TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/7 2006/21/0343

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Veröffentlicht am 07.02.2008
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §104 Abs1;
FrG 1997 §104 Abs3;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z5;
StGB §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 18. Oktober 2006, Zl. Fr 1248/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Dies begründete sie damit, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 17. Jänner 2006 wegen § 104 Abs. 1 und 3, 1. und 2. Fall des (bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG (Schlepperei) sowie wegen § 231 Abs. 2 StGB (Gebrauches fremder Ausweise) zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten (davon 12 Monate bedingt nachgesehen) verurteilt worden sei.

Der Beschwerdeführer habe zwischen 13. Dezember 2004 und 19. Oktober 2005 gemeinsam mit vier Mittätern in Nickelsdorf und anderen Orten in 14 (im Einzelnen näher beschriebenen) Fällen die rechtswidrige Einreise von (insgesamt rund 40) Fremden, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben und nicht im Besitz eines für sie ausgestellten gültigen Reisedokumentes oder Aufenthaltstitels gewesen seien, in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. in einen Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, dafür eine Entlohnung zwischen EUR 500,-- und 4.000,-- pro Person, also einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil, zu erlangen.

Zwischen 22. und 23. Mai 2005 habe er einer Frau den Reisepass der Carmen M. zum Zweck des Vorweises im Fall einer Grenzkontrolle übergeben.

Der Beschwerdeführer sei bereits am 3. August 1998 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe die Gewährung von Asyl beantragt. Dieser Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. August 1998 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen worden. Gleichzeitig sei gemäß § 8 AsylG festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien nicht zulässig sei. Am 27. Mai 1999 habe der Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag eingebracht, der wiederum abgewiesen worden sei. Gleichzeitig sei gemäß § 8 AsylG festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. In der Folge sei dem Beschwerdeführer eine "humanitäre Aufenthaltserlaubnis" gemäß § 10 Abs. 4 FrG mit einer Gültigkeit bis zum 15. November 2001 ereilt worden, im Anschluss daran Niederlassungsbewilligungen "jeglicher Aufenthaltszweck, § 13 Abs. 2 FrG", zuletzt am 12. August 2005 mit einer Gültigkeit bis zum 11. Juli 2008.

Das Phänomen der Schlepperei stelle - so die belangte Behörde weiter in ihrer Begründung - eine besonders schwer wiegende kriminelle Erscheinungsform dar. Geschleppte Personen müssten in ihrem Heimatland oft das gesamte Hab und Gut verkaufen, um die von den Schlepperorganisationen und den Schleppern geforderten Summen bezahlen zu können - um dann in weiterer Folge nach Aufgreifung im Zielland und Verlust der gesamten Habseligkeiten wieder in die Heimat abgeschoben zu werden. Den Nutzen aus diesen Tragödien auszubeuten, stelle ein besonders unerwünschtes Phänomen der Kriminalität dar, dem rigoros - konkret durch ein Aufenthaltsverbot - ein Riegel vorzuschieben sei.

Auch eine - ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende - Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zu deren Verhinderung die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes notwendig sei, sei zu bejahen. Es bestehe die erhebliche Gefahr, dass der Beschwerdeführer bei einem Verbleib im Bundesgebiet auch in Zukunft Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung begehen werde, zumal er gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gehandelt habe. Dazu komme die Häufigkeit der Tathandlungen, durch die die beiden Tatbestände des § 60 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FPG verwirklicht worden seien. Der seit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 3. März 2006 verstrichene Zeitraum sei zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr schließen zu können.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 3. August 1998 im Bundesgebiet auf. Hier lebten "drei Geschwister und deren Familien, denen bereits die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden" sei. Auf Grund des langen Aufenthalts, der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers (wiederum ab 7. März 2006) und der genannten familiären Anknüpfungspunkte sei ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben zu bejahen. Wegen der dargestellten schwer wiegenden strafbaren Handlungen sei das Aufenthaltsverbot jedoch zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, also zur Erreichung im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele, dringend geboten. Die für die Integration wesentliche soziale Komponente werde durch die dargestellten Straftaten erheblichen beeinträchtigt. Die familiären Bindungen zu den in Österreich aufhältigen Geschwistern würden durch die Großjährigkeit des Beschwerdeführers relativiert. Seine persönlichen Interessen müssten daher hinter die genannten öffentlichen Interessen zurücktreten.

Die gleichen Überlegungen hätten für die Beurteilung des Ermessensspielraumes nach § 60 Abs. 1 FPG zu gelten. Es seien keine "ausreichend positiven Beurteilungsparameter" zu Gunsten des Beschwerdeführers zu finden. Sein Persönlichkeitsbild und seine "offenkundig sozial schädigende Neigung zur Negierung österreichischer Rechtsvorschriften" ließen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten erscheinen. Es sei insgesamt die Verhängung eines für die Dauer von zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes "vertretbar". Vor Ablauf von zehn Jahren sei dagegen unter Bedachtnahme auf die verübten Schleppereidelikte eine günstige Prognose nicht möglich.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Auf Grund der eingangs dargestellten - unstrittig feststehenden - rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Tatbestände des § 60 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FPG erfüllt seien, keinen Bedenken.

Bei der gewerbsmäßig in einer Vielzahl von Fällen zwischen Dezember 2004 und Oktober 2005 begangenen Schlepperei handelt es sich um ein die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer beeinträchtigendes Verbrechen. Bei dieser Art der Kriminalität ist auch die Bejahung der Wiederholungsgefahr nicht zu beanstanden. Angesichts der Vielzahl gravierender Fehlverhalten, durch die die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers relativiert wird, ist der belangten Behörde, die ihre Wertung - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - eigenständig und unabhängig von der vom Strafgericht vertretenen Meinung vorzunehmen hat, beizupflichten, dass die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr ungeachtet des seit der letzten Tathandlung verstrichenen Zeitraumes und des erstmaligen Verspürens des Haftübels bis zum 3. März 2006 nicht als weggefallen oder entscheidend gemindert angesehen werden kann.

Durch die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes hat die belangte Behörde zum Ausdruck gebracht, nach welcher Zeit eines Wohlverhaltens sie die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr als weggefallen ansehen werde. Gemäß § 63 Abs. 2 FPG ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 FPG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, dass sie angesichts der gewerbsmäßigen Tatbegehung in einer Vielzahl von Schleppungsfällen sowie der Verwirklichung eines weiteren Urkundendeliktes die Auffassung vertreten hat, dass zu einem früheren Zeitpunkt als nach Ablauf von zehn Jahren ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0477).

Bei der Interessenabwägung gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit August 1998, seine drei in Österreich lebenden Brüder (samt ihren Familien) und die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt. Zu Recht hat sie die daraus ableitbare Integration jedoch durch die zahlreichen Straftaten des Beschwerdeführers als gemindert angesehen. Dazu kommt, dass dieser selbst eingeräumt hat, ein Teil seiner Familie (insbesondere seine Eltern) halte sich im Kosovo auf.

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde habe es bei der Ausübung ihres Ermessens unterlassen, vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen, unterlässt sie jede erforderliche Konkretisierung. Eine Relevanz allfälliger Ermittlungsmängel kann daraus somit nicht abgeleitet werden.

Unter Berücksichtigung der festgestellten - oben wiedergegebenen - Umstände kommt den privaten und - schon im Hinblick auf sein Alter mittlerweile relativierten - familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet insgesamt zwar ein beachtliches, aber nicht allzu großes Gewicht zu. Im Hinblick auf das besonders große öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens (vgl. neuerlich etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0477, mwN) ist das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG). Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wiegen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG). Daher ist auch die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei im Grunde des § 66 FPG zulässig, unbedenklich.

Schließlich sind weder dem festgestellten Sachverhalt noch den vorgelegten Verwaltungsakten Umstände zu entnehmen, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers zu üben.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 7. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006210343.X00

Im RIS seit

07.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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