TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/25 2006/02/0302

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Veröffentlicht am 25.06.2008
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des H S in I, vertreten durch Dr. Michael Kramer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. September 2006, Zl. uvs-2003/23/240-16, 245-9, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 6. November 2003 wurde der Beschwerdeführer unter Spruchpunkt 2) für schuldig befunden, er habe am 21. September 2003 in der Zeit von 01.55 bis 02.05 Uhr an einem näher umschriebenen Ort trotz Aufforderung durch ein ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan den "Alkotest" verweigert, obwohl vermutet habe werden können, dass er beim Lenken eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs an diesem Tag um 01.30 Uhr (an einem gleichfalls näher umschriebenen Ort) durch Alkohol beeinträchtigt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß "§ 99 Abs. 1 lit. b StVO" begangen; es wurde eine Geldstrafe von EUR 1.200.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Tage) verhängt.

Gegen Spruchpunkt 2) dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. März 2004 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Straferkenntnisses dahingehend präzisiert, dass dem Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO vorgeworfen wurde und die Strafnorm § 99 Abs. 1 lit. b StVO zu lauten hat.

Aufgrund einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde dieser mit hg. Erkenntnis vom 31. März 2006, Zl. 2004/02/0344, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde die nach § 51h Abs. 4 zweiter Satz VStG vorgeschriebene Verkündung unterließ und den Bescheid - ohne erkennbaren Grund für einen zulässigen Entfall der Verkündung - bloß schriftlich erließ.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. September 2006 wurde die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 6. November 2003 neuerlich als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Straferkenntnisses dahingehend präzisiert, dass dem Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO vorgeworfen wurde und die Strafnorm § 99 Abs. 1 lit. b StVO zu lauten hat.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei nur dem Beschwerdeführer am 27. Oktober 2006 zugestellt und wegen Abwesenheit desselben bei der Post hinterlegt worden. Der Beschwerdeführer habe den ihm zugestellten angefochtenen Bescheid am 3. November 2006 bei der Post behoben und sei der Meinung gewesen, dass auch seinem Rechtsvertreter dieser Bescheid zugestellt worden sei. Seinem Rechtsvertreter sei trotz Kenntnis der Kanzleianschrift und Telefaxnummer dieser Bescheid nicht in die Kanzlei zugestellt worden.

Im Zuge einer Besprechung am 24. November 2006 sei dem Rechtsvertreter der Umstand bekannt geworden, dass der angefochtene Bescheid erlassen und an den Beschwerdeführer zugestellt worden sei. Bis zu diesem Tag seien auch die Verhandlungsprotokolle vom 27. Juni 2006 und vom 26. Juli 2006 weder dem Rechtsvertreter noch dem Beschwerdeführer zugestellt worden. Über telefonische Urgenz seien schließlich am 24. November 2006 beide Verhandlungsprotokolle in die Kanzlei des Rechtsvertreters per Telefax von der belangten Behörde übermittelt worden. Bezüglich des Verhandlungsprotokolls vom 26. Juli 2006 sei bei der belangten Behörde ein Protokollberichtigungsantrag und eine eidesstättige Erklärung von Rechtsanwältin Dr. A. M. eingebracht worden. Dieser Antrag wende sich gegen die im Protokoll getroffene Feststellung, dass die mündliche Verhandlung geschlossen worden sei. Vielmehr hätte der Passus dahingehend lauten müssen, dass nachfolgend die mündliche Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt werde. Dieser Antrag sei von der belangten Behörde unerledigt geblieben.

Schließlich sei der angefochtene Bescheid am 4. Dezember 2006 kommentarlos in die Kanzlei des Beschwerdeführers per Telefax übermittelt worden.

In der Gegenschrift wendet die belangte Behörde ein, der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe während des anhängigen Berufungsverfahrens offensichtlich mehrfach seinen Kanzleisitz innerhalb von Innsbruck verlegt. Im gesamten Akt finde sich jedoch keine Mitteilung über die Verlegung des Kanzleisitzes. Lediglich am Briefpapier des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers lasse sich anhand der "nur wenige Millimeter hohen Kanzleistampiglie" der jeweilige Sitz der Kanzlei entnehmen.

Die Unterlassung der gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz obliegenden Mitteilung durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe nach Ansicht der belangten Behörde in Anlehnung an die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Folge, dass an der der Behörde als Abgabestelle bekannt gegebenen Anschrift zugestellt werden habe können, gleichgültig, wo sich die Partei (bzw. ihr Vertreter) befunden habe und welche Abgabestelle im Zeitpunkt der Zustellung für sie in Betracht gekommen wäre.

Aus Sicht der belangten Behörde sei die Zustellung des nunmehr angefochtenen Bescheides bereits durch die Bundespolizeidirektion Innsbruck im Zuge des Zustellversuches an die alte Anschrift des Kanzleisitzes bzw. durch die Hinterlegung im Akt bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck erfolgt.

Der Beschwerdevertreter hat - soweit aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist - nicht nur im Schriftsatz vom 30. August 2006 betreffend eine Urkundenvorlage, sondern auch schon in den Eingaben vom 1. Juni 2006 und vom 11. Juli 2006 betreffend Vertagungsbitten jeweils neben dem Kanzleistempel auch mit Maschinschrift deutlich lesbar die (neue) aktuelle Adresse seiner Kanzlei angeführt, ohne jedoch explizit auf die Adressänderung im Schriftsatz selbst hinzuweisen. Der belangten Behörde musste aufgrund dieser Schriftsätze die Änderung der Anschrift der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers bekannt sein, weshalb die ursprünglich durch Hinterlegung (im Wege der Bundespolizeidirektion Innsbruck) erfolgte Zustellung des nunmehr angefochtenen Bescheides an die - in der Zustellverfügung des angefochtenen Bescheides genannte - alte Anschrift der Kanzlei des Beschwerdevertreters unwirksam war. Aufgrund der erst am 4. Dezember 2006 an den Beschwerdevertreter erfolgten Zustellung erweist sich die vorliegende Beschwerde daher als rechtzeitig eingebracht.

Wie die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2006 vor der belangten Behörde darlegte, hat der Beschwerdeführer die Polizisten nicht auf sein (behauptetes) Asthmaleiden hingewiesen. Der in der Anzeige allgemein festgehaltene Hinweis des Beschwerdeführers, "wenig an Lungenvolumen zu besitzen", war für sich allein nicht geeignet, Zweifel an der Fähigkeit einer erfolgreichen Ablegung des Alkomattests hervorzurufen, zumal es dem Beschwerdeführer in einem von fünf Versuchen gelungen ist, einen gültigen Blasversuch (mit ausreichender Blaszeit und ausreichendem Blasvolumen) herbeizuführen. Es liegt daher auch keine Aktenwidrigkeit vor, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer nicht auf eine allfällige Unmöglichkeit der Ablegung des Alkomatttests aufgrund dieser Erkrankung bei der Amtshandlung hingewiesen habe.

Die belangte Behörde stellte in einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung, die sich im Wesentlichen auf die Aussage des als Zeugen einvernommenen Meldungslegers stützt, fest, dass der Beschwerdeführer während der Amtshandlung weder auf einen schlecht sitzenden Zahnersatz, noch auf ein seit längerem bestehendes Lungenleiden hinwies und sie daher der erst nachträglich in diese Richtung vorgebrachten und in wesentlichen Teilen geänderten Verantwortung keinen Glauben schenkte.

Es kam im vorliegenden Beschwerdefall auf die vom Beschwerdeführer unter Berufung auf ein Lungenleiden behauptete Unmöglichkeit der erfolgreichen Ablegung eines Alkomattests schon deshalb nicht an, weil er im Zuge der erfolglos durchgeführten Atemalkoholtests nicht auf eine durch die ihm bekannte Krankheit möglicherweise verursachte derartige Unmöglichkeit hinwies und er auch nicht behauptet, dass diese Unmöglichkeit für Dritte (hier: den einschreitenden Polizeibeamten) sofort klar erkennbar gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2002, Zl. 2002/02/0044, m.w.N.). Wie aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist, lagen für den einschreitenden Beamten auch keine Anhaltspunkte für eine derartige sofort klar erkennbare Unmöglichkeit vor.

Aufgrund dieser Sachlage war es für die belangte Behörde auch nicht mehr erforderlich, ein ergänzendes medizinisches Gutachten, das zur Frage einer allfälligen Einschränkung des Lungenvolumens des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt Stellung nehmen sollte, abzuwarten. Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die mit Schreiben der Beschwerdeführers vom 30. August 2006 - somit nach der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2006 - vorgelegten Unterlagen betreffend eine lungenfachärztliche Stellungnahme von Dr. O. sowie weitere ärztliche Unterlagen nicht näher eingegangen; es liegt jedoch diesbezüglich kein wesentlicher Verfahrensmangel vor, zumal der Beschwerdeführer im Lichte der vorstehenden rechtlichen Ausführungen nichts Wesentliches bezüglich des unterlassenen Eingehens der Behörde auf diese Unterlagen vorzubringen vermag. Es bestand daher für die belangte Behörde - unbeschadet der Rüge des Beschwerdeführers, es sei zu Unrecht im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2006 festgehalten worden, dass die Verhandlung geschlossen worden sei - keine Veranlassung für eine weitere Vertagung des Verfahrens.

Für den Verwaltungsgerichtshof sind nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Meldungsleger das Mundstück "ständig und noch während des Blasvorgangs" aus dem Mund des Beschwerdeführers gezogen und dadurch die festgehaltenen Fehlmessungen bewirkt hätte. Vielmehr wurde vom Meldungsleger in der im erstinstanzlichen Akt zuliegenden schriftlichen Stellungnahme vom 17. Oktober 2003 festgehalten, dass er das Mundstück erst nach dem Anzeigen des Fehlversuches aus dem Mund des Beschwerdeführers gezogen bzw. dieses übernommen habe, damit das Gerät die Spülung habe durchführen können. Der Meldungsleger hielt ferner in dieser Stellungnahme fest, dass er bei den beiden ersten Blasversuchen und den beiden letzten Blasversuchen (jeweils Fehlversuche) den Eindruck gehabt habe, dass der Beschwerdeführer "absichtlich weniger Luft ins Röhrchen" geblasen habe.

Insoweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, er habe gegenüber dem Meldungsleger den Wunsch geäußert, er wolle eine Blutabnahme durchführen lassen, was ihm aber nicht ermöglicht worden sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass dem Untersuchten nach der hg. Rechtsprechung ein Wahlrecht zwischen Alkotest und Blutabnahme - nicht zusteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2007, Zl. 2006/02/0092, m.w.N.).

Der angefochtene Bescheid erweist sich aber aus folgendem Grund als rechtswidrig:

Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten - insbesondere aus dem Verhandlungsprotokoll vom 26. Juli 2006 - noch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, gemäß § 51h Abs. 4 zweiter Satz VStG verkündet hätte (vgl. das bereits zitierte Vorerkenntnis vom 31. März 2006, Zl. 2004/02/0344). Es ist für den Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2006 nicht zu ersehen, dass ein allfälliger Grund für den Entfall der Verkündung im Sinne des § 67g Abs. 2 Z. 2 AVG vorgelegen wäre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes belastet die rechtswidrige Unterlassung der im § 51h Abs. 4 zweiter Satz VStG vorgeschriebenen Verkündung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat dessen (bloß) schriftlich erlassenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 31. März 2006, Zl. 2004/02/0344, m. w.N.).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Da die Mehrwertsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist, war das diesbezügliche Mehrbegehren des Beschwerdeführers abzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2008

Schlagworte

Alkotest Voraussetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006020302.X00

Im RIS seit

16.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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