TE Vfgh Erkenntnis 2006/6/6 G130/05, V93/05

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Veröffentlicht am 06.06.2006
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs4
BSVG §33 Abs1
Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern §26 Abs4

Leitsatz

Keine Unsachlichkeit einer Verordnungsermächtigung des BSVG zur Erlassung abweichender Regelungen über die Fälligkeit und Vorschreibung der Beiträge zur Unfallversicherung in der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern; keine Verfassungswidrigkeit auf Grund der bloßen Möglichkeit einer verfassungswidrigen Gebrauchnahme von der Verordnungsermächtigung; Zurückweisung des abstrakten Normenkontrollantrags hinsichtlich der betreffenden Satzungsbestimmung mangels Geltung infolge (Neu-)Erlassung der Satzung 2004

Spruch

Der Gesetzesprüfungsantrag wird abgewiesen.

Der Verordnungsprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Burgenländische Landesregierung stellt auf Grund ihres Beschlusses vom 11. Oktober 2005 die Anträge,

-

gemäß Art140 Abs1 B-VG "den dritten Satz des §33 Abs1 des Bundesgesetzes vom 11. Oktober 1978 über die Sozialversicherung der in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen (Bauern-Sozialversicherungsgesetz - BSVG), BGBl. Nr. 559/1978, in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 142/2002, als verfassungswidrig aufzuheben" (zu G130/05 protokolliert), sowie

-

gemäß 139 Abs1 B-VG "die Wortfolge 'im Monat April vorzuschreiben und' des §26 Abs4 der Satzung der SVB, zuletzt geändert am 1.1.2004, als gesetzwidrig aufzuheben" (zu V93/05 protokolliert).

              2.              Die angefochtenen Bestimmungen stehen in folgendem rechtlichen Zusammenhang (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

2.1. Gemäß §2 Abs1 BSVG sind in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert:

"1. Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird. Dabei wird vermutet, daß Grundstücke, die als forstwirtschaftliches Vermögen nach dem Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148, bewertet sind oder Teil einer als solches bewerteten wirtschaftlichen Einheit sind, in der einem forstwirtschaftlichen Betrieb entsprechenden Weise auf Rechnung und Gefahr der dazu im eigenen Namen Berechtigten bewirtschaftet werden. Der Gegenbeweis ist für Zeiten, die länger als einen Monat von der Meldung (§16) des der Vermutung widersprechenden Sachverhaltes zurückliegen, unzulässig. Die Pflichtversicherung erstreckt sich nach Maßgabe der Anlage 2 auch auf

a) land(forst)wirtschaftliche Nebengewerbe gemäß §2 Abs1 Z2 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194,

b) den Buschenschank gemäß §2 Abs1 Z5 GewO 1994 und

c) Tätigkeiten gemäß §2 Abs1 Z7 bis 9 GewO 1994, die nach ihrer wirtschaftlichen Zweckbestimmung in einem sachlichen Naheverhältnis zum land(forst)wirtschaftlichen Betrieb erfolgen, soweit diese neben einer die Pflichtversicherung begründenden Betriebsführung ausgeübt werden;

2. die Kinder, Enkel, Wahl- und Stiefkinder sowie die Schwiegerkinder einer in Z1 genannten Person, alle diese, wenn sie hauptberuflich in diesem Betrieb beschäftigt sind;

3. der im land(forst)wirtschaftlichen Betrieb seines Ehegatten hauptberuflich beschäftigte Ehegatte, sofern keine Betriebsführung auf gemeinsame Rechnung und Gefahr der Ehegatten vorliegt und er nicht auf Grund dieser Beschäftigung nach §4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes pflichtversichert ist;

4. die (der) nach erfolgter Übergabe im land(forst)wirtschaftlichen Betrieb des Betriebsführers verbleibenden (verbleibende) Eltern(teil), Großeltern(teil), Wahl-, Stief- und Schwiegereltern(teil), wenn sie (er) hauptberuflich in diesem Betrieb beschäftigt sind (ist) und nicht bereits auf Grund dieser oder einer anderen Tätigkeit der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz unterliegen (unterliegt).

(2) Die Pflichtversicherung besteht für die im Abs1 Z1 genannten Personen nur, wenn der nach dem Bewertungsgesetz 1955 festgestellte Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes den Betrag von 1 500 Euro erreicht oder übersteigt. Handelt es sich jedoch um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, dessen Einheitswert den Betrag von 1 500 Euro nicht erreicht oder für den von den Finanzbehörden ein Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Vermögens gemäß den §§29 bis 50 BewG 1955 nicht festgestellt wird, so besteht die Pflichtversicherung für die betreffenden Personen, vorausgesetzt, dass sie aus dem Ertrag des Betriebes überwiegend ihren Lebensunterhalt bestreiten. §23 Abs3 und 5 ist entsprechend anzuwenden. Für die Pflichtversicherung der in den §§2a und 2b angeführten Ehegatten ist jeweils der gesamte Einheitswert des Betriebes maßgeblich. ..."

Gemäß §3 Abs1 Z1 BSVG sind "die im §2 Abs1 Z1 bezeichneten Personen" in der Unfallversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes pflichtversichert.

§3 Abs2 BSVG bestimmt:

"(2) Die Pflichtversicherung gemäß Abs1 besteht nur, wenn es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb handelt, dessen zuletzt im Sinne des §25 des Bewertungsgesetzes festgestellter Einheitswert den Betrag von 150 Euro erreicht oder übersteigt oder für den ein Einheitswert aus anderen als den Gründen des §25 Z1 des Bewertungsgesetzes nicht festgestellt wird. Handelt es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, dessen Einheitswert den Betrag von 150 Euro nicht erreicht, so besteht die Pflichtversicherung für die betreffenden Personen, vorausgesetzt, daß sie aus dem Ertrag des Betriebes überwiegend ihren Lebensunterhalt bestreiten. ..."

§30 BSVG regelt die Beiträge zur Unfallversicherung. §33 BSVG idF BGBl. I Nr. 142/2002 bestimmt unter der Überschrift "Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge":

"(1) Die Beiträge der gemäß §2 Abs1 Z1 und §3 Abs1 Z1 Pflichtversicherten und die Beiträge für die gemäß §2 Abs1 Z2 bis 4 Pflichtversicherten sind vierteljährlich im nachhinein vorzuschreiben (Vorschreibezeitraum). Sie sind mit dem Ablauf des Monates fällig, das dem Ende des Vorschreibezeitraumes folgt. Durch die Satzung des Versicherungsträgers kann auch eine halbjährliche oder jährliche Vorschreibung der Beiträge für die gemäß §3 Abs1 Z1 Pflichtversicherten vorgesehen werden, wenn dies der Verwaltungsvereinfachung dient und mit den wirtschaftlichen Interessen der Versicherten vereinbar ist. Werden Beiträge auf Grund einer nachträglichen Feststellung der Einkünfte des Versicherten durch die Finanzbehörden (§23 Abs4) vorgeschrieben, sind sie mit Ablauf des Monates fällig, das der Vorschreibung folgt. Beiträge für Einnahmen auf Grund von betrieblichen Tätigkeiten nach §2 Abs1 Z1 letzter Satz sind am Ende des Kalendermonates, in dem die Vorschreibung erfolgt, fällig. Die Vorschreibung der Beiträge hat spätestens mit der dritten Quartalsvorschreibung in dem dem jeweiligen Beitragsjahr folgenden Jahr zu erfolgen.

(2) - (4) ..."

2.2. Mit der 7. Änderung der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (im Folgenden: "Satzung"), mit amtlicher Verlautbarung Nr. 3/2004 am 9. Jänner 2004 im Internet (www.avsv.at) kundgemacht, erhielt §26 der Satzung folgende Fassung:

"Vorschreibung, Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge

für nur unfallversicherte Personen

§26. (1) Für gemäß §3 Abs1 Z1 BSVG-Versicherte, die nicht gleichzeitig der Pflichtversicherung in der Kranken- bzw. Pensionsversicherung nach dem BSVG unterliegen, werden die Beiträge einmal jährlich vorgeschrieben. Das Gleiche gilt für die gemäß §7 Z3 litc ASVG und §8 Abs1 Z3 lite, g und j ASVG teilversicherten Personen.

(2) Die Beiträge für Personen, deren land/forstwirtschaftliche Tätigkeit in der Ausübung der sich aus einer Jagd- oder Fischereipachtung ergebenden Berechtigung besteht, sind im Monat Oktober vorzuschreiben und mit Ablauf des Vorschreibemonats fällig. Sie sind zum Fälligkeitstermin zur Gänze vom Versicherten (Betriebsinhaber) zu entrichten.

(3) Hinsichtlich der Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge für die gemäß §7 Z3 litc ASVG und §8 Abs1 Z3 lite, g und j ASVG teilversicherten Personen gelten die Bestimmungen des Abs2 mit der Maßgabe, dass die Beiträge

a) für die gemäß §7 Z3 litc ASVG teilversicherten Personen von diesen selbst,

b) für die gemäß §8 Abs1 Z3 lite ASVG

teilversicherten Personen von der Anstalt,

c) für die gemäß §8 Abs1 Z3 litg ASVG

teilversicherten Personen von der zuständigen Landes-Landwirtschaftskammer bzw. Berufsvereinigung und

d) für die gemäß §8 Abs1 Z3 litj ASVG versicherten Personen vom Bund (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft)

zu entrichten sind.

(4) Die Beiträge für nicht durch Absatz 2 und 3 erfasste Versicherte, die nicht gleichzeitig der Pflichtversicherung in der Kranken- bzw. Pensionsversicherung nach dem BSVG unterliegen, sind im Monat April vorzuschreiben und mit dem Ablauf des Vorschreibemonats fällig."

Diese Bestimmung trat am 1. Jänner 2004 in Kraft (§40 der Satzung idF der 7. Änderung).

Mit Beschluss der Generalversammlung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 25. Juni 2004, durch Bescheid der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 9. August 2004 genehmigt und mit amtlicher Verlautbarung Nr. 118/2004 am 15. Dezember 2004 im Internet (www.avsv.at) kundgemacht, wurde die "Satzung 2004" erlassen.

§28 der Satzung 2004 bestimmt (nahezu ident mit §26 der Satzung):

"Vorschreibung, Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge

für nur unfallversicherte Personen

§28. (1) Für gemäß §3 Abs1 Z1 BSVG Versicherte, die nicht gleichzeitig der Pflichtversicherung in der Kranken- bzw. Pensionsversicherung nach dem BSVG unterliegen, werden die Beiträge einmal jährlich vorgeschrieben. Das Gleiche gilt für die gemäß §7 Z3 litc ASVG und §8 Abs1 Z3 lite, g und j ASVG teilversicherten Personen.

(2) Die Beiträge für Personen, deren land/forstwirtschaftliche Tätigkeit in der Ausübung der sich aus einer Jagd- oder Fischereipachtung ergebenden Berechtigung besteht, sind im Monat Oktober vorzuschreiben und mit Ablauf des Vorschreibemonats fällig. Sie sind zum Fälligkeitstermin zur Gänze vom Versicherten (Betriebsinhaber) zu entrichten.

(3) Hinsichtlich der Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge für die gemäß §7 Z3 litc ASVG und §8 Abs1 Z3 lite, g und j ASVG teilversicherten Personen gelten die Bestimmungen des Abs2 mit der Maßgabe, dass die Beiträge

-

für die gemäß §7 Z3 litc ASVG teilversicherten Personen von diesen selbst,

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für die gemäß §8 Abs1 Z3 lite ASVG

teilversicherten Personen von der Anstalt,

-

für die gemäß §8 Abs1 Z3 litg ASVG

teilversicherten Personen von der zuständigen Landes-Landwirtschaftskammer bzw. Berufsvereinigung und

-

für die gemäß §8 Abs1 Z3 litj ASVG versicherten Personen vom Bund (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft)

zu entrichten sind.

(4) Die Beiträge für nicht durch Absatz 2 und 3 erfasste Versicherte, die nicht gleichzeitig der Pflichtversicherung in der Kranken- bzw. Pensionsversicherung nach dem BSVG unterliegen, sind im Monat April vorzuschreiben und mit dem Ablauf des Vorschreibemonats fällig."

§35 der Satzung 2004 bestimmt über ihren Wirksamkeitsbeginn:

"§35. (1) Diese Satzung tritt am 1. Jänner 2004 in Kraft. Gleichzeitig wird die bisher geltende Satzung, kundgemacht in der Fachzeitschrift 'Soziale Sicherheit' bzw. im Internet unter www.avsv.at

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Jahrgang 1996, Amtliche Verlautbarung 51/1996

(Stammfassung)

in den Fassungen der Änderungen

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Jahrgang 1997, Amtliche Verlautbarung 77/1997

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Jahrgang 1998, Amtliche Verlautbarung 107/1998

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Jahrgang 1999, Amtliche Verlautbarung 66/1999

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Jahrgang 2001, Amtliche Verlautbarung 91/2001

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Jahrgang 2001, Amtliche Verlautbarung 184/2001

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avsv Nr. 4/2002

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avsv Nr. 8/2002

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avsv Nr. 3/2004

aufgehoben.

(2) Die aufgehobene Satzung ist jedoch auf Sachverhalte, die vor ihrer Aufhebung verwirklicht wurden, weiterhin anzuwenden."

II. 1. Die Burgenländische Landesregierung hegt ob der Verfassungsmäßigkeit des §33 Abs1 dritter Satz BSVG das Bedenken, dass die in dieser Bestimmung für den Satzungsgeber enthaltenen Determinanten widersprüchlich seien:

"Eine Verwaltungsvereinfachung wird durch eine Reduzierung der Beitragseinhebung von vierteljährlich auf zwei- oder einmal jährlich im Sinne einer Kosten- und Personaleinsparung wohl erreicht; diese Maßnahme der Verwaltungsvereinfachung muss jedoch gleichzeitig (arg. 'und') mit den wirtschaftlichen Interessen des Versicherungsnehmers vereinbar sein. Für den Versicherten stellt das Einheben seines Beitrags auf zwei- oder einmal statt vierteljährlich eine Änderung seiner finanziellen Belastung dar, da sich für diesen zwar nicht die Beitragshöhe, jedoch die Fälligkeit des Beitrags verschiebt und er auf einmal liquide Mittel aufwenden muss, die er im Fall der vierteljährlichen Einhebung nicht zum selben Zeitpunkt in dieser Höhe aufwenden müsste, sondern über das gesamte Jahr verteilt. Der Jahresbeitrag für nur unfallversicherte Personen beträgt für das Jahr 2004 133,08 Euro, das heißt pro Quartal theoretisch 33,27 Euro. Auf Grund dieser Satzungsänderung ist eine Änderung in so weit eingetreten, dass ein Viertel des Gesamtbetrages (Euro 33,27) 'im Nachhinein' und drei Viertel des Unfallversicherungsbeitrages (Euro 99,81) 'im Vorhinein' zu entrichten sind. Somit ist ein Beitrag von 99,81 Euro im Vorhinein zu entrichten."

In der privaten Versicherungswirtschaft, zB im Falle der KFZ-Haftpflichtversicherung, habe der Versicherungsnehmer die Wahl, ob er seine Prämie jährlich, halbjährlich, vierteljährlich oder monatlich einbezahle. Wähle er zB eine jährliche Zahlungsweise, so werde ihm dafür ein 10%-iger Rabatt gewährt. Dieses System entspreche genau dem Verhältnis Verwaltungsvereinfachung - Vereinbarkeit mit den wirtschaftlichen Interessen des Versicherungsnehmers. Im System des BSVG sei eine derartige Regelung, welche einen Interessensausgleich herstellen würde, aber nicht vorgesehen; abgesehen davon bestehe für den Versicherungsnehmer keine Wahlmöglichkeit.

Als Grundrechtsverstöße kämen eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts und des Gleichheitssatzes in Betracht. Weiter führt die Burgenländische Landesregierung aus:

"Durch die Bestimmung in §26 der Satzung ist der Beitrag nun jährlich - statt wie bisher vierteljährlich - abzuführen. Im Hinblick darauf, dass der Versicherte nun auf einmal liquide Mittel aufwenden muss, die er im Fall der vierteljährlichen Einhebung nicht zum selben Zeitpunkt in dieser Höhe aufwenden müsste, sondern über das gesamte Jahr verteilt, ist dieser zweifellos in seiner Dispositionsfreiheit über sein Eigentum beschränkt und ein Eingriff zu bejahen."

Dieser Eingriff könnte unverhältnismäßig sein, er differenziere aber jedenfalls unsachlich:

"[Es] wird eine bestimmte Gruppe von Versicherten, die 'Nur-Unfallversicherten', gegenüber der Allgemeinheit differenziert behandelt. Diese Gruppe trifft die jährliche Beitragszahlung auf einmal, während der Regelfall die vierteljährliche Einhebung darstellt.

§33 Abs1 BSVG ist daher verfassungswidrig."

Ferner trägt die Landesregierung Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "im Monat April vorzuschreiben und" in §26 Abs4 der Satzung der SVB vor, die im Kern darin bestehen, dass §33 Abs1 BSVG keine Ermächtigung enthalte, in der Satzung (Verordnung) eine Beitragsvorschreibung im Vorhinein vorzusehen. Die Landesregierung gelangt zu dem Schluss:

"Die Wortfolge 'im Monat April vorzuschreiben und' von §26 Abs4 der Satzung der SVB stellt daher eine Belastung der Betroffenen dar, die im Gesetz keine Deckung findet."

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, die angefochtene Bestimmung des BSVG nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern erstattete eine Äußerung, in der sie die angefochtenen Bestimmungen des BSVG und der Satzung verteidigt. Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen legte die auf die angefochtene Satzung Bezug habenden Akten vor und schloss sich den Äußerungen der Bundesregierung und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern an und beantragte, die angefochtene Satzungsbestimmung nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Anträge erwogen:

A. Zur Zulässigkeit:

1. Zum Antrag zu V93/05:

1.1. Gemäß Art139 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde auf Antrag einer Landesregierung.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die Satzungen der Sozialversicherungsträger als Verordnungen zu qualifizieren und können daher grundsätzlich Gegenstand eines Verordnungsprüfungsverfahrens iSd Art139 Abs1 B-VG sein (zB VfSlg. 14.593/1996, S. 117; zuletzt etwa VfGH 18. März 2005, V97/03). Der Antrag ist aber nicht zulässig:

1.1.1. Wie sich aus Art139 Abs4 B-VG ergibt, ist ein Antrag einer Landesregierung als Fall einer abstrakten Normenkontrolle nur gegen geltende, nicht aber gegen schon außer Kraft getretene Rechtsvorschriften zulässig (vgl. VfSlg. 14.053/1995, S. 260;

Aichlreiter, Art139 B-VG, in Rill/Schäffer [Hrsg], Kommentar Rz 12;

Mayer, B-VG3 [2002] Art139 B-VG I.3., III.3.).

1.2.1. Die Burgenländische Landesregierung umschreibt die Fassung, in der sie die Satzung zum Gegenstand eines abstrakten Normenkontrollverfahrens machen möchte, mit "§26 Abs4 der Satzung der SVB, zuletzt geändert am 1.1.2004".

a) Der Antrag ist - was den Gegenstand des Verordnungsprüfungsverfahrens betrifft - gerade noch hinreichend bestimmt. Die Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern wurde zwar nicht "am" 1. Jänner 2004 geändert, sondern am 9. Jänner 2004 (Tag der Kundmachung durch Freigabe der Abfrage im Internet); die damit gemeinte "zuletzt" erfolgte Änderung ist aber - und das scheint die antragstellende Landesregierung zu meinen - am 1. Jänner 2004 in Kraft getreten.

b) Am 1. Jänner 2004 in Kraft getreten ist jedoch auch die Neufassung der Satzung (ie. die Satzung 2004), kundgemacht durch Freigabe der Abfrage am 15. Dezember 2004 im Internet zu Nr. 118/2004, die eine zu der angefochtenen Wortfolge wortgleiche Regelung enthält, dies jedoch im §28.

1.2.2. Da im vorliegenden Antrag die angegriffene Bestimmung des §26 der Satzung aber im Wortlaut wiedergegeben ist, besteht kein Zweifel, dass sich die Anfechtung der antragstellenden Landesregierung auf §26 der Satzung in der Fassung der 7. Änderung, Verlautbarung Nr. 3/2004, kundgemacht durch Freigabe der Abfrage am 9. Jänner 2004 im Internet, bezieht.

1.2.3. Die angefochtene Satzungsbestimmung stand jedoch schon zum Zeitpunkt des Einlangens des vorliegenden Antrages nicht mehr in Geltung: Mit der (Neu-) Erlassung der Satzung 2004 durch die Verlautbarung Nr. 118/2004 vom 15. Dezember 2004 ist §26 der Satzung - rückwirkend mit 1. Jänner 2004 - gemäß §35 Abs1 der Satzung 2004 außer Kraft getreten (und durch den inhaltsgleichen §28 der Satzung 2004 ersetzt worden).

§35 Abs2 der Satzung 2004 ordnet zwar die weitere Anwendung der aufgehobenen Satzung auf vor ihrer Aufhebung verwirklichte Sachverhalte an; da die frühere Satzung aber durch §35 Abs1 der Satzung 2004 "gleichzeitig" mit deren Inkrafttreten zum 1. Jänner 2004 aufgehoben wurde, der angefochtene §26 aber durch die 7. Änderung der Satzung erst mit 1. Jänner 2004 in Kraft gesetzt wurde, bleibt für die angefochtene Norm auch unter Berücksichtigung des §35 Abs2 der Satzung 2004 kein zeitlicher Anwendungsbereich mehr.

Da die angefochtene Satzungsbestimmung demnach nicht mehr in Geltung steht, war der Antrag insoweit zurückzuweisen. Ob ein abstrakter Normenkontrollantrag zulässig wäre, wenn die in ihm angegriffene Bestimmung zwar aufgehoben ist, diese aber gleichzeitig durch eine Übergangsregelung für Sachverhalte aus einem bestimmten Zeitraum ausdrücklich aufrechterhalten wird, kann daher offen bleiben.

2. Soweit sich der Antrag zu G130/05 gegen den - unverändert in Geltung stehenden - dritten Satz des §33 Abs1 BSVG richtet, ist er hingegen zulässig.

B. In der Sache:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Grund eines Antrages eingeleiteten Normenprüfungsverfahren an die vom Antragsteller geltend gemachten Bedenken gebunden (zB VfSlg. 14.802/1997, S. 404, 16.929/2003, S. 1151).

2. Die antragstellende Landesregierung geht (wie auch die Bundesregierung) offenbar davon aus, dass die angefochtene Gesetzesbestimmung dem Sozialversicherungsträger nicht nur erlaubt, den Vorschreibezeitraum von vierteljährlich auf halb- oder ganzjährlich auszudehnen, sondern - in Abweichung von §33 Abs2 zweiter Satz leg. cit. - auch die Fälligkeit der Beiträge vor dem Ende des Vorschreibezeitraumes festzulegen.

2.1. Die gegen die Norm dieses Inhalts vorgetragenen Bedenken sind aber unschlüssig:

2.1.1. Die antragstellende Landesregierung meint, die Satzungsermächtigung sei widersprüchlich, weil die angestrebte Verwaltungsvereinfachung mit der Anforderung der Vereinbarkeit mit den wirtschaftlichen Interessen der Versicherten nicht in Einklang zu bringen sei. Dies leitet sie - ebenso wie alle weiteren Bedenken gegen das Gesetz - aber nur aus der in §26 der Satzung getroffenen Regelung ab. Sie legt nicht dar, dass das Gesetz nur eine Regelung zulasse, wie sie im konkreten Fall getroffen worden ist. Selbst wenn daher die Auffassung der antragstellenden Landesregierung zuträfe, dass §26 der Satzung entweder gesetzwidrig oder aber (überdies) in sich unsachlich wäre, kann aus der Begründung des vorliegenden Antrages nicht erkennbar abgeleitet werden, inwieweit dies der angefochtenen Gesetzesstelle anzulasten ist.

2.1.2. Der Umstand allein, dass eine Verordnungsermächtigung eine (behauptete) verfassungswidrige Gebrauchnahme nicht ausschließt, macht das Gesetz jedenfalls solange nicht verfassungswidrig, als auch eine verfassungskonforme Gebrauchnahme von der Verordnungsermächtigung möglich ist.

2.1.3. Der Gesetzgeber hat mit den Zielvorgaben der Verwaltungsvereinfachung einerseits und der Vereinbarkeit mit den wirtschaftlichen Interessen der Versicherten andererseits jedenfalls zwei Determinanten für die Zulässigkeit einer abweichenden Regelung in der Satzung herangezogen, die zweifellos nicht als unsachlich bezeichnet werden könnten.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag daher die Bedenken der antragstellenden Landesregierung ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Teile des §33 BSVG nicht nachzuvollziehen.

3. Soweit sich der Antrag der Burgenländischen Landesregierung zulässigerweise gegen §33 Abs1 dritter Satz BSVG richtet, war er daher als unbegründet abzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs1 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Sozialversicherung, Unfallversicherung, Satzung, Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen, Auslegung verfassungskonforme, VfGH / Prüfungsgegenstand, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, VfGH / Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:G130.2005

Dokumentnummer

JFT_09939394_05G00130_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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