RS Vfgh 2002/6/29 G11/02 - G318/02

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Veröffentlicht am 29.06.2002
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BAO §184
EStG 1988 §45
EStG 1988 §121 Abs5 idF BGBl I 142/2000
EStG 1988 §121 Abs5 idF BGBl I 59/2001

Leitsatz

Keine sachliche Rechtfertigung der Erhöhung der Einkommensteuervorauszahlung für bestimmte Kalenderjahre aufgrund unsachlicher Typisierung infolge fehlender Differenzierung zwischen verschiedenen Einkunftsarten; keine Sanierung durch individuelle Herabsetzungsmöglichkeit

Rechtssatz

Die Ziffern 2 und 3 des §121 Abs5 EStG 1988 idF BGBl I 142/2000 waren verfassungswidrig.

Die in Prüfung gezogene Regelung des §121 Abs5 Z2 EStG 1988 (mit der die Z3 leg.cit. in untrennbarem Zusammenhang steht) führt wegen der fehlenden Differenzierung zwischen verschiedenen Einkunftsarten zu einer unsachlichen Typisierung bei der Festsetzung erhöhter Vorauszahlungen.

Anhebung grundsätzlich gerechtfertigt, um eine zeitnahe Steuerentrichtung zu erreichen.

Eine Veränderung der geschuldeten Steuerbeträge ist dann nur zulässig, wenn sich dafür im Rechts- oder im Tatsachenbereich hinreichende Gründe finden und die vorgenommene Erhöhung diesen Gründen entspricht.

Die Regelung über die Vorauszahlungserhöhung hat sich an den geschätzten Aufkommenseffekten der mit dem BudgetbegleitG 2001 getroffenen Steuermaßnahmen orientiert.

Die praktische Bedeutung des Investitionsfreibetrages ist im Bereich der typischerweise auf persönlichem Arbeitseinsatz beruhenden Einkünfte aus selbständiger Arbeit offensichtlich viel geringer als im Bereich der typischerweise (auch) auf Sachkapitaleinsatz beruhenden gewerblichen Einkünfte.

Der Gerichtshof vermag nicht zu erkennen, warum es im Zeitalter der EDV-unterstützten Erstellung von Steuerbescheiden unmöglich sein sollte, bei einer pauschalen Anhebung der Vorauszahlungen die Zusammensetzung des Einkommens (d.h. die "Betroffenheit" der einzelnen Einkunftsarten von den beschlossenen Erhöhungsmaßnahmen) zu berücksichtigen und eine dementsprechend differenzierende Regelung zu treffen.

Der Gerichtshof bezweifelt auch nicht, daß es im Zusammenhang mit Schätzungen nach §184 BAO zu Unschärfen kommen kann, die gewichtiger sind als diejenigen, die im Zusammenhang mit der Regelung des §121 Abs5 Z2 EStG 1988 auftauchen können. Dessen ungeachtet geht der Gesetzgeber auch in diesem Zusammenhang nur dann sachlich - und somit verfassungsrechtlich unbedenklich - vor, wenn er versucht, der Wirklichkeit so nahe wie möglich zu kommen.

Die Unsachlichkeit einer solchen Regelung kann auch nicht durch die Einräumung einer individuellen Herabsetzungsmöglichkeit "saniert" werden.

Ebenso zur Aufhebung der Z2 und Z3 des §121 Abs5 EStG 1988 idF BGBl I 59/2001: E v 26.11.02, G318/02.

(Anlaßfall zu G11/02: E v 29.06.02, B1363/01; Quasi-Anlaßfälle: E v 29.06.02, B1396/01, und B1379/01 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide; Anlaßfall und Quasi-Anlaßfälle zu G318/02: E v 26.11.02, B990/02 und B458/02, sowie E v 11.12.02, B450/02).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Einkommensteuer, Vorauszahlungen, Finanzverfahren, Schätzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G11.2002

Dokumentnummer

JFR_09979371_02G00011_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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