TE Vfgh Erkenntnis 1980/10/24 B150/79

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Veröffentlicht am 24.10.1980
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Index

26 Gewerblicher Rechtsschutz
26/03 Patentrecht

Norm

B-VG Art20 Abs2
B-VG Art88
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
PatentanwaltsG §1 Abs1
PatentanwaltsG §49 ff

Leitsatz

Patentanwaltsgesetz; denkunmögliche Anwendung des §1 Abs1; Verletzung des Rechtes auf Erwerbsausübungsfreiheit

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Der Beschwerdeführer beantragte am 14. September 1976 bei der österreichischen Patentanwaltskammer, ihn mit Wirkung vom 1. Jänner 1977 in die Liste der Patentanwälte einzutragen. Er stand damals und steht auch heute noch in einem Dienstverhältnis zur VÖEST-Alpine AG. Er ist dort als Angestellter in der Patentabteilung tätig.

Das erwähnte Eintragungsbegehren stellte er "unter der Voraussetzung, daß der Vorstand der Patentanwaltskammer sein bestehendes privates Dienstverhältnis bei der VÖEST-Alpine AG als mit der angestrebten Eintragung vereinbar ansieht".

Der Vorstand der österreichischen Patentanwaltskammer lehnte mit Bescheid vom 15. Oktober 1976 die Eintragung ab.

Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie gab mit Bescheid vom 2. Mai 1977 der dagegen erhobenen Berufung Folge, behob den angefochtenen Bescheid und führte aus, daß die Patentanwaltskammer unter Bedachtnahme auf §4 Abs1 des Patentanwaltsgesetzes, BGBl. 214/1967 (PAnwG), über das Eintragungsbegehren neuerlich zu entscheiden, jedoch vorher klarzustellen haben werde, ob der Antragsteller (der Beschwerdeführer dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens) bedingt oder unbedingt seine Eintragung in die Liste der Patentanwälte begehrt, da nur ein unbedingter Antrag zur Eintragung führen könne.

Dies wird im wesentlichen damit begründet, daß das vom Beschwerdeführer mit der VÖEST eingegangene Dienstverhältnis kein dauerndes Hindernis für die Eintragung in die Liste der Patentanwälte darstelle. Damit werde allerdings über die Frage, ob das Dienstverhältnis mit dem Beruf eines Patentanwaltes vereinbar sei, nicht abgesprochen. Allfällige disziplinäre Folgen, die sich aus der Eintragung in die Liste der Patentanwälte im Hinblick auf dieses Dienstverhältnis ergäben, habe die Patentanwaltskammer nicht zu beurteilen; für die Entscheidung, ob Grund für eine disziplinäre Behandlung vorliegt, sei der Disziplinarrat bzw. der Disziplinarsenat zuständig.

Der Beschwerdeführer wurde sodann mit Wirkung vom 23. Juni 1977 in die von der österreichischen Patentanwaltskammer geführte Liste der Patentanwälte eingetragen. Er erklärte anläßlich der Ablegung des Gelöbnisses, sein Angestelltenverhältnis zur VÖEST trotz seiner Eintragung als Patentanwalt aufrechtzuerhalten.

b) Daraufhin erstattete der Vorstand der österreichischen Patentanwaltskammer an den Disziplinarrat bei der österreichischen Patentanwaltskammer gegen den Beschwerdeführer eine Disziplinaranzeige.

Der Disziplinarrat hat mit Erk. vom 20. September 1978 den Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe dadurch, daß er trotz seiner Eintragung in die Liste der österreichischen Patentanwälte sein Angestelltenverhältnis in der Patentabteilung der VÖEST aufrechterhalten habe, die Pflichten des Berufes verletzt und innerhalb seines Berufes durch sein Verhalten die Ehre und das Ansehen des Patentanwaltsstandes beeinträchtigt. Über den Beschwerdeführer wurde die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt.

Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben.

Mit Erk. vom 26. Feber 1979 hat der Disziplinarsenat für Patentanwälte beim Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie (im folgenden kurz: Disziplinarsenat) aus Anlaß dieser Berufung das erstinstanzliche Erk., soweit es ausspricht, der Beschuldigte habe durch sein Verhalten die Ehre und das Ansehen des Patentanwaltsstandes beeinträchtigt, von Amts wegen als nichtig aufgehoben. Im übrigen wurde der Berufung nicht Folge gegeben.

2. Gegen dieses Erk. des Disziplinarsenates vom 26. Feber 1979 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Erwerbsausübungsfreiheit geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Der Disziplinarsenat hat eine Gegenschrift erstattet, in der er primär die Meinung vertritt, er sei keine Verwaltungsbehörde, sondern ein Gericht, sodaß die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen sei. In eventu begehrte er, der Beschwerde nicht Folge zu geben.

II. Der VfGH hat zu den Prozeßvoraussetzungen erwogen:

1. a) Die belangte Behörde begründet ihre Meinung, daß der Disziplinarsenat nicht eine kollegiale Verwaltungsbehörde nach Art133 Z4 B-VG, sondern ein Gericht sei, damit, daß die Mitglieder des Disziplinarsenates in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden (§52 PAnwG) und unabsetzbar seien; sie könnten nämlich nur aus den in §55 PAnwG angeführten Gründen ihres Amtes verlustig gehen; sie seien also mit den Garantien ausgestattet, die den fachmännischen Laienrichtern bei Ausübung der Kausalgerichtsbarkeit in Handelssachen zukomme (Hinweis auf VfSlg. 3696/1960).

Nur auf diese Umstände aber komme es bei der Beurteilung an, ob ein Staatsorgan Verwaltungsbehörde oder Gericht ist.

2. Dieses Vorbringen stimmt mit jenem überein, das bereits in der von der belangten Behörde im hg. Verfahren B580/78 erstatteten Gegenschrift enthalten war. Im Verfahren B580/78 erging das Erk. des VfGH am 7. Juni 1980, also erst nach dem Zeitpunkt, zu dem die Behörde im gegenständlichen Verfahren (B150/79) ihre Gegenschrift erstattet hatte. Das Vorbringen der belangten Behörde wurde im Erk. B580/78 vom 7. Juni 1980 beantwortet; es genügt daher, dem Einwand des Disziplinarsenates die zitierte Entscheidung entgegenzuhalten.

Der Disziplinarsenat für Patentanwälte ist kein Gericht, sondern eine Verwaltungsbehörde. Die angefochtene Entscheidung ist ein Bescheid iS des Art144 B-VG.

3. Die Prozeßvoraussetzung der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges ist - wie sich aus §52 PAnwG ergibt - erfüllt.

4. Alle Prozeßvoraussetzungen sind gegeben. Die Beschwerde ist zulässig.

III. In der Sache hat der VfGH erwogen:

1. a) Die Behauptung, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt worden zu sein, begründet der Beschwerdeführer damit, daß die Auffassung der belangten Behörde, ein freier Beruf und ein Angestelltenverhältnis seien nicht vereinbar, unrichtig sei. §1 Abs1 PAnwG normiere nicht, daß der Beruf eines Patentanwaltes nicht auch als Dienstnehmer ausgeübt werden dürfe. Wäre die Ansicht der belangten Behörde zutreffend, wäre er (der Beschwerdeführer) verhalten, sein Dienstverhältnis zur VÖEST zu lösen.

b) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes der Freiheit der Erwerbsausübung könnte - sofern der angefochtene Bescheid überhaupt in die Erwerbsfreiheit eingreift - bei der Unbedenklichkeit seiner Rechtsgrundlagen nur durch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung erfolgt sein (vgl. zB VfGH 7. 6. 1980 B580/78).

c) Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid im wesentlichen wie folgt begründet: In §1 Abs1 PAnwG sei der Beruf des Patentanwaltes ausdrücklich als freier Beruf bezeichnet, dessen Inhalt im §16 Abs1 umschrieben wird. Die dort bezeichnete Tätigkeit dürfe von einem in der Liste eingetragenen Patentanwalt nur in der Form eines freien Berufes ausgeübt werden. Es komme nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer die Vertretung eines seine Dienste als Patentanwalt in Anspruch nehmenden Klienten in angemessener Weise ohne Rücksicht auf sein Angestelltenverhältnis führen könnte oder welche Kollisionen hiebei denkbar seien; maßgeblich sei lediglich, daß der Beschwerdeführer nicht als Angestellter eines Unternehmens eine für den Patentanwalt typische Tätigkeit ausüben und zugleich in die Liste der Patentanwälte eingetragen sein dürfe. Wer in diese Liste eingetragen sei, dürfe eine solche typische Tätigkeit eben nur in der Form eines freien Berufes ausüben; tue er dies auf andere Weise, so verletze er die Pflichten seines Berufes (§45 Abs1 erster Halbsatz PAnwG).

d) Die Annahme der belangten Behörde über den normativen Inhalt des §1 Abs1 PAnwG ist denkunmöglich. Diese Vorschrift verfügt nämlich lediglich, daß der Beruf eines Patentanwaltes (als freier Beruf) nicht den Bestimmungen der Gewerbeordnung unterliegt und daß (anstelle einer gewerberechtlichen Anmeldung oder Konzession) Voraussetzung für die Berufsausübung die Eintragung in die Liste der Patentanwälte ist. Ein darüber hinausgehender Inhalt kann - entgegen der Meinung der belangten Behörde - dem §1 Abs1 PAnwG weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Sinn unterstellt werden. Vielmehr schließt der Begriff des freien Berufes nicht aus, daß die dafür typische Tätigkeit - sofern nicht ausdrücklich Gegenteiliges normiert ist - (daneben) auch im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt wird (vgl. zB §1a. und §§2 (5), 2j. ÄrzteG, BGBl. 92/1949 idgF, die dies ausdrücklich vorsehen).

Auf dieser denkunmöglichen Auslegung des §1 Abs1 PAnwG bauen die weiteren Überlegungen der belangten Behörde auf. Im Ergebnis sind sie daher gleichfalls unvertretbar.

e) Der Beschwerdeführer ist sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

Schlagworte

Kollegialbehörde, Patentanwälte, Disziplinarrecht (Patentanwälte), Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B150.1979

Dokumentnummer

JFT_10198976_79B00150_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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