RS Vfgh 2003/11/28 B1019/03

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Veröffentlicht am 28.11.2003
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
VStG §51e Abs2

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf eine mündliche Verhandlung bei Zurückweisung einer Berufung in einem straßenpolizeilichen Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Geschwindigkeitsübertretung als verspätet; keine inhaltliche Entscheidung iSd Art6 EMRK, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Normierung über den Entfall einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bei Zurückweisung einer Berufung

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §51e Abs2 Z1 VStG im Lichte des in Art6 Abs1 EMRK verankerten Mündlichkeitsgebotes.

Eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, ist aus Sicht des Art6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" iSd Art6 Abs1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozeßhindernisse entgegenstehen.

Die Regelung des §51e Abs2 Z1 VStG, die den Entfall der mündlichen Verhandlung in jenen Fällen vorsieht, in denen zwar eine (negative) Entscheidung über den Zugang zu einem Verfahren vor dem Tribunal, nicht aber eine Entscheidung über die Sache selbst, nämlich über die "strafrechtliche Anklage", gefällt wird, verstößt nicht gegen das in Art6 Abs1 EMRK normierte Mündlichkeitsgebot, zumal sich dann, wenn - zulässigerweise - schon der Zugang zu einem Verfahren in der Sache beim Tribunal beschränkt ist, die Frage der Einhaltung der von einem Tribunal allenfalls zu erfüllenden Garantien nicht stellen kann. Art6 EMRK steht einer prozeßrechtlichen Regelung nicht entgegen, die den Zugang zu einem Verfahren in der Sache von der Einhaltung von Fristen und Formerfordernissen abhängig macht; solche Regelungen dienen der Rechtssicherheit und einer geordneten Rechtspflege.

Der von der belangten Behörde erlassene Zurückweisungsbescheid (bzw das vorangehende Verfahren), mit dem die Berufung wegen Verspätung zurückgewiesen wurde, ist daher vom Verfassungsgerichtshof nicht anhand der in Art6 EMRK für das Verfahren in der Sache normierten speziellen Garantien zu messen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Unabhängiger Verwaltungssenat, Verwaltungsstrafrecht, Berufung, Öffentlichkeitsprinzip, Verhandlung mündliche, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1019.2003

Dokumentnummer

JFR_09968872_03B01019_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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