TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/18 2008/09/0032

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Veröffentlicht am 18.09.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
AVG §67a Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2008/09/0034 Serie (erledigt im gleichen Sinn):2008/11/0140 E 18. November 2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden

Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke,

Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im

Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerden

1) des RS, 2) der "S" GmbH, beide in S (protokolliert zur

Zl. 2008/09/0034), und 3) des Ing. MF in W (protokolliert zur

Zl. 2008/09/0032), alle vertreten durch Mag. Dr. Josef Kattner,

Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Burgfriedstraße 17, gegen den

Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land

Niederösterreich vom 31. Juli 2006, Zlen. Senat-MB-05-0007, Senat-

MB-05-0008, Senat-MB-05-0009, betreffend Beschwerden gemäß § 67a

Abs. 1 Z. 2 AVG wegen "Durchsuchungsmaßnahmen

(... Hausdurchsuchung)" in Angelegenheiten des

Ausländerbeschäftigungsgesetzes (hg. Zl. 2008/09/0034) sowie

"Verhaftung ... im Zuge der Besorgung der Sicherheitsverwaltung"

(hg. Zl. 2008/09/0032) (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird

-

insoweit er den Drittbeschwerdeführer betrifft, zur Gänze,

-

insoweit die den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Maßnahmen in den Bereich der Vollziehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes fallen,

wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Drittbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsätzen vom 8. August 2001 erhoben die Beschwerdeführer wegen "gesetzes- und verfassungswidriger Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" Beschwerden an die belangte Behörde, bei der diese Schriftsätze am 9. August 2001 einlangten.

In diesen Beschwerden wendeten sich der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gegen die am 2. Juli 2001 ab ca. 9.00 Uhr in den Privaträumlichkeiten des Erstbeschwerdeführers und in den Büroräumlichkeiten der Zweitbeschwerdeführerin vorgenommenen "Durchsuchungsmaßnahmen (Hausdurchsuchungen)" und der Drittbeschwerdeführer gegen seine "Verhaftung" sowie "die darauffolgende Inhaftierung und Verwahrung während eines Zeitraumes von 2 - 3 Stunden", wodurch sie sich in näher bezeichneten Rechten als verletzt erachteten.

Zur Vermeidung von Wiederholungen betreffend den Verfahrensgang verweist der Verwaltungsgerichtshof einleitend auf die hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 2005, Zlen. 2004/09/0202, 0206, und vom 20. Oktober 2005, Zl. 2004/11/0235.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid der belangten Behörde vom 31. Juli 2006 wies die belangte Behörde die Beschwerden als unbegründet ab.

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid sei einerseits das vom Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin in Beschwerde gezogene Verlangen, Schaublätter zur Einsicht vorzuweisen, zulässig gewesen. "Durchsuchungsmaßnahmen" hätten diesbezüglich nicht stattgefunden.

Andererseits sei der Arbeitsinspektor gemäß § 26 Abs. 2 AuslBG zur Kontrolle der Unterkünfte im ersten Stock berechtigt gewesen, nach der Flucht zweier offensichtlich illegal Beschäftigter genauso auch zur vorläufigen Sicherstellung der ausländischen Reisepässe.

Auch die Festnahme des Drittbeschwerdeführers und das kurzfristige Anlegen der Handschellen stelle sich als rechtmäßig dar.

Die belangte Behörde stützte sich dabei - nach Darstellung des Verfahrensganges, der in der durchgeführten mündlichen Verhandlung geleisteten Aussagen und der Rechtslage - auf folgenden festgestellten Sachverhalt (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"... steht fest, dass im Büro im Parterre der Beamte der Verkehrsabteilung federführend eingeschritten ist, sich dabei aber auf das Verlangen nach Aushändigung der Schaublätter beschränkt hat.

In den Räumlichkeiten im 1. Stock, von denen mit gutem Grund angenommen werden konnte, es handle sich um Dienstnehmerunterkünfte, ist die Nachschau durch den AI mit Unterstützung des Beamten der Verkehrsabteilung erfolgt.

Unbestritten hat auch die Auseinandersetzung zwischen dem Finanzbeamten und dem Drittbeschwerdeführer nächst dem Container stattgefunden: Jeder wollte - abwechselnd - in den Besitz der sichergestellten Papiere bleiben bzw. gelangen.

Die Festnahme des Drittbeschwerdeführers durch die Gendarmeriebeamten wurde - konsequenterweise - auf die Tatbestände Widerstand gegen die Staatsgewalt und Urkundenunterdrückung bzw. auf Betreten auf frischer Tat und Verdunkelungsgefahr gegründet.

Das Einschreiten in S der Beamten der Verkehrsabteilung des LGK für OÖ ist der BH AM zuzurechnen, das des AI für den

8. Aufsichtsbezirk ... dem Zollamt K (Team KIAB)."

Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschlüssen jeweils vom 30. November 2006, B 1675/06-6 (betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin) sowie B 1685/06-6 (betreffend den Drittbeschwerdeführer), ihre Behandlung ab und trat sie über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerden machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung über den im Spruch umschriebenen Teil der Beschwerden erwogen:

Die Beschwerdeführer rügen, es mangle dem angefochtenen Bescheid an einer "nachvollziehbaren Sachverhaltsfeststellung".

Schon damit sind die Beschwerdeführer im Recht.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1044 wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Die oben wörtlich wiedergegebenen Ausführungen zum festgestellten Sachverhalt sind derart dürftig, dass sie den genannten Anforderungen in keiner Weise gerecht werden. So fehlt beispielsweise hinsichtlich der die "Räumlichkeiten im 1. Stock" betreffenden "Nachschau" jegliche Feststellung deren Anlasses und Ablaufes. Hinsichtlich der den Drittbeschwerdeführer betreffenden Teile der Amtshandlung fehlen insbesondere Feststellungen über die näheren Umstände und das Verhalten des Drittbeschwerdeführers anlässlich der "Auseinandersetzung nächst dem Container" sowohl gegenüber dem Finanzbediensteten als auch dem die Festnahme aussprechenden und durchführenden Gendarmeriebeamten. Es fehlen auch die Umstände der Festnahme und der weitere Verlauf der Anhaltung.

Lediglich ergänzend sei dazu angemerkt, dass die im Akt enthaltenen Zeugenaussagen, deren Inhalt im angefochtenen Bescheid ausgeführt wird, über den Ablauf der Amtshandlung kein einheitliches Bild bieten.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid im spruchgemäßen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Beizufügen ist, dass, soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertritt, das AuslBG ermächtige zu einer vorläufigen Sicherstellung ausländischer Reisepässe (wozu sich im angefochtenen Bescheid aber keine Feststellungen finden), darauf hinzuweisen ist, dass es dafür im AuslBG keine gesetzliche Grundlage gibt.

Von der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über jene den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Maßnahmen, soweit sie in den Bereich der Vollziehung arbeitszeitrechtlicher Bestimmungen fallen, erfolgt gesondert durch den hiefür zuständigen Senat.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer und des Ersatzes von Barauslagen nicht zusteht.

Der Aufwandersatz ist gemäß §§ 47 ff, insbesondere § 53 VwGG, nur dem (in der zur Zl. 2008/09/0032 protokollierten Beschwerde aufscheinenden) Drittbeschwerdeführer zuzusprechen, weil dessen Beschwerde die niedrigste Geschäftszahl der die Unterschrift desselben Rechtsanwaltes aufweisenden, gegen denselben Bescheid gerichteten Beschwerden des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin (protokolliert unter der hg. Zl. 2008/09/0034 bzw. 2008/11/0140) sowie des Drittbeschwerdeführers (protokolliert zur hg. Zl. 2008/09/0032) trägt.

Wien, am 18. September 2008

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008090032.X00

Im RIS seit

30.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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