TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/16 2006/18/0228

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Veröffentlicht am 16.10.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

FrG 1993 §20 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §61 Z3;
FrPolG 2005 §61 Z4;
StbG 1985 §10 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des D T in U, geboren 1985, vertreten durch Mag. Andreas Schiestl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 22, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 22. Mai 2006, Zl. 2/4033/31/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 22. Mai 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 61, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 1. Dezember 2000 rechtskräftig wegen Diebstahls verurteilt worden, wobei der Ausspruch einer Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorbehalten geblieben und Bewährungshilfe angeordnet worden sei. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Juni und Juli 2000 an verschiedenen Orten Leergebinde gestohlen habe.

Am 14. November 2002 sei der Beschwerdeführer wegen Diebstahls, dauernder Sachentziehung und Urkundenunterdrückung rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt worden, weil er im September 2002 aus einer gefundenen Geldtasche EUR 35,-- an sich genommen und die Geldtasche mitsamt einer Bankomatkarte und einem Fahrausweis weggeworfen habe.

Am 22. Jänner 2004 sei der Beschwerdeführer wegen unbefugter Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges und fahrlässiger Körperverletzung rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Mit Urteil vom 21. März 2005 sei der Beschwerdeführer wegen der Vergehen nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Suchtmittelgesetz (SMG) rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer Ende August/Anfang September 2002 geringe Mengen von Cannabisharz erworben und besessen habe. Im September 2003, im Juli 2004 und Ende August/Anfang September 2004 habe er jeweils gemeinsam mit anderen Cannabisprodukte verraucht, wobei er in einem Fall das Suchtgift zur Verfügung gestellt habe. Ende August/Anfang September 2004 habe er als Volljähriger einen mehr als zwei Jahre jüngeren Minderjährigen zum gemeinsamen Konsum einer geringen Menge Cannabisharz eingeladen und dadurch einem Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht.

Mit Urteil vom 4. Juli 2005, rechtskräftig seit 15. Dezember 2005, sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils versuchten und teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z. 1, 130 zweiter Satz zweiter Fall und 15 StGB sowie wegen dauernder Sachentziehung nacht § 135 Abs. 1 leg. cit. unter Bedachtnahme auf das Urteil vom 21. März 2005 zu einer unbedingten Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer jeweils gemeinsam mit anderen, zum Teil als Mittäter und zum Teil als Beitragstäter, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen bzw. wegzunehmen versucht habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er in der Absicht gehandelt habe, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

in der Nacht zum 3. März 2005 nach Einbrechen in einen Kiosk vorzufindendes Geld oder Zigaretten, wobei die Tat beim Versuch geblieben sei,

in der Nacht zum 3. März 2005 nach Einbrechen in einen weiteren Kiosk ein Fernglas, drei Feuerzeuge sowie acht Souvenirmesser im Wert von etwa EUR 100,--,

in der Nacht zum 3. März 2005 nach Einsteigen über eine Profilrahmenkonstruktion einen Verstärker, einen DVD-Player, etwa 20 Musik-CD's, Zigaretten, Getränke und Lebensmittel im Gesamtwert von EUR 1.830,44, wobei der Beschwerdeführer Aufpasserdienste geleistet und die gestohlenen Gegenstände entgegengenommen habe,

am 1. März 2005 Verfügungsberechtigten der Hartlauer GesmbH vorzufindende Handys, wobei zwei Mittäter abwechselnd mit einem Baugerüstteil gegen die Auslagenscheibe geschlagen hätten und der Beschwerdeführer Aufpasserdienste geleistet habe und die Tat beim Versuch geblieben sei,

in der Nacht zum 20. Mai 2004 nach Einsteigen durch ein aufgedrücktes Fenster etwa 40 Dosen verschiedene Getränke und etwa zehn Packungen Zigaretten im Wert von EUR 75,--,

in der Nacht zum 23. Jänner 2005 nach Einschlagen eines Fensters an der Ostseite eines Imbissstandes vorzufindende Wertgegenstände, wobei die Tat beim Versuch geblieben sei,

am 21. Februar 2005 nach Einwerfen der Tür einer Trafik mit einem Asphaltstück vorzufindende Wertgegenstände, wobei die Tat beim Versuch geblieben sei,

am 19. oder 20. Februar 2005 nach Anbohren des Schlosses eines Zigarettenautomaten mit einer Akkubohrmaschine vorzufindende Zigaretten, wobei die Tat beim Versuch geblieben sei,

in der Nacht zum 23. Jänner 2005 nach Aufzwicken bzw. Aufbrechen von Zeitungsständerkassen Münzgeld in unbekannter Höhe.

Überdies habe der Beschwerdeführer am 19. oder 20. Februar 2005 eine aus einer Festhalle mitgenommene Akku-Bohrmaschine in einen Bach geworfen.

Das diesen Verurteilungen zu Grunde liegende gesamte Fehlverhalten zeige deutlich die negative Einstellung des Beschwerdeführers zur Rechtsordnung. Es entstehe der Eindruck, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, die Rechtsordnung in der erforderlichen Weise zu achten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde daher die öffentliche Sicherheit im Sinn von § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG.

Auf Grund der Verurteilung vom 4. Juli 2005 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FPG erfüllt. Die Verurteilungen vom 1. Dezember 2000, 14. November 2002, 22. Jänner 2004 und 4. Juli 2005 beruhten auf der gleichen schädlichen Neigung, weshalb auch der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FPG erfüllt sei.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot jedoch nicht unzulässig. Die sich im Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten.

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet wögen schwer, jedoch im Hinblick auf die Neigung zu schweren Straftaten höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots. Diese Maßnahme sei daher auch im Grund des § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Der Beschwerdeführer lebe seit 1991, sohin seit dem Alter von sechs Jahren, behördlich erlaubt bei seinen Eltern und Geschwistern in Österreich. Seit 1998 sei er im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung. Er habe in Österreich die Schule besucht, es jedoch nur bis zur zweiten Klasse Hauptschule geschafft. Danach habe er bei verschiedenen Arbeitgebern als Hilfsarbeiter gearbeitet. Am 16. März 2005 sei er wegen Verdachts des Einbruchdiebstahls festgenommen und am folgenden Tag in die Justizanstalt Innsbruck eingeliefert worden, wo er sich auch derzeit noch befinde.

Der Beschwerdeführer sei dementsprechend gut im Bundesgebiet integriert. Er verfüge über intensive familiäre Bindungen zu seinen ebenfalls gut integrierten Eltern und Geschwistern, mit welchen er bis zu seiner Verhaftung im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Die familiären Bindungen würden allerdings durch die Volljährigkeit des Beschwerdeführers in ihrem Gewicht verringert. Die soziale Komponente der Integration werde durch die auf Grund der Verurteilungen eindrucksvoll bestätigte Neigung des Beschwerdeführers zu Straftaten gegen fremdes Vermögen und gegen die körperliche Integrität anderer erheblich beeinträchtigt.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers stehe das große öffentliche Interesse am gegenständlichen Aufenthaltsverbot gegenüber. Der Schutz fremden Vermögens und der körperlichen Integrität anderer habe ein großes Gewicht.

Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß § 61 FPG komme nicht zum Tragen. § 61 Z. 4 FPG greife nicht, weil der Beschwerdeführer erst als Sechsjähriger nach Österreich gekommen und daher nicht "von klein auf" hier aufgewachsen sei. § 61 Z. 3 FPG komme nicht zum Tragen, weil die Zehnjahresfrist gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StGB) vor Verwirklichung des für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Sachverhalts nicht verstrichen sei. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 1991 im Bundesgebiet; die erste, dem Urteil vom 1. Dezember 2000 zu Grunde liegende Straftat sei bereits im Juni 2000 begangen worden.

Zu den vom Beschwerdeführer in der Berufung ins Treffen geführten vom Gericht angenommenen Milderungsgründen sei auszuführen, dass diesen Milderungsgründen Erschwerungsgründe gegenüber stünden. Unter Miteinbeziehung der Verurteilung vom 21. März 2005 seien dem Beschwerdeführer im Urteil vom 4. Juli 2005 das Alter unter 21 Jahren, das Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung und der Umstand, dass es bei einem Teil der Taten beim Versuch geblieben sei, als mildernd angerechnet worden. Erschwerend seien demgegenüber das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit drei Vergehen, die wiederholte Tatbegehung, der lange Deliktszeitraum, die Verwirklichung des § 27 SMG durch verschiedene Begehungsformen, die einschlägigen Vorstrafen und der sehr rasche Rückfall sowie die mehrfache Begehung von Straftaten in Gesellschaft von Mittätern gewertet worden. Der mit der Berufung unternommene Versuch des Beschwerdeführers, das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch als "kleinkriminelle Tat" zu bagatellisieren, spreche für sich. Ob der Beschwerdeführer durch die derzeit verbüßte Freiheitsstrafe - wie er behaupte - seine Lehren ziehe, werde erst die Zukunft nach der Haftentlassung zeigen. Das Risiko für die Rechte anderer sei angesichts des Vorlebens des Beschwerdeführers viel zu groß. Weder die Anordnung von Bewährungshilfe noch anhängige Gerichtsverfahren hätten den Beschwerdeführer von weiteren Straftaten abgehalten. Wie das Oberlandesgericht Innsbruck im Urteil vom 15. Dezember 2005 festgehalten habe, habe der Beschwerdeführer während eines anhängigen Strafverfahrens bis kurze Zeit vor der Verurteilung vom 21. März 2005 weitere Straftaten begangen.

Der Beschwerdeführer habe weiters vorgebracht, dass ihm jegliche Bindungen zu Kroatien fehlten und er dort keine Familienangehörigen und keinen Bekanntenkreis mehr besäße. Dazu sei zu bemerken, dass bei der Interessenabwägung das in Österreich geführte Privat- und Familienleben maßgeblich sei und dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht angeordnet werde, wohin der Fremde auszureisen habe bzw. allenfalls abgeschoben werde. Davon, dass das Aufenthaltsverbot einen schweren Eingriff in das Privat- und Familienleben darstelle, gehe die belangte Behörde ohnehin aus.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grund der unstrittig feststehenden Verurteilungen des Beschwerdeführers ist die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei erfüllt, unbedenklich.

2. Der Beschwerdeführer hat nach den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid seit Juni 2000 immer wieder Vermögensdelikte begangen und sich davon weder durch die im Dezember 2000 angeordnete Bewährungshilfe noch durch rechtskräftige Verurteilungen abhalten lassen. Er hat sein diesbezügliches strafbares Verhalten insofern deutlich gesteigert, als er zuletzt wegen zahlreicher Einbruchsdiebstähle verurteilt worden ist, die er in der Absicht begangen bzw. versucht hat, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Auch anhängige Strafverfahren haben ihn von diesen Taten nicht abhalten können. So hat er nur wenige Tage vor der Verurteilung vom 21. März 2005, nämlich am 3. März 2005 mehrere Einbruchsdiebstähle begangen bzw. versucht.

Aus diesem geradezu beharrlichen Fehlverhalten ist ersichtlich, dass vom Beschwerdeführer eine bedeutende Gefahr für das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität ausgeht. Dem Beschwerdevorbringen, durch die Einbruchsdiebstähle sei nur ein relativ geringer Schaden entstanden, ist entgegen zu halten, dass für die - gewerbsmäßige - Begehung derartiger Serieneinbrüche eine große kriminelle Energie erforderlich ist. So wurde etwa das Fenster eines Imbissstandes oder die Tür einer Trafik eingeschlagen oder eine Auslagenscheibe mit Gerüstteilen zu zertrümmern versucht. Der Beschwerdeführer hat - worauf er in der Beschwerde hinweist - seine Taten bei Gericht gestanden. Dies kann an der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nichts ändern, hat er doch mehrfach sein strafbares Verhalten auch nach einer auf einem - offenbar nicht reumütigen - Geständnis beruhenden Verurteilung fortgesetzt.

Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer über einen Zeitraum von zwei Jahren auch mehrere Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz begangen, wobei er in einem Fall als Erwachsener einem um mehr als zwei Jahre jüngeren Jugendlichen den Konsum von Suchtgift ermöglicht hat. Aus diesem Grund geht vom Beschwerdeführer eine Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität aus.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände gelingt es dem im Zeitpunkt der zuletzt begangenen Straftat fast zwanzigjährigen Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf sein "jugendliches Alter" nicht, die von ihm ausgehende Gefahr als in relevantem Ausmaß gemindert erscheinen zu lassen.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bereits als Sechsjähriger mit Eltern und Geschwistern nach Österreich gekommen ist und bis zu seiner Verhaftung im März 2005 mit diesen Personen im gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Weiters hat sie ihm zugute gehalten, dass er in Österreich seine Schulbildung (allerdings nur bis zur zweiten Klasse Hauptschule) absolviert hat und bei verschiedenen Arbeitgebern als Hilfsarbeiter beschäftigt war. Zutreffend hat die belangte Behörde auf die Minderung des Gewichts der Integration auf Grund der zahlreichen Straftaten und auf die Relativierung der Beziehung zu Eltern und Geschwistern auf Grund der Volljährigkeit verwiesen. Den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet kommt insbesondere wegen des Aufenthalts seit der Kindheit und der nach dem Beschwerdevorbringen damit verbundenen Entfremdung in seiner Heimat großes Gewicht zu.

Diesen persönlichen Interessen steht die - oben 2. dargestellte - große Gefährdung öffentlicher Interessen durch den weiteren Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers gegenüber. Unter gehöriger Abwägung dieser Interessenlage kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass § 61 Z. 3 FPG dem Aufenthaltsverbot entgegen stehe. Die belangte Behörde habe übersehen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als "maßgeblicher Sachverhalt" nur solche Umstände herangezogen werden dürften, die nach dem Zeitpunkt der Rechtskraft der vorletzten Verurteilung eingetreten seien.

4.2. Gemäß § 61 Z. 3 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mindestens einer unbedingten einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder er würde einen der in § 60 Abs. 2 Z. 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen.

Die Formulierung "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" war auch in den Vorgängerbestimmungen § 20 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 und § 38 Abs. 1 Z. 3 Fremdengesetz 1997 enthalten.

Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Auslegung dieser Wortfolge durch den Verwaltungsgerichtshof erging zum Fremdengesetz 1992 (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. März 1997, Zl. 95/18/0904). Im Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170 hat der Verwaltungsgerichtshof diese Judikatur mit ausführlicher Begründung nicht auf das Fremdengesetz 1997 übertragen. Nach diesem Erkenntnis ist die Wortfolge "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" so zu verstehen, dass darunter der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände zu verstehen ist. Im Fall eines auf strafbare Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbots handelt es sich beim "maßgeblichen Sachverhalt" nicht um die Verurteilungen, sondern um das zugrundeliegende Fehlverhalten. Der maßgebliche Sachverhalt umfasst alle Umstände, die die Behörde zur Begründung des im konkreten Fall verhängten Aufenthaltsverbots herangezogen hat. Es ist jedoch nicht zulässig, auch ein solches Fehlverhalten dem Aufenthaltsverbot zu Grunde zu legen, dass unter Berücksichtigung des seither verstrichenen Zeitraumes nicht (mehr) geeignet ist, eine relevante Vergrößerung der vom Fremden ausgehenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen herbeizuführen.

Diese Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof auf § 61 Z. 3 FPG übertragen (vgl. das Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0173). Demnach ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbots im Grund des § 61 Z. 3 FPG zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbots herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, wozu insbesondere ein zehnjähriger ununterbrochener und rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet zählt, erfüllte.

Da der Beschwerdeführer in der Folge zahlreiche weitere Vermögensdelikte begangen hat, zählt auch der der Verurteilung vom 5. Dezember 2000 zugrundeliegende Diebstahl vom Juni 2000 zweifellos zum maßgeblichen Sachverhalt. Da der 1991 nach Österreich gekommene Beschwerdeführer sich in diesem Zeitpunkt noch nicht zehn Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat, steht § 61 Z. 3 FPG der Verhängung des Aufenthaltsverbots nicht entgegen.

5.1. Der Beschwerdeführer führt weiters ins Treffen, dass er im Alter von sechs Jahren nach Österreich gekommen und daher von klein auf hier aufgewachsen sei. Aus diesem Grund stehe § 61 Z. 4 FPG der Verhängung des Aufenthaltsverbots entgegen.

5.2. Gemäß § 61 Z. 4 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, es sei denn der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder würde einen der in § 60 Abs. 2 Z. 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen.

Zu der auch in § 38 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz 1997 enthaltenen Wortfolge "von klein auf im Inland aufgewachsen" hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 96/18/0150 mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass diese Wendung jedenfalls für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist sei, nicht zum Tragen kommen könne.

Diese Judikatur ist wegen des gleichen Wortlauts auf § 61 Z. 4 FPG übertragbar.

Da der Beschwerdeführer unstrittig erst im Alter von sechs Jahren nach Österreich gekommen ist, stellt § 61 Z. 4 FPG für das gegenständliche Aufenthaltsverbot kein Hindernis dar.

6. Aus all diesen Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Oktober 2007

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180228.X00

Im RIS seit

05.12.2007

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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