TE Vfgh Erkenntnis 1981/3/11 B649/78

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Veröffentlicht am 11.03.1981
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Index

32 Steuerrecht
32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

StGG Art5
AVG §6
BAO §50 Abs1
GrEStG 1955 §20

Leitsatz

BAO; keine denkunmögliche und keine willkürliche Anwendung des §50 Abs1 dieses Gesetzes iVm §18 Grunderwerbsteuergesetz 1955

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Beschwerdeführerin erwarb mit Übergabsvertrag vom 16. September bzw. 11. Oktober 1977 einen Anteil des im Amtsbereich des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz gelegenen Grundstückes EZ 256, KG St. S. Dieser Erwerbsvorgang wurde am 14. Oktober 1977 dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz angezeigt. Dieses erachtete sich als örtlich unzuständig und übergab die Anzeige am 28. Oktober 1977 der Post zur Übermittlung an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz, das den gegenständlichen Erwerbsvorgang mit Bescheid vom 20. Dezember 1977 der Grunderwerbsteuer unterwarf.

Nachdem bereits am 19. Dezember 1977 die dem Erwerbsvorgang zugrundeliegende Vereinbarung einvernehmlich aufgelöst worden war, stellte die Beschwerdeführerin beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz den Antrag, die Grunderwerbsteuer gemäß §20 Abs1 Z1 GrEStG nicht zu erheben, da der Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren seit Entstehen der Steuerschuld durch Vereinbarung rückgängig gemacht worden sei. Da das Finanzamt über diesen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten nach seinem Einlangen entschieden hatte, ging auf schriftliches Verlangen der Beschwerdeführerin gemäß §311 Abs2 BAO die Zuständigkeit zur Entscheidung an die belangte Behörde als örtlich zuständige Abgabenbehörde zweiter Instanz über.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Nichterhebung der Grunderwerbsteuer mit der Begründung abgewiesen, daß die Beschwerdeführerin ihrer Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht rechtzeitig nachgekommen sei. Gemäß §18 GrEStG seien Erwerbsvorgänge binnen zwei Wochen nach ihrer Verwirklichung dem Finanzamt anzuzeigen. Nach §4 des Bundesgesetzes über den Aufbau der Abgabenverwaltung des Bundes, BGBl. 18/1975 (AVOG), in Verbindung mit §7 AVOG und §64 Abs1 BAO hätte der gegenständliche Erwerbsvorgang innerhalb der genannten Frist dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz angezeigt werden müssen. Die Anzeige sei jedoch bei einem zu ihrer Entgegennahme unzuständigen Finanzamt eingebracht worden und von diesem in Befolgung des §20 Abs1 BAO (gemeint offenbar: §50 Abs1 BAO) auf Gefahr des Einschreiters an das örtlich zuständige Finanzamt weitergeleitet worden. Die Anzeigefrist sei am 25. Oktober 1977 abgelaufen, die Anzeige jedoch vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz erst am 28. Oktober 1977 zur Post gegeben worden und beim örtlich zuständigen Finanzamt am 31. Oktober 1977 und somit erst nach Ablauf der Anzeigefrist eingelangt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.1.a) Gemäß §20 Abs1 Z1 GrEStG ist die Grunderwerbsteuer auf Antrag ua. dann nicht festzusetzen, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von 2 Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung rückgängig gemacht wird. Ist die Steuer bereits festgesetzt, so ist gemäß §20 Abs4 leg. cit. auf Antrag die Festsetzung entsprechend abzuändern. Dies gilt nur, wenn beim rückgängig gemachten Erwerbsvorgang die Steuerschuldner ihrer Offenlegungs- und Wahrheitspflicht rechtzeitig nachgekommen sind (§20 Abs6 GrEStG).

Erwerbsvorgänge, die der Grunderwerbsteuer unterliegen, sind gemäß §18 GrEStG binnen zwei Wochen nach ihrer Verwirklichung dem Finanzamt unter Verwendung des amtlichen Vordruckes einer Abgabenerklärung anzuzeigen.

b) Nach §64 Abs1 BAO ist für die Erhebung der Grunderwerbsteuer das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bereich das Grundstück (der wertvollste Teil des Grundstücks) gelegen ist. Gemäß §7 Abs1 AVOG obliegt die Erhebung der Grunderwerbsteuer für den gesamten örtlichen Wirkungsbereich der Finanzlandesdirektion für Stmk. dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz. Nur bei diesem, nicht aber auch bei einem anderen der in §7 AVOG genannten sechs Finanzämter für Gebühren und Verkehrsteuern kann daher nach §18 GrEStG eine Abgabenerklärung, die eine in der Stmk. gelegene Liegenschaft betrifft, rechtswirksam eingereicht werden (vgl. VwGH 27. 3. 1980 Z 212/79).

Nach §3 Abs2 AVOG können Abgabenerklärungen gemäß §18 GrEStG außer bei dem zur Erhebung zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern auch bei Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis innerhalb des Amtsbereiches des zuständigen Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern eingebracht werden. Dies gilt nicht für Finanzämter, die in einer Gemeinde ihren Sitz haben, in der sich ein Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern befindet.

c) Die Abgabenbehörden haben nach §50 Abs1 BAO ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Langen bei ihnen Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, so haben sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

2. Der gegenständliche Erwerbsvorgang bezieht sich auf ein Grundstück in der KG St. S. in der Stmk., betrifft somit eine Liegenschaft, die im Amtsbereich des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz gelegen ist. Da die Abgabenerklärung beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz eingebracht wurde, das nach den wiedergegebenen Zuständigkeitsregeln (II.1.b) zur Entgegennahme der Abgabenerklärung nicht zuständig ist, war dieses Finanzamt dazu verhalten, gemäß §50 Abs1 BAO seine Unzuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen und die Abgabenerklärung an das zuständige Finanzamt weiterzuleiten.

3. Die Beschwerde rügt ausschließlich, daß der Antrag auf Abänderung der Festsetzung der Grunderwerbsteuer von der belangten Behörde mit der Begründung abgewiesen wurde, die Beschwerdeführerin sei infolge des verspäteten Einlangens der Abgabenerklärung beim zuständigen Finanzamt ihrer Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht rechtzeitig nachgekommen. Während die Einbringung der Abgabenerklärung beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz binnen zwei Wochen nach der Verwirklichung des Erwerbsvorganges erfolgt sei, sei die Weiterleitung erst nach Ablauf der Frist erfolgt. Unter diesen Umständen entspräche es einer denkunmöglichen Auslegung des Gesetzes, dennoch die Tatsache der ordnungsmäßigen Anzeige des Übergabsvertrages zu verneinen. §50 BAO mache vielmehr deutlich, daß der Abgabenpflichtige auf die Einhaltung der der Abgabenbehörde auferlegten Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung vertrauen kann, mit anderen Worten, durch diese Bestimmung dem Abgabepflichtigen eine Erleichterung seiner Anzeigepflicht eingeräumt sei. Tatsächlich habe das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz zunächst die Anzeige keineswegs als nicht ordnungsmäßig behandelt. Infolge der denkunmöglichen Gesetzesauslegung sei die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

4. a) Das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde - und daher auch durch die Abweisung eines Antrages auf Abänderung einer Abgabenfestsetzung - nur dann verletzt, wenn dieser sich entweder auf eine verfassungswidrige Rechtsgrundlage stützt, wenn er gesetzlos ergangen ist oder die Rechtsvorschrift denkunmöglich angewendet wurde.

b) Gegen die angewendeten Rechtsgrundlagen wurden verfassungsrechtliche Bedenken nicht vorgetragen und sind solche auch beim VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden.

c) Die belangte Behörde hat die Rechtsvorschriften aber auch nicht denkunmöglich angewendet:

Sie ist davon ausgegangen, daß die Abgabenerklärung betreffend den Übergabsvertrag vom 16. September bzw. 11. Oktober 1977 erst nach Ablauf der zweiwöchigen Frist des §18 GrEStG bei einer zur Entgegennahme einer Erklärung nach §18 GrEStG zuständigen Abgabenbehörde eingebracht worden sei. Dieser Auffassung liegt die Überlegung zugrunde, daß die Weiterleitung der Abgabenerklärung, die innerhalb der gesetzlichen Frist bei einer örtlich unzuständigen Abgabenbehörde eingebracht worden ist, ausschließlich zu Lasten des Einschreiters, der sich mit dem Anbringen an die unzuständige Behörde gewendet hat, gehe. Der Einschreiter habe die damit verbundenen Nachteile zu tragen, wenngleich der unzuständigen Behörde die Pflicht zur Weiterleitung des Anbringens bzw. zur Verweisung an die zuständige Stelle auferlegt sei. Dies gelte insbesondere auch für fristgebundene Anbringen.

Diese Interpretation des §50 Abs1 BAO ist keinesfalls denkunmöglich. Sie entspricht vielmehr durchaus einer auch im Schrifttum (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Wien 1980, 130 f.; Mannlicher - Quell,

Das Verwaltungsverfahren, 8. Auflage, I. Hbd., Wien 1975, 159, zum ähnlich lautenden §6 AVG) vertretenen Interpretation. Die belangte Behörde befindet sich mit ihrer Auffassung auch im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH (VwGH 27. 3. 1980 Z 212/79 und die dort zitierten Vorerk.; vgl. auch VwGH 27. 5. 1932 A 884/31, 17. 5. 1977 Z 836/77, zu §6 AVG). Das Verfahren hat keinen Hinweis darauf ergeben, daß die belangte Behörde in Verfolgung dieser Rechtsansicht Rechtsvorschriften denkunmöglich angewendet hätte.

d) Die Beschwerdeführerin ist demnach in den von ihr geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechten nicht verletzt worden.

5. Daß sich die Behörde willkürlich verhalten - und dadurch das Gleichheitsrecht verletzt - hätte oder andere verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verletzt worden wären, ist weder behauptet worden noch hervorgekommen. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen (vgl. Pkt. 4.b) ist die Beschwerdeführerin aber auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden. Ob die Entscheidung der Behörde richtig ist, wird der VwGH zu prüfen haben.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Finanzverfahren, Zuständigkeit Finanzverfahren, Grunderwerbsteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B649.1978

Dokumentnummer

JFT_10189689_78B00649_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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