TE Vwgh Erkenntnis 2008/7/2 2007/08/0096

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2008
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der M in Wien, vertreten durch Dr. Johann Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 26. März 2007, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2007-162, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1970 geborene Beschwerdeführerin studiert seit 1. Oktober 2001 als ordentliche Hörerin an der Universität Wien. Sie war vom 18. November 2002 bis 30. November 2006 als Sozialarbeiterin beim Caritas Verband Wien im Bereich der Flüchtlingsbetreuung angestellt. Als erstmalige Inanspruchnahme einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bezog sie für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 30. November 2006 Weiterbildungsgeld. Das Dienstverhältnis war während dieses Zeitraumes gemäß § 11 AVRAG karenziert und endete am 30. November 2006 durch einvernehmliche Auflösung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld vom 1. Dezember 2006 mangels Arbeitslosigkeit gemäß § 7 iVm § 12 AlVG abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen neben Zitierung der zur Anwendung gelangenden, maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin während der als Beobachtungszeitraum für das Vorliegen der Parallelität von Studium und arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten heranzuziehenden Zeit zwischen 1. Dezember 2005 und 30. November 2006 keinen Tag gleichzeitig neben ihrem Studium arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Mangels Nachweises der erforderlichen Parallelität von 273 Tagen zwischen Studium und Dienstverhältnis innerhalb des letzten Jahres vor Geltendmachung des Anspruches sei sie daher im Zeitpunkt der Antragstellung nicht als arbeitslos anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 12 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Als arbeitslos gilt gemäß § 12 Abs. 3 lit. f leg. cit. nicht, wer in einer Schule oder in einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird. Abweichend von dieser Bestimmung gilt jedoch nach § 12 Abs. 4 AlVG als arbeitslos, wer

"1. während eines Zeitraumes von 12 Monaten vor der Geltendmachung mindestens 39 Wochen, davon 26 Wochen durchgehend, oder mindestens die Hälfte der Ausbildungszeit, wenn diese kürzer als 12 Monate ist, arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war,

2. zugleich dem Studium oder der praktischen Ausbildung nachgegangen ist und

3. die letzte Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht selbst zwecks Fortsetzung des Studiums oder der praktischen Ausbildung freiwillig gelöst hat."

Des Weiteren lauten in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden

Fassung jeweils auszugsweise:

§ 14 Abs. 1 und 2 AlVG:

"(1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. ...

(2) Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt."

§ 15 Abs. 1 AlVG:

"(1) Die Rahmenfrist (§ 14 Abs. 1 bis 3) verlängert sich um höchstens drei Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

1. in einem arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden ist;

...

6. einen Karenzurlaub im Sinne der gesetzlichen Vorschriften zurückgelegt oder Karenzgeld oder Weiterbildungsgeld bezogen hat;

..."

Aus § 12 Abs. 3 lit. f AlVG ergibt sich, dass der Bezug von Arbeitslosengeld während eines Studiums grundsätzlich nicht in Frage kommt. § 12 Abs. 4 AlVG sieht jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor. Der Gesetzgeber vermutet nämlich für den Regelfall eine objektive Unvereinbarkeit eines Studiums mit einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung. Das Arbeitslosengeld soll dazu dienen, den Entgeltausfall nach Verlust einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung bis zur Wiedererlangung einer neuen derartigen Beschäftigung auszugleichen. Eine solche Wiedererlangung einer Beschäftigung sieht der Gesetzgeber neben einem Studium im Regelfall als ausgeschlossen an; lediglich dann, wenn die Kriterien des § 12 Abs. 4 AlVG erfüllt sind, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die arbeitslose Person in die Kategorie der sogenannten "Werkstudenten" fällt und daher auch die Wiedererlangung einer Beschäftigung zu erwarten ist und mit Rücksicht darauf ein Bezug von Arbeitslosengeld auch parallel zum Studium ausnahmsweise möglich sein soll (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14.466/1996, und das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125).

Die hier maßgebende Fassung von § 12 Abs. 4 AlVG geht auf die Novelle BGBl. I Nr. 142/2000 zurück. Mit dieser Novelle wurde ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld (und nicht mehr länger auf jenen des Eintrittes der Arbeitslosigkeit, vgl. die Fassung BGBl. Nr. 201/1996, ebenso wie die vorherigen Fassungen, dargestellt im zitierten hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1996) abgestellt. Die Materialien dazu (RV 311 BlgNR. XXI. GP, S. 211) lauten:

"Künftig soll auf Grund einer Änderung des Studienförderungsgesetzes 1992 als Einkommensgrenze für die Studienförderung nicht mehr die auch für die Arbeitslosenversicherung maßgebliche monatliche Geringfügigkeitsgrenze nach dem ASVG gelten, sondern eine Jahresdurchrechnung des erzielten Einkommens erfolgen. Eine Kürzung der Studienbeihilfe soll erst eintreten, wenn das Einkommen aus einer Beschäftigung im Jahr die zwölffache Geringfügigkeitsgrenze überschreitet. Es wird daher möglich sein, neben der bezogenen Studienbeihilfe arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt zu sein und dadurch wesentlich leichter die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld zu erfüllen. Um eine stärkere Belastung der Arbeitslosenversicherung durch Studenten zu vermeiden, ist es daher erforderlich, die bestehenden Ausnahmeregelungen, die Werkstudenten die Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ermöglichen, strenger zu fassen."

Die dadurch eindeutig festgelegten Zeiträume von Beschäftigung und gleichzeitigem Studium lassen auch in Härtefällen grundsätzlich keinen Interpretationsspielraum zu (vgl. dazu auch Weikinger (Hrsg.), Arbeitslosenversicherungsgesetz, Loseblattausgabe, Lieferung März 2005, Kap 2-60).

2. Im vorliegenden Fall kann die Beschwerde mit ihrem Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen:

Die von der Beschwerdeführerin unter Heranziehung des hg. Erkenntnisses vom 15. November 2000, Zl. 96/08/0373, welches den Fall eines Karenzgeldbezuges betraf, vertretene Ansicht, dass auch im vorliegenden Fall eines Weiterbildungsgeldbezuges hinsichtlich des Zeitpunktes für die Prüfung des Vorliegens der Parallelität gemäß § 12 Abs. 4 AlVG auf den Beginn des Weiterbildungsgeldbezuges - hier 1. Dezember 2005 - abzustellen wäre, ist im Hinblick auf die oben erwähnte zwischenzeitige Änderung von § 12 Abs. 4 AlVG mit der Novelle BGBl. I Nr. 142/2000 verfehlt.

Auch ihre hilfsweise Argumentation für das Vorliegen eines Falles einer Rahmenfristerstreckung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 bzw. 6 AlVG geht ins Leere: Die Rahmenfristerstreckung des § 15 leg. cit. bezieht sich nur auf die Rahmenfrist nach § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG und nicht auch auf jene des § 12 Abs. 4 AlVG (in der bis zur Novelle BGBl. I 104/2007 geltenden Fassung).

Soweit die Beschwerdeführerin überdies eine im Lichte des Gleichheitssatzes nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Werkstudenten als gegeben sieht, sind ihr die Ausführungen im jüngst ergangenen hg. Erkenntnis vom 25. April 2007, Zl. 2005/08/0061, entgegenzuhalten. In diesem Erkenntnis, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, wurde kein Fall einer indirekten Diskriminierung darin angesehen, wenn der Bezug von Kinderbetreuungsgeld parallel zum Studium nicht als Rahmenfristerstreckungsgrund des § 15 AlVG (hier: § 12 Abs. 4 AlVG) vom Gesetzgeber anerkannt werde. Auch bei der vorliegenden Konstellation, die auch von der Beschwerdeführerin wiederholt in ihrer Begründung mit dem Fall eines Karenzgeldbezuges verglichen wird, hegt der Verwaltungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Richtung einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung.

3. Insgesamt erweist sich die Beschwerde damit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 2. Juli 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007080096.X00

Im RIS seit

05.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten