angaben des in der Verhandlung einvernommenen Kontrollorgans gestützt.

Gemäß § 51g Abs. 3 VStG dürfen Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen sowie die Gutachten der Sachverständigen nur verlesen werden, wenn

1. die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind, ihr Aufenthalt unbekannt ist oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen nicht verlangt werden kann oder

2. die in der mündlichen Verhandlung Vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früheren Aussagen abweichen oder

3. Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder Beschuldigte die Aussage verweigern oder

4. alle anwesenden Parteien zustimmen.

Halten sich Zeugen - wie hier die beiden betroffenen Ausländerinnen - im Ausland auf, so kann zwar in der Regel ihr persönliches Erscheinen wegen entfernten Aufenthaltes im Sinne des § 51g Abs. 3 Z. 1 VStG vom unabhängigen Verwaltungssenat nicht verlangt werden und ist die Verlesung einer Niederschrift über ihre Vernehmung im Sinne dieser Gesetzesstelle zulässig, jedoch erst nachdem zumindest der Versuch unternommen wurde, auf geeignete Weise mit den beantragten Zeugen im Ausland in Kontakt zu treten, um ihre grundsätzlich gemäß § 51i VStG gebotene unmittelbare Aussage vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu ermöglichen oder zumindest eine schriftliche Erklärung von ihnen zu erwirken (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/09/0162, und vom 27. Juni 2002, Zl. 2002/09/0027, sowie die von Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 2. Auflage 1998, zu § 48 AVG unter E 53 ff dargestellte hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat auch nicht festgestellt, dass die beantragten Zeuginnen - ungeachtet ihres Aufenthaltes im Ausland - nicht in der Lage oder nicht bereit gewesen wären, vor der belangten Behörde zu erscheinen oder zumindest schriftliche Äußerungen abzugeben. Erst im Fall des Fehlschlagens derartiger Bemühungen wäre die Verlesung der in der Anzeige der Zollbehörde lediglich wiedergegebenen Aussagen der Zeuginnen durch die belangte Behörde zulässig gewesen.

Es kann auch im Rahmen der Prüfung der Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels nicht von vornherein gesagt werden, dass sich durch die Einvernahme der beiden Ausländerinnen an der rechtlichen Beurteilung nichts hätte ändern können, weil es unabhängig von der mit dem hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2006, Zl. 2005/09/0086, dargelegten grundsätzlichen Berechtigung der Behörde, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, somit arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, wie dies bei der Tätigkeit einer Kellnerin, einer Animierdame oder einer sog. "Tabletänzerin" in einem Barbetrieb der Fall ist, und im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen, es eben gerade auf die insoweit ausreichende Erhebung der den Einzelfall bestimmenden Umstände ankommt. Dies aber hat die belangte Behörde im vorliegenden Beschwerdefall unterlassen, indem sie nicht einmal ansatzweise versucht hat, mit den Zeuginnen in Kontakt zu treten. Weil aber - gerade auch im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer selbst eingeholte schriftliche Stellungnahme einer der betroffenen Tänzerinnen, welche einen direkten Geldfluss an Provisionen, Prämien o.ä. zwischen dem Beschwerdeführer und den Tänzerinnen in Abrede stellte - nicht auszuschließen ist, dass im Beschwerdefall atypische Umstände im obigen Sinne auszuschließen wären, kann nicht von vornherein gesagt werden, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des angeführten Verfahrensfehlers zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid gekommen wäre.

Aus diesem Grunde leidet der angefochtene Bescheid unter Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 6. März 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007090234.X00

Im RIS seit

04.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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