RS Vfgh 2007/3/8 V17/06

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Veröffentlicht am 08.03.2007
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Index

86 Veterinärrecht
86/01 Veterinärrecht allgemein

Norm

B-VG Art11 Abs1 Z8
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art151 Abs30
Oö VeranstaltungsG 1992 §1
Tierschutz-VeranstaltungsV (TSch-VeranstV) §2 Abs2
TierschutzG §23, §28

Leitsatz

Verletzung der Rücksichtnahmepflicht zwischen Bund und Ländern durchErlassung einer dem Willen des Landesgesetzgebers diametral entgegenstehenden Bundesregelung betreffend ein Ausstellungsverbot fürSingvögel in der Tierschutz-Veranstaltungsverordnung;landesrechtliche Zulässigkeit von Vogelschauen und sogar Ausnahmesolcher Veranstaltungen vom Geltungsbereich des OöVeranstaltungsgesetzes 1992

Rechtssatz

Aufhebung des §2 Abs2 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über den Schutz und die Verwendung von Tieren bei sonstigen Veranstaltungen (Tierschutz-Veranstaltungsverordnung - TSch-VeranstV), BGBl II 493/2004.

Zulässigkeit des Individualantrags von Vogelschutzvereinen bzw von Einzelpersonen auf Aufhebung des Verbots der Ausstellung von Wildfängen (zB Singvögeln) in §2 Abs2 der TSch-VeranstV.

Außerkrafttreten der landesrechtlichen Tierschutzbestimmungen (Art11 Abs1 Z8 B-VG) mit 01.01.05 aufgrund Art151 Abs30 B-VG.

Im Volkstum begründete Veranstaltungen iSd §1 Abs2 Z2 Oö VeranstaltungsG vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen (Veranstaltungen grundsätzlich Landeskompetenz; siehe auch §1 Oö VeranstaltungsG 1992); Bundesregelung des §28 TierschutzG über die Verwendung von Tieren bei Veranstaltungen tritt neben landesrechtliche Regelung.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass der Landesgesetzgeber mit der "Herausnahme" der Veranstaltungen gemäß §1 Abs2 Z2 aus dem Anwendungsbereich des Oö VeranstaltungsG 1992 zum Ausdruck bringt, dass er eine gesonderte Bewilligung für die in Abs2 aufgezählten Veranstaltungen für entbehrlich erachtet.

Wie die Anlage 2 litB b) der Vereinbarung gemäß Art15a B-VG zur Verbesserung des Tierschutzes im allgemeinen und im besonderen im außerlandwirtschaftlichen Bereich belegt, haben die Landesgesetzgeber - im Rahmen ihrer Zuständigkeit bis zum In-Kraft-Treten des TierschutzG - umfangreiche Regelungen über allgemeine und besondere Haltungsbedingungen von Vögeln vorgesehen; sie sind also grundsätzlich von der Zulässigkeit der Zurschaustellung von Vögeln - auch von Wildfängen - ausgegangen.

Das in Rede stehende Ausstellungsverbot umfasst auch Veranstaltungen wie Vogelschauen, obwohl der Landesgesetzgeber sie ausdrücklich von der Bewilligungspflicht des Veranstaltungsgesetzes ausgenommen hat.

Wenn das TierschutzG in §28 Abs3 eine Regelung trifft, die es der verordnungserlassenden Behörde erlaubt, nähere Bestimmungen über die Haltung von Tieren bei "sonstigen Veranstaltungen" festzulegen, muss diese gesetzliche Ermächtigung - unter Zugrundelegung der Rechtsprechung (zur Rücksichtnahmepflicht, vgl VfSlg 8831/1980, 10292/1984) - derart interpretiert werden, dass die Ausübung dieser Ermächtigung den notwendigen Ausgleich mit den Interessen der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft zulässt.

Die Regelung des §2 Abs2 TSch-VeranstV, die ein absolutes (strafbewehrtes) Ausstellungsverbot von Wildfängen (mit Ausnahme von Fischen) anordnet, bewirkt im Ergebnis, dass die in die Zuständigkeit der Länder fallenden - zulässigen - Veranstaltungen unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes nicht mehr stattfinden dürften.

Es kann dem Bundesgesetzgeber jedenfalls nicht zugesonnen werden, dass er mit §28 Abs3 TierschutzG eine Ermächtigung schaffen wollte, die es der verordnungserlassenden Behörde ermöglicht, im Ergebnis ein tierschutzrechtlich begründetes Verbot zu erlassen, das dem - in §1 Abs2 Z2 Oö VeranstaltungsG 1992 dokumentierten - Willen des Landesgesetzgebers diametral entgegensteht.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Tierschutz, Veranstaltungswesen, Kompetenz Bund - LänderVeranstaltungspolizei, Berücksichtigungsprinzip, Artenschutz,Übergangsbestimmung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:V17.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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