TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/29 2007/21/0038

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Veröffentlicht am 29.04.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

FrPolG 2005 §61 Z3;
StbG 1985 §10 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Gerhard Gradischnig, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Moritschstraße 5/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 22. Jänner 2007, Zl. 2Fr-220-1/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. Jänner 2007 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen "serbischen Staatsbürger", gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte sie dazu aus, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14. September 2005 wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 104 Abs. 1 und 3 erster und zweiter Fall Fremdengesetz 1997 - FrG zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe (davon zehn Monate bedingt nachgesehen) verurteilt worden sei. Er habe zwischen Anfang 2003 und Ende 2004 in Villach und anderen Orten Österreichs teils allein, teils im einvernehmlichen Zusammenwirken mit einem Mittäter gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die auf die Begehung derartiger Verbrechen ausgerichtet gewesen sei, die rechtswidrige Einreise einer nicht genau feststellbaren Zahl von Fremden nach Italien mit dem Vorsatz gefördert, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil geschehe, indem er die Fremden in seinem Personenkraftwagen gegen Zahlung eines Entgelts von rund EUR 150,-- pro Person nach Italien befördert habe.

Insbesondere die doppelte Qualifikation der Tat (Gewerbsmäßigkeit und Handeln als Mitglied einer kriminellen Vereinigung) rechtfertige den Schluss, dass der Beschwerdeführer gegenüber der österreichischen Rechtsordnung "überhaupt" negativ eingestellt sei und dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde sowie anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen - insbesondere der Bekämpfung strafbarer Handlungen wie des Schlepperunwesens - zuwiderlaufe. Dieser Umstand werde noch durch verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen bei der Bundespolizeidirektion Villach "im Jahr 2005: § 52 lit. a Ziffer 11 a StVO - EUR 65,00; § 15 FSG - EUR 50,00; 2003 - § 7 Abs. 5 StVO - EUR 50,00 und 2002 - § 44 Abs. 4 KFG  EUR 72,00" unterstrichen.

Hinsichtlich des Schutzes des Privat- und Familienlebens gemäß § 60 Abs. 6 und § 66 FPG sowie der allfälligen Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 61 FPG werde berücksichtigt, dass die "gesamte Familie (Mutter, Bruder und Schwester (des Beschwerdeführers)) seit ca. 1970 bzw. 1980 in Österreich wohnen", der Beschwerdeführer "seit Jänner 1991 legal nach Österreich eingereist (sei) und sich hier ordnungsgemäß angemeldet habe", er seit 1990 bei der Firma O. in Villach als Monteur arbeite und monatlich ca. EUR 1.400,-- netto verdiene, er gemeinsam mit seiner pflegebedürftigen Mutter in Villach lebe, verheiratet sei und seine Gattin zu ihrer eigenen Familie nach Serbien zurückgekehrt sei. Weiters habe der Beschwerdeführer angegeben, seine erste Arbeitsstelle als Küchenhilfe in einem Hotel im Dezember 1991 angetreten zu haben.

Unter Berücksichtigung des langjährigen Aufenthaltes in Österreich, wo auch die genannten Angehörigen des Beschwerdeführers lebten, werde in sein Privat- und Familienleben zwar in hohem Maße eingegriffen, jedoch werde der Eingriff durch das dargestellte gravierende Fehlverhalten "stark relativiert". Zudem sei die Schwester des Beschwerdeführers verheiratet, auch sein Bruder wohne nicht mit ihm im gemeinsamen Haushalt. Dass er sich um seine pflegebedürftige Mutter kümmere, sei "sehr löblich", werde jedoch ebenfalls relativiert, weil er seine Mutter auch während der Freiheitsstrafe nicht habe betreuen können. Insgesamt sei die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG zu bejahen, weil die Maßnahme im Hinblick auf das vorliegende Fehlverhalten aus im Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen dringend geboten erscheine.

Dem Beschwerdeführer sei eine negative Zukunftsprognose zu erstellen, weshalb die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familie. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Das bedeute, dass die privaten Interessen des Beschwerdeführers hinter den gewichtigen öffentlichen Interessen zurückstehen müssten. Ein Kontakt zur Mutter, der Schwester und dem Bruder könne in einem zumindest eingeschränkten Umfang durch Besuche im Ausland oder Telefonate stattfinden oder aufrecht erhalten werden.

Auch die Bestimmung des § 61 Z. 3 FPG sei auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden: Zwar sei ihm infolge seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet die Staatsbürgerschaft "bescheidmäßig" (mit Bescheid vom 14. März 2005) zugesichert worden. Auf Grund der eingangs beschriebenen strafgerichtlichen Verurteilung sei die Zusicherung jedoch mit weiterem Bescheid vom 30. Mai 2006 widerrufen worden.

Die Integration eines Fremden im Bundesgebiet sei, neben der Dauer seines Aufenthaltes "und seinen sonstigen Beziehungen", auch von seinem Verhalten in Österreich abhängig. Die soziale Komponente der aus der langen Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration werde durch das strafgerichtlich geahndete Fehlverhalten des Beschwerdeführers gemindert.

Das Aufenthaltsverbot sei mit fünf Jahren zu befristen, weil dieser Zeitraum angemessen sei, um den Beschwerdeführer "von weiteren Schlepperaktivitäten im Bundesgebiet abzuhalten". Es seien auch keine Gründe ersichtlich, die die Behörde veranlassen könnten, von ihrem im § 60 FPG eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Auf Grund der eingangs dargestellten - unstrittig feststehenden - rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Tatbestände des § 60 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FPG erfüllt seien, keinen Bedenken (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2007/21/0170, und vom 7. Februar 2008, Zl. 2006/21/0343). Auf die Bestimmung des § 60 Abs. 2 Z. 2 FPG wurde der angefochtene Bescheid nicht gestützt, sodass auf die oben wiedergegebenen, zu diesem Tatbestand getroffenen (inhaltlich unzureichenden) Feststellungen nicht näher eingegangen werden musste.

Allerdings hätte dem Beschwerdeführer - soweit ersichtlich - bereits vor Setzung des ersten strafrechtlich relevanten Verhaltens (im Jahr 2003) gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können, sodass sich das Aufenthaltsverbot als gemäß § 61 Z. 3 FPG unzulässig erweist (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2006/18/0228, mwN).

Da die belangte Behörde dies nicht beachtete, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 29. April 2008

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007210038.X00

Im RIS seit

29.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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