RS Vfgh 1988/12/1 V123/88, V124/88, V125/88, V126/88, V127/88, V128/88, V129/88, V130/88, V131/88, V

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Veröffentlicht am 01.12.1988
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Index

50 Gewerberecht
50/03 Personen- und Güterbeförderung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 13.03.86 über die Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr, BGBl 163
Verordnung des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom 20.05.87. Zl IX/3-21128/1-87, über eine teilweise Reduzierung der Anzahl der Stellplätze (Taxistandplätze) .Sbg StandplatzV.
GelVerkG §10 Abs2
StVO 1960 §96 Abs4

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; §10 Abs2 zweiter Satz GelegenheitsverkehrsG (Verfassungsbestimmung); §96 Abs4 StVO; Präjudizialität der Verordnungen der Straßenverkehrsbehörden über die Festlegung von Taxistandplätzen für Verordnungen des Landeshauptmannes als Gewerbebehörde betreffend die Erteilung der Konzessionen Art6 StGG; §96 Abs4 StVO; §44 Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr, BGBl. 163/1986 iVm. §10 Abs2 zweiter Satz GelegenheitsverkehrsG; im Fall der Festlegung von Standplätzen für Taxis nach §96 Abs4 StVO ist nicht nur auf straßenpolizeilich relevante Momente sondern auch auf eine den Bedarf deckende, ausreichende Anzahl zu achten; die namens des Gemeinderates der Stadt Salzburg erlassene V vom 20. Mai 1987 über eine teilweise Reduzierung der Anzahl der Stellplätze (Taxistandplätze) dient nur - im Interesse der Konzessionsinhaber - der Verhinderung der Erteilung weiterer Taxikonzessionen; (teilweise) Aufhebung als gesetzwidrig

Rechtssatz

Die namens des Gemeinderates der Stadt Salzburg erlassene Verordnung vom 20.05.87, Zl. IX/3-21128/1-87, über eine teilweise Reduzierung der Anzahl der Stellplätze (Taxistandplätze), wird als gesetzwidrig aufgehoben, soweit sie nicht die Plätze Parscherstraße und Makartplatz betrifft. Sie war auch in bezug auf die Parscherstraße gesetzwidrig.

§96 Abs4 StVO ist im Zusammenhang mit der gewerberechtlichen Vorschrift als §10 Abs2 GelVerkG so zu verstehen, daß - wenn es überhaupt zur Festlegung von Standplätzen kommt - unter Bedachtnahme auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs eine den Bedarf an Standplätzen deckende Zahl festzulegen ist.

Nur aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs - unter Berücksichtigung der allgemein zur Verfügung stehenden Abstellflächen und deren beste Ausnützung (§96 Abs4 StVO) - darf die Zahl der festgestellten Standplätze hinter dem so ermittelten Bedarf zurückbleiben.

Solche Gründe waren hier nicht gegeben. Die Herabsetzung der Zahl der Auffahrmöglichkeiten diente nur der Verhinderung der Erteilung weiterer Konzessionen zur Ausübung des Taxigewerbes.

Zieht man das Grundrecht der Freiheit der Erwerbstätigkeit in Erwägung, dem der Gesetzgeber im Hinblick auf das Erkenntnis VfSlg. 10932/1986 erklärtermaßen Rechnung tragen wollte, ist bei Feststellung des Bedarfes nicht nur auf die Zahl der vorhandenen Taxifahrzeuge, sondern auch auf allenfalls zu erwartende Erhöhungen dieser Zahl zu sehen.

Ein Festschreiben der nur den Bedarf der zufällig gerade vorhandenen Fahrzeuge deckenden Standplätze käme einem willkürlichen Ausschluß weiterer Bewerber um eine Konzession und damit wiederum einer Verletzung des Grundrechts auf freie Erwerbstätigkeit gleich. Sie wäre noch viel einschneidender als die aufgehobene Bedarfsprüfung (bei der es um den Bedarf an Konzessionen ging), weil selbst bei objektivem Bedarf an einer größeren Anzahl von Taxis die einmal festgestellte Zahl von Standplätzen die Erteilung weiterer Konzessionen verhindern würde.

Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom 20.05.87, Zl. IX/3-21128/1-87, über eine teilweise Reduzierung der Anzahl der Stellplätze (Taxistandplätze), (Sbg. StandplatzV) wegen Widerspruchs zu §96 Abs4 StVO 1960, da die Verordnung nur (in einer die Erwerbsausübungsfreiheit beeinträchtigenden Weise) der Verhinderung der Erteilung weiterer Taxikonzessionen, nicht aber den Erfordernissen des Straßenverkehrs diente.

Grundlage und Maßstab einer Verordnung über die Festsetzung von Standplätzen für das Platzfuhrwerks-Gewerbe ist §96 Abs4 StVO. Mit der Möglichkeit, solche Standplätze vorzusehen, verfolgt der Gesetzgeber offenbar das Ziel, das Auffahren von Taxifahrzeugen im Interesse der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf bestimmte Stellen zu konzentrieren. Demgemäß bestimmt §44 der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 13.03.86 über die BetriebsO für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr, BGBl. 163, daß in Orten, in denen Standplätze für das Taxigewerbe iSd §96 Abs4 StVO vorgesehen sind, Taxifahrzeuge mangels besonderer Anordnung nur auf diesen Plätzen auffahren dürfen. Diese Wirkung der Festlegung von Standplätzen liegt offenbar auch der Verfassungsbestimmung des zweiten Satzes des §10 Abs2 GelVerkG zugrunde, wenn sie eine Beschränkung der Konzessionen auf eine bestimmte Höchstzahl nur in jenen Gemeinden vorsieht, in denen solche Standplätze eingerichtet sind. Ist dies doch nur dann sinnvoll, wenn man davon ausgeht, daß die Zahl der Stellplätze zumindest den Bedarf der vorhandenen Fahrzeuge zu decken bestimmt ist.

Daß eine Weigerung, die beantragten Reduzierungen vorzunehmen, in irgendeiner Weise vom Antrag der Fachgruppe abhängig gewesen wäre, ist vollends ausgeschlossen (weshalb auch die Wortfolge "... auf Antrag der gesetzlichen Interessenvertretung ..." in §96 Abs4 StVO hier nicht anzuwenden ist).

Zur Präjudizialität einer (im Rahmen der Landesvollziehung erlassenen) straßenpolizeilichen Verordnung für Verordnungen des Landeshauptmannes als Gewerbebehörde.

Der eindeutige Wortlaut der Verfassungsbestimmung des §10 Abs2 GelVerkG zwingt zu der auch mit der Kompetenzlage besser übereinstimmenden Annahme, daß die (Taxi-)Standplätze als solche gemäß §96 Abs4 StVO bereits von der zuständigen Behörde gewidmet sein müssen. Damit wird der Inhalt der Verordnungen des Landeshauptmannes mit vom Inhalt der straßenpolizeilichen Verordnungen abhängig gemacht. Der Landeshauptmann hat daher im Rahmen der Bundesvollziehung auf diese Akte der Landesvollziehung Bedacht zu nehmen. Die Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Verknüpfung verbietet schon der Verfassungsrang der Bestimmung.

Für den Landeshauptmann maßgeblich (bei Erlassung der gewerbebehördlichen Verordnung nach §10 Abs2 GelVerkG) darf nur eine in Geltung stehende Festlegung von Standplätzen iSd §96 Abs4 StVO (Veränderung in der Zahl der Auffahrmöglichkeiten) sein. Doch können Verordnungen, deren Inhalt zunächst gesetzwidrig ist, durch Änderung der Umstände nachträglich gesetzmäßig werden. Die inhaltliche Gesetzmäßigkeit von Verordnungen ist nämlich immer bezogen auf jenen Zeitpunkt zu prüfen, in dem sie angewendet wurden oder anzuwenden waren. Es kommt daher bei Prüfung der Verordnungen des Landeshauptmannes auf deren Gesetzmäßigkeit im Zeitpunkt der Entscheidung des Landeshauptmannes bzw. Bundesministers über die Konzessionsbegehren an. Hiefür ist die StandplatzV dann von Bedeutung, wenn sie zu diesem Zeitpunkt in Geltung gestanden ist. Sie ist dann für die betreffenden Anlaßverordnungsprüfungsverfahren präjudiziell.

(Dies ist dort nicht der Fall, wo die Verordnung erst nach Einleitung des Prüfungsverfahrens bzw. nach Erlassung der angefochtenen Bescheide kundgemacht wurde.)

Zur Frage der Geltung von straßenpolizeilichen Verordnungen durch Anbringung der Verkehrszeichen.

Daß die in Prüfung stehende (Sbg. Taxistandplatz-)V in einzelnen Punkten nur frühere Verordnungen aufhebt, ohne diese gleichzeitig neu zu fassen, ändert an ihrer Anwendbarkeit nichts, weil die Zahl der vorhandenen Standplätze (§10 Abs2 Satz 2 GelVerkG) nur unter Bedachtnahme auch auf diese Aufhebungen festgestellt werden kann.

Entscheidungstexte

  • V 123-149/88
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 01.12.1988 V 123-149/88

Schlagworte

Gewerberecht, Gelegenheitsverkehr, Straßenpolizei, Verkehrsbeschränkungen, VfGH / Präjudizialität, Bundesverwaltung mittelbare, Landesverwaltung, VfGH / Prüfungsmaßstab, Geltungsbereich einer Verordnung, Verordnung Kundmachung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:V123.1988

Dokumentnummer

JFR_10118799_88V00123_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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