TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/24 2005/17/0262

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Veröffentlicht am 24.06.2008
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauO NÖ 1996 §38 Abs1;
B-VG Art139;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde 1. des PT,

2. des PT und 3. der ES, alle in Wien, alle vertreten durch Dr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach, Am Kirchenplatz, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Oktober 2005, Zl. RU1-BR-315/002-2005, betreffend Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Eichgraben, Rathausplatz 1, 3032 Eichgraben), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Verordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. Juni 1994, mit welcher das örtliche Raumordnungsprogramm 1994 erlassen worden war, wurde das damals im Eigentum des Vaters der beschwerdeführenden Parteien befindliche und als Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone 11 gewidmete Grundstück Nr. 575, KG Eichgraben, in Grünland-Landwirtschaft und Verkehrsfläche umgewidmet.

Am 25. Jänner 2001 stellte der Vater der beschwerdeführenden Parteien den Antrag, das Grundstück Nr. 575 zum Bauplatz zu erklären. Dieser Antrag wurde vom Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 9. März 2001 abgewiesen. Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 23. April 2001 ab. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung mit der Begründung keine Folge, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück zum Teil als Grünland-Landwirtschaft und zum Teil als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Vater der beschwerdeführenden Parteien Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis vom 23. Februar 2004, V 117/03, hob der Verfassungsgerichtshof die Verordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. Juni 1994, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm 1994 erlassen worden war, soweit sie für das verfahrensgegenständliche Grundstück die Widmungs- und Nutzungsarten Grünland-Landwirtschaft und Verkehrsfläche festlegte, als gesetzwidrig auf. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seiner Begründung aus, die mitbeteiligte Marktgemeinde habe nicht dargetan, inwiefern es im öffentlichen Interesse gelegen sei, die landwirtschaftliche Nutzung des mitten im Wohngebiet gelegenen Grundstücks zu intensivieren. Der Festlegung der Widmungs- und Nutzungsarten Grünland-Landwirtschaft und Verkehrsfläche für das Grundstück Nr. 575, KG Eichgraben, durch die in Prüfung gezogene Verordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde sei keine ausreichende, auf die konkrete Fläche bezogene Grundlagenforschung vorangegangen. Die gebotene Interessenabwägung sei in fehlerhafter Weise vorgenommen worden.

Mit Erkenntnis vom 11. März 2004, B 1579/01-9, hob der Verfassungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 18. Oktober 2001 mit der Begründung auf, dass durch den angefochtenen Bescheid der damalige Beschwerdeführer wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden sei. Es sei offenkundig, dass deren Anwendung für die Rechtsposition des damaligen Beschwerdeführers nachteilig gewesen sei.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2004 gab die belangte Behörde der Vorstellung gegen die Abweisung des Ansuchens auf Erteilung einer Bauplatzbewilligung unter Hinweis auf die genannten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Folge, hob die Berufungsentscheidung auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Marktgemeinde zurück.

Mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde der Berufung Folge und hob den Bescheid des Bürgermeisters vom 9. März 2001 auf. Gleichzeitig wurde dem Antrag vom 25. Jänner 2001 stattgegeben und das gegenständliche Grundstück gemäß § 11 Abs. 2 Nö BauO 1996 zum Bauplatz erklärt.

Mit Bescheid vom 27. Jänner 2005 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde aus Anlass dieser Bauplatzerklärung den beschwerdeführenden Parteien als Rechtsnachfolger nach ihrem verstorbenen Vater Aufschließungsabgabe in Höhe von EUR 16.633,90 vor.

Mit Bescheid vom 14. Februar 2005 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab.

In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung führten die beschwerdeführenden Parteien aus, eine Aufschließungsabgabe dürfe nur für Grundstücke im Bauland vorgeschrieben werden. Das gegenständliche Grundstück weise jedoch keine Baulandwidmung iSd § 16 Nö ROG auf.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, nach § 38 Abs. 1 Z 1 Nö BauO 1996 sei dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit rechtskräftigem Bescheid ein Grundstück zum Bauplatz erklärt werde. Im Beschwerdefall sei durch die Aufhebung der ursprünglichen (Grünland-)Widmung ein sog. "weißer Fleck" entstanden. Für Bauführungen iSd § 14 Nö BauO 1996 bedeute dies deren Zulässigkeit, weil dem Bauvorhaben keine im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmung entgegen stehe (§ 20 Abs. 1 Z 1 leg. cit.). Für eine Bauplatzerklärung hingegen bedürfe es einer Baulandwidmung. Der Verfassungsgerichtshof sehe jedoch ausgehend vom Eigentumsrecht und der daraus erfließenden Baufreiheit die Baulandeigenschaft in der Bebaubarkeit des Grundstücks Nr. 575. Er gestehe daher diesem Grundstück die Baulandeigenschaft unabhängig von deren Festlegung im Flächenwidmungsplan zu. Damit stelle der Verfassungsgerichtshof den bebaubaren "weißen Fleck" einer expliziten Baulandwidmung im Flächenwidmungsplan gleich. Daraus und wegen der verfassungsrechtlich geforderten Gleichbehandlung mit den übrigen Eigentümern von Baulandgrundstücken folge die aus der zuerkannten Baulandeigenschaft resultierende Verpflichtung, beispielsweise Abgabenleistungen zu erbringen. Die Gemeinde habe mit der Widmung von Baulandbereichen auch Verpflichtungen im Hinblick auf die Vorsorge für eine geeignete und funktionsgerechte Infrastruktur zu übernehmen. Wie der Regelung des § 38 Nö BauO 1996 u.a. aus den Absätzen 6 (Ermittlung des Einheitssatzes), 7 (Anrechnung früherer Leistungen) und 8 (Herstellung einer staubfrei befestigten Fahrbahn) zu entnehmen sei, orientiere sich nicht nur die Höhe der Aufschließungsabgabe an den von der Gemeinde herzustellenden Infrastrukturmaßnahmen, sondern ließen sich diese Abgaben (selbst wenn sie im Gesetz nicht mehr so bezeichnet würden) durchaus als "Interessenbeiträge" der Baulandgrundstücke für die Herstellung von Fahrbahn, Gehsteig, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung erkennen. Da mit der Zuerkennung der Baulandeigenschaft für das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien auch dessen notwendige "Aufschließung" durch die Gemeinde verbunden sei, erscheine es nur recht und billig, dass diese - wie jeder andere Eigentümer eines Baulandgrundstücks auch - ihren finanziellen Beitrag in Form der Aufschließungsabgabe leisteten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die beschwerdeführenden Parteien Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Marktgemeinde erstattete keine Äußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 11 und 38 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (im Folgenden: Nö BauO 1996) idF der Novelle LGBl. Nr. 8200-11 lauten (auszugsweise):

"§ 11

Bauplatz, Bauverbot

(1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das

1.

hiezu erklärt wurde oder

2.

durch eine vor dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder

              3.              durch eine nach dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder

              4.              am 1. Jänner 1989 bereits als Bauland gewidmet und mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z. 1 und § 23 Abs. 3 letzter Satz, bebaut war.

     (2) Auf Antrag des Eigentümers ist ein Grundstück im Bauland

mit Bescheid zum Bauplatz zu erklären, wenn es

     1. a) an eine bestehende oder im

Flächenwidmungsplan vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche

unmittelbar angrenzt oder

     b)        mit einer solchen durch eine Brücke verbunden ist

oder verbunden werden kann oder

     c)        mit einem im Grundbuch sichergestellten Fahr- und

Leitungsrecht, das dem Bebauungsplan nicht widerspricht, verbunden

wird oder

     d)        die Widmung Bauland-Sondergebiet aufweist und durch

eine im Flächenwidmungsplan vorgesehene im Eigentum des

Bauplatzeigentümers stehende private Verkehrsfläche mit einer

öffentlichen Verkehrsfläche verbunden ist,

     2.        auf Grund seiner Gestalt, Beschaffenheit und Größe

nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und den Festlegungen im

Bebauungsplan bebaut werden darf,

     3.        nicht in einer Aufschließungszone (§ 75) liegt, und

wenn

     4.        die Bauplatzerklärung dem Zweck einer Bausperre

(§ 74 Abs. 4 oder § 23 Abs. 3 NÖ Raumordnungsgesetz, LGBl. 8000)

nicht widerspricht, oder

     5.        die Aufschließung des Grundstücks zum Zeitpunkt der

Entscheidung nicht unwirtschaftliche Aufwendungen für öffentliche Einrichtungen auf dem Gebiete des Straßenbaues, der Wasserversorgung oder der Abwasserbeseitigung wegen seiner Entfernung von bereits aufgeschlossenem Gebiet zur Folge hat.

Verliert ein zum Bauplatz erklärtes Grundstück, das weder mit einem Gebäude noch mit einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) bebaut ist, durch Umwidmung nach den Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, die Baulandwidmung, erlischt die Bauplatzerklärung.

...

Abgaben

§ 38

Aufschließungsabgabe

     (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der

Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit

rechtskräftigem Bescheid

     1.        ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz

(§ 11) erklärt oder

     2.        eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung

eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2 und 3, für den kein der Höhe nach bestimmter Aufschließungsbeitrag oder keine entsprechende Abgabe vorgeschrieben und entrichtet worden ist, erteilt wird.

..."

Im Beschwerdefall wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 2004, V 117/03, die Verordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. Juni 1994, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm 1994 erlassen worden war, soweit sie für das verfahrensgegenständliche Grundstück die Widmungs- und Nutzungsarten Grünland-Landwirtschaft und Verkehrsfläche festgelegt hatte, als gesetzwidrig aufgehoben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem Erkenntnis vom 21. November 2000, Zl. 2000/05/0232, ausgesprochen hat, kann die Aufhebung einer Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof keine Rechtswirkungen auf frühere, durch den Normsetzer außer Kraft gesetzte Verordnungen entfalten.

Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass der Flächenwidmungsplan, der für das gegenständliche Grundstück die Widmung Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone 11 bestimmt hatte und der durch die Verordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. Juni 1994 außer Kraft getreten war, auch nach der Aufhebung der letztgenannten Verordnung für das betreffende Grundstück keine Rechtswirkungen mehr entfaltete.

Der Wortlaut des § 38 Abs. 1 Nö BauO 1996 stellt für die Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe ausdrücklich auf Grundstücke im Bauland ab. Das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien war im Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung aber unstrittig nicht als Bauland gewidmet. Damit fehlte es jedoch an einem wesentlichen Tatbestandsmerkmal für die Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe. Dass eine Gemeinde ein Grundstück zu einem Bauplatz erklärt, berechtigt sie nach dem Wortlaut der genannten Bestimmung nicht, die Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn dieses Gründstück nicht im Bauland liegt. Den von der belangten Behörde angestellten verfassungsrechtlichen Überlegungen, wonach "infolge der verfassungsrechtlich geforderten Gleichbehandlung mit den übrigen Eigentümern von Baulandgrundstücken" die beschwerdeführenden Parteien auch die aus der Bauplatzeigenschaft resultierenden Verpflichtungen, wie z.B. Abgabenleistungen, zu erfüllen hätten, kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, aus Gleichheitsgründen eine Norm zum Nachteil eines Rechtsunterworfenen auszulegen, zumal es der mitbeteiligten Marktgemeinde nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 2004, V 117/03, oblegen gewesen wäre, eine Baulandwidmung vorzunehmen.

Da dies die belangte Behörde verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. Juni 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005170262.X00

Im RIS seit

05.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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