TE Vfgh Erkenntnis 1981/11/30 A8/80

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Veröffentlicht am 30.11.1981
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Index

30 Finanzverfassung, Finanzausgleich
30/02 Finanzausgleich

Norm

B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
FAG 1973 §8
FAG 1973 §9
FAG 1973 §10
VfGG §41
VfGG §88

Leitsatz

Art137 B-VG; Klage einer Gemeinde gegen den Bund wegen Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben; keine Passivlegitimation des Bundes

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Gemeinde Waidhofen an der Thaya-Land erhebt Klage gemäß Art137 B-VG gegen die "Republik Österreich" "wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Finanzausgleich in Höhe von S 240.000,-" zuzüglich Verzugszinsen.

Zur Höhe des Begehrens sowie zur Begründung des Anspruches führt die klagende Partei wörtlich dasselbe aus, wie in ihrer einen gleichen Anspruch betreffenden Klage gegen das Land NÖ (A7/80).

2. Die beklagte Partei erstattete eine Gegenschrift. Sie beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Klage.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Das Begehren betrifft einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen die Republik Österreich (richtig: den Bund), dessen Wurzel im öffentlichen Recht, uzw. im Finanz-Verfassungsgesetz und im Finanzausgleichsgesetz liegt. Der Anspruch ist nicht im ordentlichen Rechtswege auszutragen, weil weder ein Gesetz die ordentlichen Gerichte ausdrücklich zur Entscheidung darüber beruft noch sich deren Zuständigkeit aus §1 JN herleiten läßt. Der Anspruch ist aber auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, weil keine gesetzliche Bestimmung besteht, die in solchen Fällen eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung beruft. Die Klage ist somit zulässig (vgl. VfSlg. 3076/1956, 5681/1968, 7001/1973, 7644/1975, 8578/1979).

2. Die beklagte Partei hat in der Gegenschrift eingewendet, daß entweder ihr die Passivlegitimation oder der klagenden Partei die Aktivlegitimation fehle. Dieser Einwand ist kein prozessualer, sondern ein meritorischer, die Hauptsache betreffender (Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 1927, S 401; Wolff, Grundriß des österr. Zivilprozeßrechts, 1947, S 119 und 124; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, II, 1962, S 127 f. und 137; s. auch VfSlg. 7001/1973).

a) Mit der Klage wird ein Rechtsanspruch auf Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für das Jahr 1978 geltend gemacht. Dieser Anspruch hat seine Wurzel im Finanzausgleichsgesetz 1973 - FAG 1973, BGBl. 445/1972, mit dem, wie schon im Titel des Gesetzes und in §21 zum Ausdruck gebracht ist, der Finanzausgleich für die Jahre 1973 bis 1978 geregelt wird. Das FAG 1979, auf das sich die klagende Partei stützt, ist erst am 1. Jänner 1979 in Kraft getreten und regelt den Finanzausgleich für die Jahre 1979 bis 1984. In den die Regelung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels betreffenden Teilen, auf deren behauptete Verfassungswidrigkeit die Klage allein gestützt ist, stimmen allerdings die beiden Gesetze überein.

Die Teilung der Erträge der gemeinschaftlichen Bundesabgaben, bei denen die Anwendung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels in Betracht kommt, wird in drei Phasen vorgenommen: Zunächst werden die Ertragsanteile des Bundes, der Gesamtheit der Länder und der Gesamtheit der Gemeinden nach den Grundsätzen des §8 Abs1 FAG 1973 ermittelt; in dieser Phase spielen besondere Verteilungsschlüssel keine Rolle. Sodann werden nach §8 Abs2 die Gesamtertragsanteile der Länder auf diese und die Gesamtertragsanteile der Gemeinden auf die Gesamtheit der Gemeinden jedes Landes aufgeteilt, wobei die Bestimmung des §9 über den für die Ertragsanteile Wiens als Land und Gemeinde geltenden sogenannten "Plafond" und die Bestimmungen des §10 Abs1 über die Ermittlung der länderweisen Ertragsanteile der Gemeinden zu berücksichtigen sind; in dieser Phase hat der abgestufte Bevölkerungsschlüssel neben anderen Schlüsseln einen Anwendungsbereich. Letztlich werden gemäß §10 Abs2 die nach den vorstehenden Bestimmungen länderweise auf die Gemeinden entfallenden Ertragsanteile durch die Länder auf alle Gemeinden des Landes nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel verteilt.

Bis zu der in der 3. Phase vorzunehmenden Einzelverteilung stellen zwar die Gemeinden eines Landes in ihrer Gesamtheit eine für die - vom Bund vorzunehmende - rechenmäßige Teilung der Ertragsanteile maßgebliche Größe dar; der Bund stellt den Ländern den von ihm errechneten Betrag, der für die Gesamtheit der Gemeinden jedes Landes bestimmt ist, zur Verfügung. Bis dahin hat keine Gemeinde einen vermögensrechtlichen Anspruch auf bestimmte Ertragsanteile. Dies kommt im Gesetz auch darin zum Ausdruck, daß aus dem gemäß §8 Abs1 auf die Gemeinden entfallenden Hundertsatz-Anteil auch der Anteil entnommen wird, der gemäß §10 Abs1 für die Gewährung von Bedarfszuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmt ist und dieser Anteil vom Gesetz als "zweckgebundene Landesmittel" bezeichnet wird (in der Praxis wird dieser Anteil herkömmlicherweise in Anlehnung an die Regelung im früheren österreichischen Recht "Gemeindeausgleichsfonds" genannt).

Ein vermögensrechtlicher Anspruch der einzelnen Gemeinden entsteht erst in der Phase der den Ländern obliegenden Verteilung der Ertragsanteile auf die einzelnen Gemeinden. Damit wird den Gemeinden ein Rechtsanspruch gegenüber dem Land eingeräumt (vgl. VfSlg. 7644/1975, S 130 f.). Bei Realisierung dieses Rechtsanspruches auf Überweisung der den einzelnen Gemeinden gebührenden Ertragsanteile können die Gemeinden gegenüber dem Land auch behauptete Rechtswidrigkeiten geltend machen, die ihre Grundlage in den dem Bund obliegenden Teilungsvorgängen der beiden vorangegangenen Phasen haben.

b) Eine Klage wie die vorliegende wäre daher richtigerweise nicht gegen den Bund, sondern gegen das in Betracht kommende Land zu erheben. Tatsächlich hat die klagende Partei auch im Verfahren zu A7/80 eine gleiche Klage gegen das Land NÖ erhoben.

Die gegen den Bund erhobene Klage war daher abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §41 VerfGG 1953 idF BGBl. 18/1958. Nach dieser Bestimmung kann im Verfahren nach Art137 B-VG dem unterliegenden Teil der Ersatz der Prozeßkosten auferlegt werden. Der VfGH hat in seinem Erk. VfSlg. 7182/1973 zu der die Prozeßkosten betreffenden Bestimmung des §122 Patentgesetz 1970, BGBl. 259/1970, ausgeführt, es lasse sich aus den vergleichbare Verfahren regelnden Rechtsvorschriften - wie §41 Abs1 ZPO, §74 Abs1 EO, §111 Abs2 Berggesetz, BGBl. 73/1954, und §123 Abs2 Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. 215 - als Grundsatz erkennen, daß in einem streitigen Verfahren über Parteienansprüche die unterliegende Partei der obsiegenden Partei die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen hat. Dieser Grundsatz ist nach Meinung des VfGH auch Inhalt (ebenso wie des §88 VerfGG 1953; vgl. VfSlg. 7380/1974) des §41 VerfGG 1953.

In einem Fall wie dem vorliegenden war es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, im Verfahren vor dem VfGH (§2 Abs2 Prokuraturgesetz, StGBl. 172/1945, §24 Abs3 VerfGG 1953) die Finanzprokuratur mit der Vertretung des Bundes zu betrauen.

Schlagworte

VfGH / Klagen, VfGH / Kosten, Finanzverfassung, Finanzausgleich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:A8.1980

Dokumentnummer

JFT_10188870_80A00008_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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