RS Vfgh 2004/10/13 A5/04 - A11/06

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Veröffentlicht am 13.10.2004
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
B-VG Art137 / sonstige Klagen
AlVG §33, §36
NotstandshilfeV §6
Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19.12.78 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (Gleichbehandlungsrichtlinie bzw Gleichbehandlungs-Richtlinie)

Leitsatz

Abweisung einer Staatshaftungsklage wegen Verlustes der Notstandshilfe aufgrund Anrechnung des Partnereinkommens; kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere nicht gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie; keine Vorlagepflicht des Verwaltungsgerichtshofes infolge vertretbarer Rechtsauffassung

Rechtssatz

Abweisung der - zulässigen - Staatshaftungsklage.

Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes; jedoch kein qualifizierter Verstoß gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie 79/7/EWG.

Ein Gericht hat eine Bestimmung auf ihre Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht nicht in jeder Hinsicht zu beurteilen, also unabhängig vom möglichen Ausgang des bei ihm anhängigen Verfahrens.

Allfällige Verletzung der Vorlagepflicht durch ein Höchstgericht allein noch kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht.

Hier: intensive Auseinandersetzung des VwGH mit gemeinschaftsrechtlicher Frage; Gelegenheit der Parteien zur Stellungnahme dazu.

Vorliegen eines acte claire im Fall einer gesicherten Rechtsprechung, welche sich auch aus einer Gesamtschau mehrerer Urteile des EuGH ergeben kann.

Dem Verwaltungsgerichtshof kann kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorgeworfen werden, wenn er angesichts der Entscheidungen des EuGH (Urteil vom 08.02.96, C-8/94 - Laperre, Urteil vom 01.02.96, C-280/94 - Y.M. Posthuma-van Damme, Urteil des EuGH vom 19.11.92, C-226/91 - Molenbroek) keine Zweifel hegte, dass den von ihm angewendeten innerstaatlichen Rechtsvorschriften (§36 AlVG, §6 NotstandshilfeV) Gemeinschaftsrecht nicht entgegenstehe, "weil das vom EuGH in seiner Rechtsprechung zur indirekten Diskriminierung von Sozialleistungen errichtete Gedankengebäude die Beantwortung aller hier entscheidungswesentlichen Fragen auf einer höheren Abstraktionsebene bereits vorweggenommen" habe. Aus der Rechtsprechung ergibt sich schließlich ein weiter Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten, der ihnen jede sachgerechte Lösung erlaubt. Der Umstand, dass mehr Frauen als Männer von der Lösung betroffen sein mögen, steht dem nicht entgegen. In Befolgung dieser Grundgedanken begründete der Verwaltungsgerichtshof im Detail, warum die Regelung sachgerecht und aus welchen Gründen auch die Gleichsetzung von ehelicher oder sonstiger Lebensgemeinschaft bei Beurteilung der Bedürftigkeit sachlich sei. Ob die Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofes im Einzelnen richtig sind, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen; sie sind jedenfalls vertretbar.

Siehe auch A11/06, E v 25.09.06: Abweisung einer - von individuellen Daten abgesehen - wortidenten Klage unter Hinweis auf den vorliegenden Fall VfSlg 17330/2004; keine Entscheidungsrelevanz des von der Klägerin angeführten Urteils des OGH vom 08.03.05, 10ObS172/04y, betr den Verlust von Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Arbeitslosenversicherung, EU-Recht Richtlinie, Gleichheit Frau-Mann, VfGH / Klagen, Staatshaftung, EU-Recht Vorabentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:A5.2004

Dokumentnummer

JFR_09958987_04A00005_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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