TE Vfgh Erkenntnis 2006/2/28 B1281/05

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Veröffentlicht am 28.02.2006
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Index

44 Zivildienst
44/01 Zivildienst

Norm

B-VG Art9a Abs3
VfGG §88
VfGG §17a
ZivildienstG §1 Abs1, §28 Abs1, §72

Leitsatz

Verfassungswidrige Interpretation des Begriffes "angemessen" im Zivildienstgesetz bei Feststellung des Zivildienern zustehenden Verpflegsentgelts unter Hinweis auf die Vorjudikatur; Kostenzuspruch, jedoch kein Zuspruch der Eingabengebühr

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem gemäß Art9a B-VG iVm §1 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.160,-

bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer leistete vom 1.10.2001 bis 30.9.2002 seinen ordentlichen Zivildienst beim Wiener Roten Kreuz (Krankentransportdienst). Während dieser Zeit wurde ihm vom Rechtsträger ein tägliches Verpflegsentgelt in Höhe von € 6,-

ausbezahlt.

2. Am 20.8.2002 stellte der nunmehrige Beschwerdeführer an die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. den Antrag auf Gewährung einer Aushilfe gemäß §28a Abs2 Zivildienstgesetz 1986. Begründend führte er aus, dass er vom Rechtsträger Rotes Kreuz ein Verpflegsentgelt in Höhe von € 6,- täglich erhalte; unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 16.588/2002 habe er jedoch - sofern keine Verpflegung in Form von Naturalleistungen erfolge - einen Anspruch auf tägliches Verpflegsentgelt in Höhe von € 13,6 bzw. zumindest € 11,26. Der Beschwerdeführer beantragte daher, ihm € 1.672,68 (Differenz zwischen tatsächlich ausbezahltem Verpflegsentgelt und € 11,26 täglich) auszubezahlen.

Mit Bescheid der Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. vom 20.6.2003 wurde der Antrag auf Gewährung einer Aushilfe gemäß §28a Abs2 Zivildienstgesetz 1986 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht Berufung an den (damaligen) Bundesminister für Inneres.

Mit Bescheid vom 19.12.2003 behob der Bundesminister für Inneres gemäß §66 Abs2 AVG den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. zurück. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit der konkreten Verpflegungssituation des Beschwerdeführers im Zuge eines Ermittlungsverfahrens unterlassen habe.

3. Mit Bescheid der Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. vom 8.7.2004 wurde festgestellt, dass "die Höhe des zumindest angemessenen täglichen Verpflegsgeldes gemäß §28 Zivildienstgesetz" für Oktober 2001 bis Dezember 2001 € 5,14 zuzüglich 20 % (€ 6,17) und für Jänner 2002 bis September 2002 € 5,24 zuzüglich 20 % (€ 6,29) beträgt.

Gegen diesen Bescheid erhob der nunmehrige Beschwerdeführer neuerlich Berufung an den Bundesminister für Inneres, in der er den Antrag stellte, der Bescheid der Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. möge dahingehend abgeändert werden, dass "die Höhe des ihm gebührenden zumindest angemessenen täglichen Verpflegsgeldes für den Zeitraum Oktober 2001 bis Dezember 2001 mit € 11,30 und für den Zeitraum von Jänner 2002 bis September 2002 mit € 13,60 festgestellt wird".

Mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 2.8.2005 wurde die Berufung gegen den Bescheid der Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. gemäß §66 Abs4 AVG abgewiesen, "da der beantragte Betrag von 11,30 € für den Zeitraum von Oktober 2001 bis Dezember 2001 und 13,60 € für den Zeitraum von Jänner 2002 bis September 2002 als tägliches Verpflegsentgelt mehr als die angemessene Verpflegung im Sinne des §28 Absatz 1 des Zivildienstgesetzes 1986 (...) darstellt".

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die (kostenpflichtige) Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

5. Die Bundesministerin für Inneres hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

II. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Artikel 9a Abs3 und 4 B-VG idF BGBl. I Nr. 106/2005 lautet:

"(3) Jeder männliche Staatsbürger ist wehrpflichtig. Staatsbürgerinnen können freiwillig Dienst im Bundesheer als Soldatinnen leisten und haben das Recht, diesen Dienst zu beenden.

(4) Wer die Erfüllung der Wehrpflicht aus Gewissensgründen verweigert und hievon befreit wird, hat die Pflicht, einen Ersatzdienst (Zivildienst) zu leisten."

2. Die §§1 Abs1, 25, 25a, 28 und 28a des Bundesgesetzes über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 - ZDG), BGBl. Nr. 679/1986, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 71/2003 und die Kundmachung BGBl. I Nr. 121/2004 idF der ZDG-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 106/2005, (im Folgenden: ZDG) lauten:

"§1. (Verfassungsbestimmung) (1) Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 2001 - WG 2001, BGBl. I Nr. 146, die zum Wehrdienst tauglich befunden wurden, können erklären (Zivildiensterklärung),

1. die Wehrpflicht nicht erfüllen zu können, weil sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen Menschen anzuwenden, und daher bei Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot geraten würden und

2. deshalb Zivildienst leisten zu wollen."

"§25. (1) Der Zivildienstleistende hat Anspruch auf:

1.

Pauschalvergütung (Grundvergütung und Zuschläge) - (§§25a bis 30),

2.

Reisekostenvergütung (§31),

3.

Kranken- und Unfallversicherung (§33),

4.

Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe (§34),

5.

Entschädigung und Fortzahlung der Dienstbezüge (§34b).

(1a) Der Zivildienstleistende hat Anspruch auf Verpflegung (§28 Abs1).

(2) Der Zivildienstleistende hat in folgenden besonderen Fällen Anspruch auf Naturalleistungen:

1.

Unterbringung (§27 Abs1),

2.

(Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 28/2000),

3.

Bekleidung und

4.

Reinigung der Bekleidung.

Soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, sind Geldleistungen an den Zivildienstleistenden nur insoweit zulässig, als es sich um den nachträglichen Ersatz nachweislich aufgewendeter Kosten handelt.

(3) Die Vergütungen nach Abs1 Z1 und 2 vermindern sich nach Maßgabe der §§27 bis 31, soweit der Bund oder der Rechtsträger der Einrichtung für die in Abs2 angeführten Leistungen oder die Beförderung des Zivildienstleistenden sorgt.

(4) Keine Ansprüche bestehen für Zeiten, die in den Zivildienst nicht eingerechnet werden (§15).

(5) Die Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896, regelt, inwieweit Ansprüche nach diesem Bundesgesetz pfändbar sind."

"§25a. (1) Dem Zivildienstleistenden gebührt eine Pauschalvergütung (Grundvergütung und Zuschlag).

(2) Die Höhe der monatlichen Pauschalvergütung (Grundvergütung und Zuschlag) bestimmt sich nach dem Gehalt einschließlich allfälliger Teuerungszulagen eines Beamten der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2, des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, und beträgt

1.

für die Grundvergütung bei ordentlichem oder außerordentlichem Zivildienst 12,87 vH und

2.

für den Zuschlag zur Grundvergütung bei Einsätzen nach §8a Abs6 und §21 7,05 vH dieses Gehaltsansatzes.

(3) Erstreckt sich der Anspruch nach Abs2 nur auf Bruchteile eines Monats, so steht er dem Zivildienstleistenden für jeden Kalendertag mit je einem Dreißigstel dieser Bruchteile zu. Das gilt jedoch nicht, wenn der Zivildienst bis längstens zum 5. des Monats angetreten wird, für die zwischen dem ersten und dem fünften liegenden Tage. In diesem Fall gebührt der Anspruch auch für diese Tage."

"§28. (1) Die Rechtsträger der Einrichtungen haben dafür Sorge zu tragen, dass die Zivildienstleistenden angemessen verpflegt werden, sie die für die Leistung des Zivildienstes erforderliche Ausbildung, Bekleidung samt deren Reinigung erhalten, die Beiträge für Kranken- und Unfallversicherung im Umfang der nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, vorgesehenen Leistungen entrichtet werden und ihnen die Pauschalvergütung gemäß §25a geleistet wird.

(2) Die Rechtsträger der Einrichtungen haben dem Bund eine monatliche Vergütung von 150 Euro je Zivildienstleistendem zu leisten.

(3) Rechtsträger von Einrichtungen, die Dienstleistungen im Rettungswesen, in der Katastrophenhilfe, in der Sozial- und Behindertenhilfe, in der Altenbetreuung, in der Krankenbetreuung, in der Betreuung von Drogenabhängigen, Vertriebenen, Asylwerbern und Flüchtlingen sowie von Menschen in Schubhaft erbringen, sind von der Vergütungsleistung nach Abs2 ausgenommen, es sei denn, es handelt sich um eine Einrichtung einer Gebietskörperschaft oder eines Rechtsträgers, den eine Gebietskörperschaft durch finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen beherrscht. Als solche Beherrschung gilt nicht, wenn der Rechtsträger die Dienstleistung - ohne sonst an die Gebietskörperschaft gebunden zu sein - für diese auf Grund eines Vertrages erbringt.

(4) Der Bund hat den nach Abs3 begünstigten Rechtsträgern ein Zivildienstgeld auszuzahlen. Dieses beträgt je Zivildienstleistendem und Monat für Dienst

1.

im Rettungswesen und in der Katastrophenhilfe 500 Euro und

2.

in der Sozial- und Behindertenhilfe, in der Altenbetreuung, in der Krankenbetreuung, in der Betreuung von Drogenabhängigen, von Vertriebenen, Asylwerbern und Flüchtlingen sowie von Menschen in Schubhaft 310 Euro.

(5) Wird der Zivildienst nur während Bruchteilen eines Monats geleistet, so gebührt für jeden Kalendertag ein Dreißigstel der in Abs2 und 4 genannten Beträge. Keine Verpflichtungen bestehen für Zeiten, die in den Zivildienst nicht eingerechnet werden. Vom Bund gemäß Abs4 geleistete Beträge sind entsprechend zurückzuzahlen."

"§28a. (1) Auf Antrag eines Rechtsträgers hat der Landeshauptmann über die Zugehörigkeit einer Einrichtung zu einem der in §28 Abs2 bis 4 genannten Gebiete mit Bescheid zu erkennen. Bei der Anerkennung neuer Einrichtungen ist hierüber im Anerkennungsbescheid (§4 Abs1) abzusprechen.

(2) Auf Grund eines gemäß §55 Abs5 festgestellten Verstoßes eines Rechtsträgers gegen seine Verpflichtung nach §28 Abs1 ist der Bund ermächtigt, betroffenen Zivildienstleistenden eine Aushilfe bis zur Höhe der Pauschalvergütung zu gewähren. Ansprüche von Zivildienstleistenden gegenüber dem Rechtsträger gehen in derselben Höhe auf den Bund über."

3. Vor der durch das ZDÄG, BGBl. I Nr. 28/2000, bewirkten Rechtsänderung hatte der Rechtsträger der Einrichtung, bei der der Zivildienstleistende seinen Dienst versah, gemäß §28 Abs2 ZDG aF durch einen Küchenbetrieb, durch Abschluss eines Vertrages mit einem Dritten oder durch Bereitstellung von Lebensmitteln für die Verpflegung zu sorgen. Nähere Vorschriften dazu enthielt die Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Vorsorge für die Verpflegung von Zivildienstleistenden und Abfindung bei Dienstverhinderung durch Krankheit (Verpflegungsverordnung - Vpf-V), BGBl. Nr. 288/1994 idF BGBl. II Nr. 25/2000.

Die §§1 bis 3 dieser Verordnung lauteten:

"Arten der Verpflegung

§1. (1) Der Rechtsträger der Einrichtung kann seiner Verpflichtung zur Verpflegung des Zivildienstleistenden (§28 Abs2 und 3 ZDG) nachkommen durch:

1.

Verköstigung in einem eigenen Küchenbetrieb,

2.

Abschluß von Verträgen mit einem in unmittelbarer Umgebung des Dienstortes gelegenen Gastgewerbebetrieb (Anlage 1),

3.

Abschluß von Verträgen mit örtlichen Lebensmitteleinzelhändlern (Anlage 1) und

4.

Bereitstellung von Lebensmitteln für Zivildienstleistende.

(2) Der Rechtsträger der Einrichtung soll nach Möglichkeit sicherstellen, daß der Zivildienstleistende täglich zumindest eine warme Mahlzeit einnehmen kann.

Vertrag mit einem Dritten und Verpflegsmarken

§2. (1) Kommt der Rechtsträger der Einrichtung seiner Verpflegungsverpflichtung auch nur teilweise durch Abschluß von Verträgen mit Dritten nach, so hat er den Zivildienstleistenden mit Verpflegsmarken auszustatten, die von einem Vertagspartner (Anm.: richtig: Vertragspartner) an Zahlungs Statt angenommen werden.

(2) Die Verpflegsmarken sind dem Zivildienstleistenden erstmalig am Tag des Dienstantritts und in der Folge am Ersten jeden Monats im voraus oder, wenn dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fällt, am vorhergehenden Werktag auszufolgen. Dem Zivildienstleistenden müssen für jeden Tag drei Verpflegsmarken (Frühstück, Mittagessen, Abendessen) unterschiedlichen Werts (Abs3) zur Verfügung stehen.

(3) Sofern die Verpflegung des Zivildienstleistenden zur Gänze durch Vertragsabschluß sichergestellt wird, sind dem Zivildienstleistenden täglich Verpflegsmarken im Wert von mindestens 155 S, sonst

1. für das Frühstück Marken im Wert von mindestens 35 S 2. für das Mittagessen Marken im Wert von mindestens

75 S 3. für das Abendessen Marken im Wert von mindestens 45 S auszufolgen. Abweichungen von den in Z1 bis 3 normierten Beträgen sind zulässig, wenn durch sie der Gesamtbetrag im Durchrechnungszeitraum eines Monates unverändert bleibt.

(4) Die Verpflegsmarken können vom Rechtsträger der Einrichtung anhand des in Anlage 2 abgebildeten Musters gestaltet werden. Der jeweilige Wert ist auf der Verpflegsmarke ersichtlich zu machen.

(5) Hat der Rechtsträger der Einrichtung bereits ein Gutscheinsystem eingerichtet, kann er dieses auch auf Zivildienstleistende anwenden.

(6) Stellt der Rechtsträger der Einrichtung dem Zivildienstleistenden nur bestimmte Mahlzeiten selbst zur Verfügung, so hat er die diesen Mahlzeiten entsprechenden Verpflegsmarken einzubehalten.

Bereitstellung von Lebensmitteln

§3. (1) Der Rechtsträger der Einrichtung kann seiner Verpflegungsverpflichtung auch dadurch entsprechen, daß er dem Zivildienstleistenden selbst ausreichend Lebensmittel zur Verfügung stellt.

(2) Die Bereitstellung von Lebensmitteln kann auch durch Dritte erfolgen. Diesfalls gibt der Rechtsträger an den Zivildienstleistenden monatlich im vorhinein Warengutscheine aus, die von Unternehmen im Rahmen eigener Gutscheinsysteme verwendet und an Zahlungs Statt angenommen werden. Der Gesamtwert ist dabei so zu bemessen, daß dem Zivildienstleistenden täglich 155 S zur Verfügung stehen.

(3) Die Bereitstellung von Lebensmitteln durch Dritte kann auch derart erfolgen, daß der Zivildienstleistende während eines bestimmten Zeitraums (Woche, Monat) für seine Verpflegung aus eigenem aufkommt und dem Rechtsträger am Ende dieses Zeitraums seine Ausgaben durch mit Zahlungsbestätigung versehene Belege und eine Abrechnung bescheinigt. Der Rechtsträger hat dem Zivildienstleistenden den durch Belege bescheinigten Abrechnungsendbetrag bis zu einem Wert zu vergüten, der 155 S täglich entspricht."

4. Die §§14 und 15 des Heeresgebührengesetzes 2001, BGBl. I Nr. 31/2001 idgF (im Folgenden: HGG 2001) lauten:

"Verpflegung

§14. (1) Anspruchsberechtigten gebührt unentgeltliche Verpflegung. Nimmt ein Anspruchsberechtigter mit Zustimmung der zuständigen militärischen Dienststelle an der Verpflegung nicht teil, so gebührt ihm an deren Stelle ein Tageskostgeld. Die Zustimmung ist aus besonders rücksichtswürdigen persönlichen Interessen des Anspruchsberechtigten zu erteilen, soweit Interessen des militärischen Dienstbetriebes nicht entgegenstehen. Die Höhe des Tageskostgeldes ist vom Bundesminister für Landesverteidigung entsprechend den für die Verpflegung der Anspruchsberechtigten anfallenden durchschnittlichen Kosten durch Verordnung festzulegen.

(2) Anspruchsberechtigten gebühren bei außergewöhnlicher körperlicher Beanspruchung Verpflegszuschläge. Sofern es die Rücksicht auf den Gesundheitszustand der Truppe erfordert, gebühren den Anspruchsberechtigten für die notwendige Dauer Sanitätszuschläge an Lebensmitteln.

(3) Personen außerhalb einer Wehrdienstleistung, die eine Tätigkeit als Organ des Bundes in Vollziehung militärischer Angelegenheiten nach dem 5. und 6. Abschnitt des 2. Hauptstückes des Wehrgesetzes 2001 ausüben, dürfen an der den Anspruchsberechtigten verabreichten Verpflegung unentgeltlich teilnehmen.

(4) Personen, die sich einer verwaltungsbehördlichen Prüfung ihrer Eignung zum Wehrdienst unterziehen, haben Anspruch auf unentgeltliche Verpflegung. Dieser Anspruch umfasst auch das Abendessen unmittelbar vor dem ersten und das Frühstück nach dem letzten Tag dieser Prüfung, sofern die An- oder Rückreise an diesen Tagen nicht zumutbar ist. Ist diesen Personen die Teilnahme an der Verpflegung aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar, so gebührt ihnen als Aufwandsersatz für ihre Verpflegung das Vierfache des Tageskostgeldes.

Verlassen des Garnisonsortes

§15. (1) Verlassen Anspruchsberechtigte befehlsgemäß den Garnisonsort, so gebührt ihnen, sofern während des Aufenthaltes außerhalb des Garnisonsortes die Zuweisung einer Unterkunft nicht möglich ist, der Ersatz des tatsächlichen, unvermeidbaren Aufwandes für eine in Anspruch genommene Unterkunft. Dieser Aufwandsersatz für die Unterkunft darf

1.

bei einem Anspruchsberechtigten, der nicht Offizier ist, das Ausmaß der Nächtigungsgebühr der Gebührenstufe 1 und

2.

bei einem Offizier das Ausmaß der Nächtigungsgebühr für gleichrangige Militärpersonen, jeweils nach der Reisegebührenvorschrift 1955, nicht überschreiten. §13 Abs7 der Reisegebührenvorschrift 1955 über die Gewährung eines Zuschusses zur Nächtigungsgebühr ist anzuwenden.

(2) Verlassen Anspruchsberechtigte befehlsgemäß den Garnisonsort, so gebührt ihnen, sofern die Teilnahme an der Verpflegung nicht möglich ist, als Aufwandsersatz für ihre Verpflegung das Vierfache des Tageskostgeldes. Dieser Aufwandsersatz erhöht sich um den Wert allfällig gebührender Verpflegs- und Sanitätszuschläge.

(3) Die Ansprüche nach den Abs1 und 2 entfallen für die Dauer einer Entsendung zu Übungen und Ausbildungsmaßnahmen nach §1 Z1 litd und Z2 KSE-BVG.

(4) Verlassen Anspruchsberechtigte befehlsgemäß den Garnisonsort, so gebührt ihnen, sofern ein Transportmittel nicht kostenlos zur Verfügung gestellt wird, eine Vergütung der Reisekosten in jener Höhe, die bei Benützung der Eisenbahn nach §7 Abs5 der Reisegebührenvorschrift 1955 anfallen würde und dabei keinen ungerechtfertigten Aufwand verursacht."

5. Die Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung über das Tageskostgeld, BGBl. II Nr. 126/2002, lautet:

"Auf Grund des §14 Abs1 des Heeresgebührengesetzes 2001, BGBl. I Nr. 31, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2001 wird verordnet:

§1. Das Tageskostgeld beträgt 3,4 €.

§2. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. April 2002 in Kraft.

(2) Mit Ablauf des 31. März 2002 tritt die Verordnung über das Tageskostgeld, BGBl. II Nr. 387/2001, außer Kraft."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit dem bekämpften Bescheid der Bundesministerin für Inneres wurde die Berufung gegen den Bescheid der Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H., - mit dem festgestellt wurde dass "die Höhe des zumindest angemessenen täglichen Verpflegsgeldes gemäß §28 Zivildienstgesetz" für Oktober 2001 bis Dezember 2001 € 5,14 zuzüglich 20 % (€ 6,17) und für Jänner 2002 bis September 2002 € 5,24 zuzüglich 20 % (€ 6,29) beträgt - abgewiesen, "da der beantragte Betrag von 11,30 € für den Zeitraum von Oktober 2001 bis Dezember 2001 und 13,60 € für den Zeitraum von Jänner 2002 bis September 2002 als tägliches Verpflegsentgelt mehr als die angemessene Verpflegung im Sinne des §28 Absatz 1 des Zivildienstgesetzes 1986 (...) darstellt".

2. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerde ist daher die Frage zu erörtern, ob die durch die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. festgestellte und in weiterer Folge durch die Bundesministerin für Inneres bestätigte Höhe des täglichen Verpflegsentgelts für die Zeit der Leistung des ordentlichen Zivildienstes als ausreichende Geldleistung für eine angemessene Verpflegung (des nunmehrigen Beschwerdeführers) iSd §28 Abs1 ZDG anzusehen ist.

3. In seinem Erkenntnis vom 15.10.2005, B360/05, B425/05, hat sich der Verfassungsgerichtshof eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, welche Anknüpfungspunkte für die konkrete Ermittlung jenes Geldbetrages heranzuziehen sind, der - anstelle einer Naturalverpflegung - für eine "angemessene" Verpflegung von Zivildienstleistenden als erforderlich anzusehen ist. Wörtlich führte er Folgendes aus:

"(...) Unter Bedachtnahme auf die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 16.389/2001, 16.588/2002, 16.985/2003 sowie VfGH 15.10.2004, G36/04, V20/04, ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass eine verfassungskonforme Interpretation des Begriffs 'angemessen' in §28 Abs1 ZDG dahingehend geboten ist, dass die verfassungsrechtlich verankerte Möglichkeit, bei Vorliegen näher umschriebener Gewissensgründe einen Wehrersatzdienst zu leisten, dadurch weder faktisch vereitelt noch (erheblich) erschwert wird.

Als Anknüpfungspunkt für die konkrete Ermittlung jenes Geldbetrages, der - anstelle einer Naturalverpflegung - für eine 'angemessene' Verpflegung von Zivildienstleistenden als erforderlich anzusehen ist, liegt insbesondere mit Blick auf die Ausführungen im Erkenntnis vom 15.10.2004, G36/04, V20/04, die (jeweils) geltende Regelung für Anspruchsberechtigte nach den §§14 und 15 HGG 2001, nahe.

(...) Gemäß §15 Abs2 erster Satz HGG 2001 iVm §1 der Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung über das Tageskostgeld, BGBl. II Nr. 126/2002, gebührt Soldaten, die Präsenz- oder Ausbildungsdienst leisten und befehlsgemäß den Garnisonsort verlassen, als Aufwandsersatz für ihre Verpflegung das Vierfache des Tageskostgeldes, sofern die Teilnahme an der Verpflegung nicht möglich ist.

Da das Tageskostgeld gemäß §1 der genannten Verordnung € 3,4 beträgt, ergibt sich als Höhe des gemäß §15 Abs2 erster Satz HGG 2001 gebührenden Aufwandsersatzes ein Betrag von € 13,6.

Diesen Betrag erachtet der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber offenbar als angemessen, wenn sich Soldaten, die Präsenz- oder Ausbildungsdienst leisten, außerhalb des Garnisonsortes selbst zu verpflegen haben.

Wenn die belangte Behörde jedoch meint, diese Regelung sei nicht auf die Verhältnisse während des ordentlichen Zivildienstes 'übertragbar', ist ihr zu entgegnen, dass als vorrangige Anknüpfungspunkte zur Ermittlung jenes Geldbetrages, der als Äquivalent für eine nicht in Naturalien erfolgte Verpflegung von Zivildienstleistenden als 'angemessen' anzusehen ist, solche Regelungen heranzuziehen sind, die - vom Zweck der in Rede stehenden Bestimmung betrachtet - einen zumindest vergleichbaren Sachverhalt regeln; dies trifft auf die zitierte Regelung des HGG 2001 zu.

Dass Abschläge von den genannten Bezugsgrößen zulässig sein können, wenn Zivildienstleistende ihren Dienst - anders als Soldaten, die befehlsgemäß den Garnisonsort verlassen - an einem gleich bleibenden Einsatzort verrichten, liegt auf der Hand.

(...) Wie bereits im Erkenntnis VfSlg. 16.389/2001 ausgeführt wurde, könnte darüber hinaus auch der Wert der in der Verpflegungsverordnung des Bundesministers für Inneres, BGBl. Nr. 288/1994 idF BGBl. II Nr. 25/2000, (vor Inkrafttreten des ZDÄG, BGBl. I Nr. 28/2000) vorgesehenen Verpflegsmarken eine Bezugsgröße darstellen, zumal der in der Verordnung festgelegte Betrag - bis zur Neuregelung der Verpflegung - als für einen Zivildienstleistenden erforderlich erachtet wurde, der sich während seines Dienstes aufgrund fehlender Verpflegung in Form von Naturalien selbst zu versorgen hatte.

Insoweit die Bundesministerin für Inneres auf andere Regelungen, wie beispielsweise Art9 Z2 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde oder §292 Abs3 ASVG verweist, genügt der Hinweis, dass die ins Treffen geführten Bestimmungen in einem anderen rechtlichen Zusammenhang stehen als der in §28 Abs1 ZDG grundgelegte Anspruch von Zivildienstleistenden auf angemessene Verpflegung während der Zeit der Leistung ihres ordentlichen Zivildienstes und daher von Vornherein nicht geeignet sind, eine Aussage über deren angemessene Verpflegung zu machen. So hat etwa der auf das Nettoeinkommen eines Pensionsberechtigten hinzuzurechnende 'Verpflegsanteil' von dem für die 'volle freie Station' geltenden Betrag von derzeit € 225,8 iHv € 180,64 nicht die Funktion, einen 'realen' Sachbezug zu gewähren, sondern stellt lediglich eine Rechenmethode des für pensionsrechtliche Ansprüche zu ermittelnden Nettoeinkommens dar (s. §292 ASVG).

(...) Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass es - sei es im Zuge der Erlassung einer generellen Regelung oder in Ermangelung einer Norm im Einzelfall - einen durch das verfassungsrechtliche Gebot, dass der Zivildienst weder faktisch vereitelt noch (erheblich) erschwert werden darf, begrenzten Gestaltungsspielraum bei der Festlegung und Beurteilung der angemessenen Verpflegung von Zivildienstleistenden gibt. Dieser Spielraum ist schon durch die unterschiedlichen Situationen der jeweiligen Zivildienstleistenden, wie etwa Dienstort, Wohnort oder die Art der Dienstleistung bedingt.

Jedenfalls aber muss den Zivildienstleistenden eine Geldleistung für ihre (tägliche) Verpflegung iS eines Mindestbetrages gewährleistet sein, der sich - wie bereits dargestellt wurde - an einschlägigen Regelungen im Bereich des Zivil- und Wehrdienstes, insbesondere an der Bestimmung des §15 Abs2 erster Satz HGG 2001 iVm §1 der Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung über das Tageskostgeld, BGBl. II Nr. 126/2002, zu orientieren hat.

Der zu ermittelnde Betrag müsste - bei einer Durchschnittsbetrachtung - auch geeignet sein zu ermöglichen, dass sich Zivildienstleistende regelmäßig bei Lebensmitteleinzelhändlern oder Gastgewerbebetrieben verpflegen können."

4. Der Verfassungsgerichtshof sieht keinen Anlass, von seiner Auffassung abzugehen, wonach eine angemessene Verpflegung iSd §28 Abs1 ZDG durch einen Betrag in der Höhe von (täglich) ungefähr € 6 nicht gewährleistet ist.

Es kann im vorliegenden Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob die Bundesministerin für Inneres dem vom Beschwerdeführer (der Höhe nach) konkret formulierten Berufungsbegehren stattgeben hätte müssen. Jedenfalls unterschreitet die Höhe des dem Beschwerdeführer während der Zeit der Leistung seines ordentlichen Zivildienstes täglich zur Verfügung stehenden Betrages von (ungefähr) € 6 die vergleichsweise heranzuziehenden Beträge (vgl. dazu VfGH 15.10.2005, B360/05, B425/05) deutlich.

Wenn nun die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - entgegen dem unter Punkt III.3. Gesagten - zu dem Ergebnis gelangt, dass eine angemessene Verpflegung iSd §28 Abs1 ZDG durch die Beträge in der Höhe von (täglich) € 6,17 im Zeitraum Oktober 2001 bis Dezember 2001 und € 6,29 im Zeitraum Jänner 2002 bis September 2002 gewährleistet war, hat sie dem Begriff "angemessen" in §28 Abs1 ZDG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, wodurch der Beschwerdeführer in seinem gemäß Art9a B-VG iVm §1 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde.

5. Der Bescheid war daher aufzuheben.

IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-

enthalten. Der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 180,- war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit des Verfahrens (§72 ZDG) nicht zuzusprechen (vgl. auch VfSlg. 15.898/2000, 16.072/2001, VfGH 16.10.2004, B690/04).

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Zivildienst, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B1281.2005

Dokumentnummer

JFT_09939772_05B01281_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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