TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/30 2006/18/0477

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Veröffentlicht am 30.01.2007
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §104 Abs1;
FrG 1997 §104 Abs3;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z5;
StGB §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des J M, geboren 1974, vertreten durch Mag. Claus Schmidt-Gentner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/2/33, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. September 2006, Zl. SD 357/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. September 2006 wurde gegen den nach seinem Vorbringen staatenlosen Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei nach eigenen Angaben unter Zuhilfenahme eines Schleppers mit dem Flugzeug über Wien-Schwechat nach Österreich eingereist und habe anlässlich der Grenzkontrolle am 2. Mai 2000 einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei vom Bundesasylamt unter gleichzeitiger Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Libanon rechtskräftig abgewiesen worden. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei vom Bundesasylamt am 15. November 2002 abgewiesen worden. Das Berufungsverfahren sei vom unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 30 Asylgesetz 1997 eingestellt worden.

Der Beschwerdeführer sei am 23. Mai 2001 wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Schlepperei gemäß § 104 Abs. 1 und Abs. 3 Fremdengesetz 1997 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden.

Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer von September 2000 bis Dezember 2000 gewerbsmäßig die rechtswidrige Einreise von Fremden in einen Mitgliedstaat der EU dadurch gefördert habe, dass er in mindestens vier Angriffen jeweils drei bis vier Personen nach Wien verbracht und die Bahnkarten für die Weiterreise der Geschleppten nach Belgien bzw. Deutschland besorgt habe.

Mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 6. August 2001 sei versucht worden, den Beschwerdeführer von der beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots in Kenntnis zu setzen. Das aufenthaltsbeendende Verfahren habe zunächst wegen des unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers nicht zu Ende geführt werden können. Erst nach einer am 9. März 2006 erfolgten Anhaltung des Beschwerdeführers habe das gegenständliche Verfahren in erster Instanz erledigt werden können.

Im Hinblick auf das Strafausmaß bzw. die Art des vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Verbrechens seien die Tatbestände des § 60 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FPG verwirklicht.

Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots gegeben seien.

Der Beschwerdeführer habe die Feststellungen im Bescheid der Behörde erster Instanz, wonach er im Inland weder familiäre noch berufliche Bindungen habe, in der Berufung nicht ausdrücklich bestritten. Anlässlich der am 13. März 2006 erfolgten Einvernahme habe der Beschwerdeführer jedoch angegeben, mit einer namentlich genannten österreichischen Staatsbürgerin verlobt zu sein und mit ihr ein gemeinsames Kind zu haben. Dieses Kind befände sich in Gewahrsam des Jugendamts und wäre bereits zur Adoption frei gegeben. Der Beschwerdeführer würde mit seiner Verlobten nicht in einer Wohnung leben dürfen.

Vor dem Hintergrund des seit über sechs Jahren bestehenden inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers, der während des Asylverfahrens zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt gewesen sei, sei das Aufenthaltsverbot trotz des Umstandes, dass der Beschwerdeführer mit seiner angeblichen Verlobten nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, mit einem Eingriff in das Privatleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Wer die illegale Einreise von Fremden tatkräftig fördere und sich darüber hinaus aus diesen kriminellen Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu sichern versuche, stelle eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Den Berufungsausführungen, wonach der Beschwerdeführer nur durch das besorgen von Zugtickets in untergeordneter Weise an der Schlepperei beteiligt gewesen wäre, stünden die bindenden Feststellungen des Strafgerichtes entgegen.

Abgesehen davon beeinträchtige der Beschwerdeführer auch durch seinen illegalen Aufenthalt das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei auf die aus der Dauer des Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Diese Integration werde jedoch in ihrer sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten an Gewicht gemindert. Auch der - allerdings nicht durch Urkunden belegte - Umstand, dass der Beschwerdeführer ein Kind mit einer Österreicherin habe, sei zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sei jedoch zu bemerken, dass der Beschwerdeführer offenbar weder zur Mutter des Kindes noch zu dem Kind selbst einen nähere Kontakt habe. Einen eingeschränkten Kontakt zu seiner Familie könne der Beschwerdeführer dadurch aufrecht erhalten, dass er von den Familienangehörigen im Ausland besucht oder dorthin begleitet werde.

Den insgesamt zwar nicht zu vernachlässigenden, jedoch deutlich geschwächten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet stünden die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessen gelange die Behörde zur Ansicht, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

Im Übrigen sei der seit der Tatbegehung verstrichene Zeitraum viel zu kurz, um dadurch auf einen Wegfall oder auch nur eine entscheidungswesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.

Im Hinblick darauf, dass keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände hervorgekommen seien, habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens der Schlepperei zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die Tatbestände des § 60 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FPG erfüllt seien, keinen Bedenken.

2. Nach den insoweit nicht substantiiert bestrittenen Feststellungen der belangten Behörde erfolgte die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers, weil er die rechtswidrige Einreise von Fremden in einen Mitgliedstaat der EU dadurch gefördert hat, dass er von September bis Dezember 2000 in mindestens vier Angriffen jeweils drei bis vier Personen nach Wien verbracht und Bahnkarten für die Weiterreise der Geschleppten nach Belgien bzw. Deutschland besorgt habe. Damit steht bindend fest, dass der Beschwerdeführer für die von ihm geschleppten Personen - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht nur Bahnkarten besorgt, sondern diese Personen auch nach Wien verbracht hat. Auf diese Weise hat er über einen Zeitraum von etwa drei Monaten zumindest 12 Personen geschleppt, wobei er gewerbsmäßig, also in der Absicht vorgegangen ist, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB).

Dabei handelt es sich um ein die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer beeinträchtigendes Fehlverhalten. Entgegen der Beschwerdeansicht besteht bei der Schlepperkriminalität - insbesondere bei der vorliegenden gewerbsmäßigen Vorgangsweise über einen Zeitraum von mehreren Monaten - sehr wohl Wiederholungsgefahr. Angesichts des gravierenden Fehlverhaltens ist der belangten Behörde beizupflichten, dass die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr ungeachtet des seit der letzten Tathandlung verstrichenen Zeitraumes von etwa fünf Jahren und neun Monaten nicht als weggefallen oder entscheidend gemindert angesehen werden kann. Durch die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots hat die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdemeinung - zum Ausdruck gebracht, nach welcher Dauer des Wohlverhaltens sie die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr als weggefallen ansehen werde.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass aus dem rechtswidrigen Aufenthalt des Beschwerdeführers nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens eine weitere Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens resultiert, ist nicht zu beanstanden.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Mai 2000, also seit etwa sechs Jahren und vier Monaten, berücksichtigt. Zu Recht hat sie die daraus ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch die Straftaten des Beschwerdeführers als gemindert angesehen.

Das im Inland lebende Kind des Beschwerdeführers befindet sich unstrittig in Gewahrsame des Jugendamtes und ist zur Adoption frei gegeben. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Feststellung, keinen näheren Kontakt zu diesem Kind zu haben. Er macht jedoch geltend, dass sein Berufungsvorbringen, mit der Mutter des Kindes - die er heiraten wolle - seit zwei Jahren "eine Beziehung" zu haben, von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden sei.

Im Hinblick auf die von der Beschwerde nicht konkret bestrittene Feststellung, dass mit der "Lebensgefährtin" keine Wohnungsgemeinschaft besteht, kommt der Beziehung zu dieser Frau vorliegend jedenfalls kein ausschlaggebendes Gewicht zu, weshalb den vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängeln keine Relevanz zukommt.

Mit dem Vorbringen, die belangte Behörde sei auf seine Behauptung, "soziale Bindungen innerhalb seines Freundes- und Bekanntenkreises" zu haben, nicht eingegangen, zeigt der Beschwerdeführer schon mangels Konkretisierung keinen relevanten Verfahrensmangel auf.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kommt den privaten und - schon im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Kindes jedenfalls vorhandenen - familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet insgesamt ein zwar beachtliches aber nicht all zu großes Gewicht zu.

Im Hinblick auf das besonders große öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 2000/18/0072) ist das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG); die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wiegen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.). Von daher ist die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei im Grund des § 66 FPG zulässig, unbedenklich.

4. Auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers im Sinn von § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG kommt - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots aus den im hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0066, dargelegten Gründen nicht in Betracht.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180477.X00

Im RIS seit

02.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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