RS Vfgh 1987/10/9 G75/87

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 09.10.1987
beobachten
merken

Index

91 Post-und Fernmeldewesen
91/02 Post

Norm

B-VG Art140 Abs3 erster Satz
B-VG Art140 Abs5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
PostG §9 bis §11
PostG §9 ff
PostG §10

Leitsatz

Wenn Monopole und Regale schon im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erwerbsfreiheit (1867) existiert haben, sind sie als im öffenlichen Interesse gelegene Einschränkungen der Erwerbsfreiheit anzuerkennen; an sich Unbedenklichkeit des Beförderungsvorbehaltes; Ausweitung des Beförderungsvorbehaltes auf nicht individualisierte schriftliche Mitteilungen und nicht periodisch erscheinende Druckschriften - an sich zulässige intrasystematische Fortentwicklung des Postvorbehalts unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses; Beschränkung der Erwerbsfreiheit so lange sachlich gerechtfertigt, als die Post die Beförderungsleistungen ordnungsgemäß zu erbringen imstande ist; Beförderungsvorbehalt für Beförderungsleistungen, für die keine Beförderungspflicht der Post besteht, sowie für Beförderungsleistungen, die von der Post nicht erbracht werden können - nicht mehr adäquate und sachlich nicht gerechtfertigte Beschränkung der Erwerbsfreieheit; Aufhebung der Worte "wiederkehrend erscheinde" in §10 PostG

Rechtssatz

Die Einrichtung des Beförderungsvorbehalts für die Post und der mit ihm korrespondierenden Postpflicht ist eine die Erwerbsfreiheit beschränkende Regelung. Derartige gesetzliche Beschränkungen sind nur zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet und adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (vgl. VfSlg. 10179/1984, E v 23.6.1986, G14/86 ua).

Die die Erwerbsfreiheit beschränkenden Regelungen über den Beförderungsvorbehalt der Post sind als im öffentlichen Interesse gelegene Einschränkungen anzusehen.

Monopole und Regale, durch die die Erwerbsfreiheit im vorbehaltenen Bereich ausgeschaltet wird, sind dann, wenn sie schon im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Grundrechts der Erwerbsfreiheit existiert haben, also dem Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1867 auch in ihrem Spannungsverhältnis zur Erwerbsfreiheit bekannt waren, als im öffentlichen Interesse gelegene Einschränkungen der Erwerbsfreiheit anzuerkennen.

Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was an dieser Annahme des Verfassungsgerichtshofes zweifeln ließe, daß die Beschränkung der Erwerbsfreiheit in dem durch das PostG 1837 vorgesehenen, schon im Zeitpunkt der Erlassung und des Wirksamwerdens des Art6 StGG 1867 vorhandenen, im Unterbrechungsbeschluß näher umschriebenen Umfang seit jeher als im öffentlichen Interesse gelegen angesehen wurde. Der Bundesregierung ist zuzustimmen, wenn sie - im Anschluß an Nawiasky - der Sache nach darlegt, daß das öffentliche Interesse dabei stets jenes an einer flächendeckenden einheitlichen Postversorgung war und daß zur Sicherstellung dieses Primärzwecks sekundär auch das ökonomische Interesse der Post an einer bestmöglichen Nutzung der vorhandenen Posteinrichtungen als ein schon vom Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1867 anerkanntes öffentliches Interesse anzusehen ist.

Im Hinblick auf diese öffentlichen Interessen hat der Verfassungsgesetzgeber seinerzeit das die Erwerbsfreiheit beschränkende Beförderungsmonopol der Post in der damals gegebenen Ausprägung normativer Gestaltung und faktischer Realisierung vorgefunden und auch im Hinblick auf das bestehende Spannungsverhältnis zur Erwerbsfreiheit akzeptiert. Es hat sich daher die vorläufige Annahme des Gerichtshofs bestätigt, daß die das Grundrecht der Erwerbsfreiheit beschränkenden Regelungen über den Beförderungsvorbehalt der Post insofern verfassungsrechtlich unbedenklich sind.

Der Verfassungsgerichtshof hält die durch die in Prüfung stehenden Bestimmungen des PostG 1957 (§§9 bis 11) getroffene Ausweitung des Postzwanges (auf nichtindividualisierte Mitteilungen und nicht periodisch erscheinende Druckschriften) unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses, dem jede Beschränkung der Erwerbsfreiheit dienen muß (vgl. VfSlg. 10386/1985), für eine verfassungsrechtlich zulässige Weiterentwicklung des schon 1867 als im öffentlichen Interesse stehend anerkannten Beförderungsvorbehalts für Postsendungen.

Es trifft zu, daß die Ausweitung des Beförderungsvorbehalts geeignet ist, eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Beförderungsdiensten für schriftliche Mitteilungen zu bundeseinheitlichen Konditionen wirtschaftlich abzusichern. Nun vermögen freilich derartige ökonomische Überlegungen - wie auch die Bundesregierung richtig erkennt - nicht jede Ausweitung des Umfangs des Postregals zu rechtfertigen. Sie sind aber im gegebenen Zusammenhang von Bedeutung, da es hier um die ökonomisch sinnvolle und (im Sinne der für die gesamte Gebarung des Bundes als verfassungsrechtliche Leitlinien aufgestellten Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gelegene) effiziente Nutzung jener Einrichtungen zur Beförderung von schriftlichen Mitteilungen geht, die rechtmäßigerweise geschaffen und vom Verfassungsgesetzgeber auch hinsichtlich ihres Spannungsverhältnisses zur verfassungsrechtlich verbürgten Erwerbsfreiheit akzeptiert wurden. Überdies ist von Bedeutung, daß die Ausweitung des Beförderungsvorbehalts auf nichtindividualisierte schriftliche Mitteilungen der Sache nach dem vorgefundenen Beförderungsvorbehalt eng verwandt und jedenfalls viel ähnlicher ist, als es etwa eine - auch nach Auffassung der Bundesregierung unzulässige - Ausweitung des Postzwangs etwa auf die Beförderung von Paketen oder gar auf Bereiche wäre, in denen es nicht mehr um die effiziente Ausnutzung vorhandener und vom Verfassungsgesetzgeber vorgefundener Einrichtungen, sondern um die Schaffung neuer monopolisierter Geschäftszweige ginge.

Die Worte "wiederkehrend erscheinende" in §10 des PostG, BGBl. 58/1957, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Darin, daß der Beförderungsvorbehalt für die Post auch für Beförderungsleistungen besteht, für die teilweise keine Beförderungspflicht begründet ist und teilweise keine Beförderungsmöglichkeit gegeben ist, sieht der Verfassungsgerichtshof eine nicht mehr adäquate und sachlich nicht gerechtfertigte Beschränkung der Erwerbsfreiheit (Art6 Abs1 letzter Fall StGG).

Die Analyse der geltenden, die Postdienstleistungen bestimmenden Rechtslage zeigt, daß der Post eine Pflicht zur Beförderung bestimmter Massensendungen nicht zukommt, obwohl deren Beförderung der Post vorbehalten und anderen untersagt ist. Es handelt sich dabei keineswegs um vernachlässigbare Randphänomene; vielmehr enthält das Gesetz Regelungen, die die Beförderungspflicht der Post insbesondere für den Bereich der Massensendungen gravierend einschränken: So ermächtigt das Gesetz den BMföWuV, in Zeiten einer erheblichen Zunahme des Postverkehrs Massensendungen von der Annahme auszuschließen (§17 Abs8 der Anlage I zum PostG); überdies kann die Post gemäß §169 PostO bei Drucksachen die Zustellung auf den nächsten Zustellgang (di. in der Regel der nächste Werktag), bei Massensendungen auf einen der nächsten Zustellgänge (di. in der Regel einen der nächsten Werktage) verschieben.

Trotz der geschilderten beachtlichen Reduzierung der Beförderungspflicht der Post sowie der durch die Post erbringbaren Beförderungsleistungen besteht auch für die von dieser Reduzierung betroffenen Sendungen ein Beförderungsvorbehalt für die Post. Mit anderen Worten: Auch die Beförderung von Sendungen, für die eine Beförderungspflicht durch die Post nicht besteht, sowie Beförderungsleistungen, die von der Post nicht erbracht werden können, sind der Post mit der Wirkung vorbehalten, daß sie ein anderer nicht erbringen darf.

Die Bundesregierung hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Ausnahme vom Beförderungsvorbehalt für periodische Durckschriften deshalb sachlich gerechtfertigt sei, weil die Post mit den vorhandenen Einrichtungen nicht in der Lage sei, den hiefür bestehenden besonderen Anforderungen gerecht zu werden. Gleiches gilt freilich auch für die Beförderung von nicht periodisch erscheinenden Druckschriften, da - wie eben dargelegt - auch die dafür erforderlichen Beförderungsleistungen nicht in ausreichendem Umfang erbracht werden müssen bzw. können.

Die mit dem (Beförderungs-)Vorbehalt verbundene und im öffentlichen Interesse gelegene Beschränkung der Erwerbsfreiheit ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes mit der Verfassung vereinbar, soferne sie zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist. Diese sachliche Rechtfertigung sei solange gegeben, als die Post die ihr übertragenen Beförderungsleistungen ordnungsgemäß zu erbringen imstande ist.

Das Verfahren hat keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, daß die Post an sich nicht imstande ist, die ihr vorbehaltenen Beförderungsleistungen ordnungsgemäß zu erbringen und daß der umfassende Postvorbehalt aus diesem Grund sachlich nicht gerechtfertigt sein könnte. Allerdings zeigt die Analyse der geltenden, die Postdienstleistungen bestimmenden Rechtslage, daß der Post eine Pflicht zur Beförderung bestimmter Massensendungen nicht zukommt, obwohl deren Beförderung der Post vorbehalten und anderen untersagt ist. Es handelt sich dabei keineswegs um vernachlässigbare Randphänomene; vielmehr enthält das Gesetz Regelungen, die die Beförderungspflicht der Post insbesondere für den Bereich der Massensendungen gravierend einschränken: So ermächtigt das Gesetz den BMföWuV, in Zeiten einer erheblichen Zunahme des Postverkehrs Massensendungen von der Annahme auszuschließen (§17 Abs8 der Anlage I zum PostG); überdies kann die Post gemäß §169 PostO bei Drucksachen die Zustellung auf den nächsten Zustellgang (di. in der Regel der nächste Werktag), bei Massensendungen auf einen der nächsten Zustellgänge (di. in der Regel einen der nächsten Werktage) verschieben.

Aufhebung (lediglich) einer Wortfolge in §10 des PostG 1957 wegen Widerspruches zu Art6 Abs1 StGG und nicht der (in Prüfung gezogenen) §§9 bis 11 PostG 1957 (die den Beförderungsvorbehalt für die Post und die korrespondierende Postpflicht konstituieren) insgesamt.

Der festgestellte Widerspruch zu Art6 StGG betrifft aber keineswegs den gesamten durch die §§9 und 10 PostG konstituierten Beförderungsvorbehalt für die Post sowie die mit ihm korrespondierende Postpflicht (§11 PostG). Vielmehr bezieht sich die im Verfahren festgestellte Reduzierung der Beförderungspflicht und der erbringbaren Beförderungsleistungen, der eine entsprechende Einschränkung des Beförderungsvorbehalts nicht entspricht, durchwegs auf den Beförderungsvorbehalt für Druckschriften. Die Beseitigung der konstatierten Verfassungswidrigkeit bedarf daher nicht der Aufhebung des gesamten, den Postvorbehalt konstituierenden Systems der §§9 bis 11 PostG; die Verfassungswidrigkeit kann (unbeschadet allfälliger anderer Sanierungsmöglichkeiten durch den einfachen Gesetzgeber) vom Verfassungsgerichtshof vielmehr auch dadurch beseitigt werden, daß bloß die - die Ausnahme vom Postvorbehalt für nicht wiederkehrend erscheinende Druckschriften ausschließende - Wortfolge "wiederkehrend erscheinende" in §10 PostG aufgehoben wird. Dieser Möglichkeit war daher im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Begrenzung des Umfangs der im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen (vgl. zB VfSlg. 8461/1978 mwH) der Vorzug zu geben, weshalb die genannten Worte aufzuheben waren, das Verfahren im übrigen aber einzustellen war (vgl. E v 1.7.1987, G78/87).

Zur Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Wortfolge sah der Verfassungsgerichtshof angesichts der Beschränkung der Aufhebung auf die Worte "wiederkehrend erscheinende" keine Notwendigkeit.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Post- und Fernmelderecht, Erwerbsausübungsfreiheit, Monopolwesen, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G75.1987

Dokumentnummer

JFR_10128991_87G00075_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten