TE Vfgh Erkenntnis 1983/10/1 B209/79

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Veröffentlicht am 01.10.1983
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6650 Landwirtschaftliches Siedlungswesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art12 Abs2
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
AgrBehG §5 Abs2 Z6
AVG §7 Abs1 Z4
Tir FlVLG 1978 §41 Abs4

Leitsatz

Art83 Abs2 B-VG; res iudicata; Beurteilung der Sachverhaltsänderung durch zuständige Behörde; kein Entzug des gesetzlichen Richters Tir. Flurverfassungslandesgesetz 1978; keine Bedenken gegen §42 Abs4 (Sonderteilung eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes); keine denkunmögliche oder willkürliche Gesetzesanwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz hat im Jahre 1960 ein zwischen den Mitgliedern der Agrargemeinschaft Hönigkaseralpe getroffenes Übereinkommen über die Aufrechterhaltung einer (im Wirtschaftsplan 1957 verfügten) Nutzungsteilung, nämlich die Zuweisung des Hochlegers "Tredlalpe" an den Inhaber der Stammsitzliegenschaft "Ascher" zur auschließlichen Nutzung, genehmigt.

Ein 1967 auf Antrag des Eigentümers der Stammsitzliegenschaft eingeleitetes Sonderteilungsverfahren hatte in erster Instanz Erfolg:

Die Behörde verfügte die Zuschreibung von Abfindungsgrundstücken zur Liegenschaft des Antragstellers, weil dieser sie seit der Nutzungsteilung ausschließlich genutzt, Verbesserungen auf der Tredlalpe vorgenommen und diese zu einem selbstständigen Alpkomplex entwickelt habe, während sich die wirtschaftlichen Bedürfnisse der anderen Anteilsberechtigten aus dem Restbestand decken ließen.

Über Berufung der Agrargemeinschaft wies der Landesagrarsenat den Teilungsantrag jedoch am 16. November 1971 mit folgender Begründung ab:

"Ob die pflegliche Behandlung und die zweckmäßige Bewirtschaftung der einzelnen Teile gefährdet wird oder nicht, ist eine Frage sachverständiger Natur. Der Landesalpinspektor hat das Vorliegen der Voraussetzung bejaht. Erverwies zur Stützung seiner Ansicht darauf, daß seit nunmehr über 20 Jahren die 'Hönigkaseralpe' in drei voneinander wirtschaftlich getrennten Alpkomplexen tadellos bewirtschaftet werden konnte.

Der Landesagrarsenat, dem sachverständige Mitglieder angehören, vermochte den Argumenten des Landesalpinspektors nicht zu folgen. Die Aufrechterhaltung des kleinen Alpbetriebes auf der 'Tredlalpe' hängt ausschließlich vom Arbeitskräfteverhältnis am Heimhof ab. Der Alpbetrieb kommt sofort zum Erliegen, wenn diese Arbeitskraftbedingungen nicht mehr gegeben sind.

Der Landesalpinspektor hat ... ausgeführt, daß ein Alpkomplex, der zur Alpung von rund 20 Stück Großvieh ausreicht, in der heutigen Zeit nicht mehr wirtschaftlich geführt werden könne. Infolge des Ablebens des Antragstellers besteht umso weniger die Garantie für einen auf die Dauer haltbaren selbständigen Alpbetrieb, weil für nicht absehbare Zeit die Selbstbewirtschaftung durch den Eigentümer der Stammsitzliegenschaft 'Ascher' nicht mehr erfolgen kann. Die Nutzung an der 'Tredlalpe' wird, wie sich aus dem Pachtvertrag vom 25. Oktober 1971 ergibt, in Hinkunft durch einen Pächter erfolgen.

Aus demselben Grund fehlt es an den Voraussetzungen nach §41 Abs4 litc TFLG. Nach dieser Gesetzesstelle muß die Teilung für die Stammsitzliegenschaft von dauerndem Vorteil gegenüber der Aufrechterhaltung der Gemeinschaft sein. Läßt sich nun aber nach Ablauf des Pachtvertrages ein Pächter nicht mehr finden, ist es für die Stammsitzliegenschaft vorteilhafter, wenn die Nutzung ihrer Anteile an der Agrargemeinschaft in Form einer gemeinschaftlichen Nutzung der gesamten 'Hönigkaseralpe' gewährleistet ist.

Ein dauernder Vorteil läßt sich daher bei der derzeitigen Art des pachtweisen Betriebes der Stammsitzliegenschaft und der 'Tredlalpe' in einer endgültigen Teilung nicht erblicken."

2. Am 2. September 1974 stellte die Bf. als Rechtsnachfolgerin ihres Ehegatten im Eigentum der Liegenschaft Ascher neuerlich einen Antrag auf Sonderteilung. Im Verfahren äußerte sich die Abteilung Alpinspektion der Tir. Landesregierung zur Frage, ob eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei, mit Gutachten vom Oktober 1977 positiv. Zusammenfassend stellt sie darin fest:

"1. Die Agrargemeinschaft Hönigkaser-Alpe hat durch die Errichtung eines neuen Gemeinschaftsstalles, der keinen Platz für das Vieh der Tredl-Alpe bietet, eine vollendete Tatsache geschaffen. Sie läßt somit keine Absicht zur Zurückführung der (Nutzungs-)Teilung zu einer wirklichen Gemeinschaft erkennen. Sie ist somit auch unmöglich oder doch von der Seite der Baukosten für einen zusätzlich notwendigen Alpstall für das Tredlvieh unwirtschaftlich und unrationell (1 großer Gemeinschaftsstall mit Güllesilo und Melkmaschine und zusätzlich ein Alpstall).

2. Das Ende des Fahrweges bei den Alpgebäuden der Hönigkaser-Alpe ohne jemals auch nur die Absicht zu zeigen, den Hochleger Tredl durch eine bessere Erschließung vor der zu befürchtenden Nichtbestoßung zu bewahren, zeigt in die gleiche Richtung.

3. Der Alpbetrieb auf der Tredl-Alpe ist von M Sch. bisher gut aufrechterhalten worden (über die Verpachtung), während die Agrargemeinschaft Hönigkaser diesen Alpteil bereits lange vor dem Jahre 1950 (deshalb kam es ja seinerzeit zur einvernehmlichen Nutzungsteilung) weitgehend verwahrlosen ließ. Das Ausmaß der Verwahrlosung und damit der geringen seinerzeitigen Wertschätzung erkennt man allein darin, daß für 5 Alpanteile eine Fläche von ca. 93 ha angerechnet wurde."

Die Agrargemeinschaft sprach sich jedoch gegen die Sonderteilung aus. Der Gemeinschaftsstall biete Platz für 84 Kühe, alle vier Leger seien durch einen Weg erschlossen, 1974 und 1975 sei das Vieh der verpachteten Tredlalpe vom Hirten der Agrargemeinschaft betreut worden, und die Rückführung der Tredlalpe in die gemeinsame Bewirtschaftung werde angestrebt.

Mit Bescheid vom 2. März 1978 wies das Amt der Landesregierung den neuerlichen Teilungsantrag mit folgender Begründung zurück:

"Für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sonderteilungsantrages war die Frage wesentlich, ob sich die Verhältnisse in der Bewirtschaftung seit 1971 völlig verändert haben. Dies deshalb, weil mit Erkenntnis vom 16. November 1971 ... der Landesagrarsenat bereits einem Sonderteilungsantrag für dieselbe Liegenschaft keine Folge gegeben hat. Hiezu ist nun festzuhalten, daß zugunsten der ausscheidungswilligen Liegenschaft bzw. der Tredlalpe keine gravierende Änderung der Verhältnisse eingetreten sind. Auch die Antragstellerin selbst kann sich nur auf die Nutzungsteilung berufen. Die Ausführungen im Gutachten der Abt. III d 4 sind alpswirtschaftlicher Natur, die im wesentlichen vom Landesagrarsenat aber anders beurteilt wurden."

Die Berufung der Bf. wies der Landesagrarsenat nach Durchführung eines Lokalaugenscheines durch sein sachverständiges Mitglied Dipl.-Ing. G aufgrund mündlicher Verhandlung als unbegründet ab. Entgegen dem Gutachten der Alpinspektion spräche die Errichtung eines (zur Aufnahme auch des Viehs der Teilungswerberin geeigneten) Gemeinschaftsgebäudes und die damit verbundenen wirtschaftlichen Überlegungen und Zielsetzungen der Gemeinschaft nicht für, sondern vielmehr gegen die Teilung; die Weganlage führe durch das Tredlalpgebiet, und das Almgebäude könne durch einen mit verhältnismäßig geringen Kosten durchführbaren Ausbau der letzten 250 m des Zugangsweges dem Netz angeschlossen werden, sodaß ein Hirte mit Fahrzeug auch das dort untergebrachte Vieh mit beaufsichtigen könne; die Fortdauer der gesonderten Bewirtschaftung sei erst recht keine Sachverhaltsänderung. Die selbstständige Bewirtschaftung hänge nach wie vor vom Arbeitskräfteverhältnis am Heimhof ab:

"Der Umstand, daß das Weidevieh auf der Tredlalpe nicht mehr durch einen ständig anwesenden Hirten mangels erforderlicher Arbeitskräfte vom Heimhof betreut werden kann, hat zur Folge, daß die Stammsitzliegenschaft Ascher nur mehr Galt- und Kleinvieh auf die Tredlalpe bringen kann, das Milchvieh, das einer ständigen Betreuung bedarf, muß auch während der Weidezeit am Heimhof verbleiben. Dieser Nachteil für die Stammsitzliegenschaft Ascher wird umso mehr sichtbar, wenn man bedenkt, daß der Teil Hönigkaser des Agrargemeinschaftsgebietes nach der örtlichen Lage und den Höhenverhältnissen als das geeignete Weidegebiet für die Haltung von Melkvieh und Kälbern ist und im übrigen auch für die Kühe der Liegenschaft Ascher ausreichend Weide bieten würde. Der Teil Tredlalpe und der weitere Teil, die Baumgartenalpe, hingegen sind von Natur aus wegen der größeren Höhenlage und der dadurch bedingten Vegetationsdecke gegenüber dem Teil Hönigkaser für die Haltung von Jungrindern geeignet. Die Betreuung der Jungrinder auf der Baumgartenalpe und der Tredlalpe kann durch einen Hirten gemeinsam erfolgen, weil die Tredlalpe an die Baumgartenalpe unmittelbar und großteils in derselben Höhenlage anschließt. Die Beweidung der Alpteile könnte dabei arbeitsökonomischer im Vergleich zur Einzelbewirtschaftung und nebenbei den wirtschaftlichen Erfordernissen der Liegenschaft Ascher, als ein Grünlandbetrieb mit Milch- und Zuchttierhaltung, besser entsprechend erfolgen. Bei den gegebenen inneren Verkehrsverhältnissen und den natürlichen Gegebenheiten (Jungrinder auf Tredl- und Baumgartenalpe und Milchvieh und Kälber auf dem Teil Hönigkaser) würde sich die Alpung für die Liegenschaft Ascher im Rahmen der Gemeinschaftsbewirtschaftung wesentlich kostengünstiger gestalten. Ein Beweis dafür, daß die Tredlalpe und Baumgartenalpe gemeinsam bewirtschaftet werden sollen und können, kann darin gesehen werden, daß das Vieh auf der Tredlalpe schon in den Jahren 1974 und 1975 während der Weidezeit von einem Hirten der Hönigkaseralpe mitbetreut wurde. Nach Angaben der Berufungswerberin wurde das Vieh auf der Tredlalpe im Sommer 1978 durch 5 Wochen von einem Feriengast und in der Folge vom Heimhof aus, indem jeden Tag Nachschau gehalten wurde, betreut. Durch den Wechsel in der Betreuung des Weideviehs und die Tatsache, daß nunmehr kein Milchvieh auf die Tredlalpe getrieben wird, ist die Richtigkeit der Schlußfolgerungen des Landesagrarsenates im Jahre 1971 - wozu sich der Landesagrarsenat auch heute noch bekennt - klar zu erkennen, wonach sich die Einzelbewirtschaftung der Tredlalpe und damit die Erzielung von bestmöglichem Erfolg für die Liegenschaft Ascher auf längere Sicht hin wegen dem bekannt großen Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft schwierig und kostenaufwendig gestalten wird. Der Zulässigkeit der Sonderteilung sprechen daher nach wie vor die Argumente entgegen, daß die Teilung nur die Schwierigkeiten in der Bewirtschaftung und die damit in weiterer Zukunft verbundene, allfällige Aufgabe der Bewirtschaftung sanktionieren würde und daß im Falle einer Teilung die pflegliche Behandlung und zweckmäßige Bewirtschaftung der Tredlalpe auflange Sicht hin gefährdet erscheinen müsse."

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums gerügt wird. Das Senatsmitglied Dipl.-Ing. G habe sich anläßlich des Lokalaugenscheines durch Erklärungen zur Sach- und Rechtsfrage präjudiziert, es sei unzulässig, die Funktion eines Sachverständigen mit der eines Senatsmitgliedes zu verbinden, die bel. Beh. habe über die formelle Ablehnung dieses Mitgliedes nicht ausdrücklich (gesondert) entschieden, und der Verfasser des Gutachtens der Alpinspektion sei entgegen dem Antrag der Bf. nicht als Zeuge einvernommen worden. Die Berufungsbehörde hätte ferner nicht meritorisch über den Teilungsantrag entschieden, sondern nur beurteilen dürfen, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse anzumerken war, und der Agrarbehörde erster Instanz eine meritorische Entscheidung auferlegen müssen. Durch die Verletzung von Verfahrensvorschriften und die inhaltliche Rechtswidrigkeit des ergangenen Bescheides sei der Bf. das gesetzliche Recht auf Ausscheiden aus der Agrargemeinschaft vorenthalten und sie daher im Eigentumsrecht an den mit der Stammsitzliegenschaft verbundenen Anteilen an der Agrargemeinschaft verletzt worden.

Der Landesagrarsenat hält das geltend gemachte Grundrecht nicht für verletzt, weil es durch einen verfahrensrechtlichen Bescheid nicht verletzt werden könne und der Anspruch auf Sonderteilung öffentlich-rechtlicher Natur sei. Es bestehe ferner kein Anspruch auf Ablehnung eines Verwaltungsorganes wegen Befangenheit.

II. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Gemäß §7 Abs1 AgrarbehördenG idF der Novelle 1974, BGBl. Nr. 476, endet der Instanzenzug mit den in Abs2 bestimmten Ausnahmen beim Landesagrarsenat. Ein im Abs2 genannter Fall liegt nicht vor. Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen sind erfüllt.

2. Gegenstand des Verwaltungsverfahrens ist die Möglichkeit einer neuerlichen Entscheidung über die Sonderteilung eines agrargemeinschaftlichen Grundstücks, also eine Einzelteilung, die im Ausscheiden einzelner Mitglieder der Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung derselben zwischen den übrigen Mitgliedern besteht. Dazu bestimmt §41 Abs4 des Tir. FlurverfassungslandesG 1969, unverändert wiederverlautbart als §42 Abs4 des Tir.

FlurverfassungslandesG 1978, LGBl. Nr. 54, folgendes:

"Eine Teilung ist nur zulässig, wenn

a) die pflegliche Behandlung und zweckmäßige Bewirtschaftung der einzelnen Teile nicht gefährdet wird,

b) die Aufhebung der Gemeinschaft nicht allgemein volkswirtschaftlichen Interessen oder besonderen Interessen der Landeskultur widerspricht und

c) die Teilung für die Stammsitzliegenschaften von dauerndem Vorteil gegenüber der Aufrechterhaltung der Gemeinschaft ist.

Eine Sonderteilung ist überdies nur zulässig, wenn die Deckung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Agrargemeinschaft weiterhin gesichert bleibt."

Vor dem Hintergrund dieser Gesetzesstelle hat der Landesagrarsenat im Jahre 1971 die begehrte Sonderteilung verweigert. Eine neuerliche Entscheidung wäre bei gleicher Rechtslage nur möglich, wenn sich die 1971 für maßgeblich erachteten Tatsachen geändert hätten. Die Agrarbehörde erster Instanz hat das verneint. Daß die bel. Beh. der Berufung keine Folge gegeben hat, bedeutet also im Zusammenhalt mit der Entscheidung der ersten Instanz, daß sie den Antrag auf Sonderteilung wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH verletzt die Verweigerung einer Sachentscheidung das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auch dann, wenn die Behörde zu Unrecht angenommen hat, die Sache sei bereits rechtskräftig entschieden (res judicata; VfSlg. 6957/1972, 7004/1973, 7181/1973, 8098/1977, 8495/1979, 8739/1980, 8899/1980 und 21. Juni 1982 B51/80). Unter dem Blickwinkel dieses Grundrechtes könnte der VfGH daher - entgegen der Auffassung der bel. Beh. - in der Tat zu prüfen haben, ob die angefochtene Entscheidung richtig ist.

Die Frage, ob sich die nach dem früheren Bescheid maßgeblich gewesene Sachlage derart geändert hat, daß die Erlassung eines neuen Bescheides in Betracht kommt, ist aber anderer Art. Ihre Beantwortung setzt voraus, daß der bestehende Sachverhalt an der diesem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsanschauung und ihrem normativen Hintergrund gemessen wird, und zwar nach derselben Methode, mit der er im Falle einer neuen Sachentscheidung an der Norm selbst zu messen wäre (vgl. dazu schon Ringhofer, Von der Bedeutung des Sachverhaltes für die Rechtskraft verwaltungsbehördlicher Bescheide, ÖJZ 1953, 87 ff., 122 f.). Dieser Vorgang gleicht der Lösung der Sachfrage so sehr, daß er auch wie diese behandelt werden muß. Hat sich also die zuständige Behörde zurecht mit der Frage beschäftigt, ob nach Rechtskraft einer Entscheidung eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eine neue Entscheidung rechtfertigt und diese Frage verneint, so berührt eine allfällige Unrichtigkeit ihres Urteils das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter im allgemeinen ebensowenig wie eine unrichtige Ansicht über die bindende Wirkung einer anderen behördlichen Erledigung (VfSlg. 6740/1972, 7144/1973, 7972/1976 und 8214/1977) oder die Zulässigkeit der Wiederaufnahme eines Verfahrens (VfSlg. 7865/1976).

Daß der Behörde ein sachverständiges Mitglied angehört hat, entspricht offenkundig dem Gesetz (§5 Abs2 Z6 AgrarbehördenG) und ist verfassungsrechtlich unbedenklich, ja durch Art12 Abs2 B-VG geradezu geboten (VfSlg. 8544/1979; vgl. auch VfSlg. 8729/1980, 8828/1980 und 9120/1981). Ob die von diesem Mitglied anläßlich des Lokalaugenscheines abgegebenen Äußerungen zu Sach- und Rechtsfragen geeignet waren, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen (§7 Abs1 Z4 AVG), muß dahinstehen, weil auch die Mitwirkung eines befangenen Organes die Zuständigkeit der Behörde nicht berührt, wenn - wie im Verfahren vor den Agrarbehörden - kein Ablehnungsrecht besteht (VfSlg. 8544/1979). Die Behauptung aber, die bel. Beh. habe die Formalentscheidung der Agrarbehörde erster Instanz durch eine Sachentscheidung bestätigt, verkennt den Inhalt der Berufungsentscheidung und würde selbst im Falle ihres Zutreffens nach dem Gesagten keine Verfassungsverletzung aufzeigen.

3. Der Landesagrarsenat hat die Sonderteilung 1971 mit der Begründung abgelehnt, die Bewirtschaftung eines Almkomplexes der vorliegenden Größe hänge von den Arbeitskräfteverhältnissen am Heimhof ab; die Selbstbewirtschaftung sei nicht auf Dauer gewährleistet, sodaß die Abtrennung nicht von dauerndem Vorteil für die Stammsitzliegenschaft sei. Wenn die Behörde unter diesem Blickwinkel jetzt die Bedeutung der Errichtung des Gemeinschaftsstalles und des Fahrweges gewürdigt und eine zureichende Sachverhaltsänderung verneint hat - das Aufrechthalten der Verpachtung ist ja offenkundig keine Änderung des Sachverhalts -, dann entfernt sich diese Entscheidung, wenn überhaupt, nicht so weit vom - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Gesetz, daß sie geradezu denkunmöglich wäre und Willkür indizieren würde. Welche anderen, über die Parteibehauptungen hinausgehenden Gesichtspunkte sich aber für diese Wertung aus einer Einvernahme des Vertreters der Alpinspektion hätten ergeben sollen (der bereits im früheren Verfahren das Teilungsgesuch befürwortet hatte), ist auch der Beschwerde nicht zu entnehmen. Unter diesen Umständen kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH weder eine Verletzung des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz festgestellt noch die gerügte Verletzung des Eigentumsrechtes in Betracht gezogen werden, weshalb sich auch eine Erörterung der Frage erübrigt, ob die Verweigerung einer Sonderteilung überhaupt in das Eigentumsrecht des Mitgliedes einer Agrargemeinschaft eingreift.

Auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist nicht hervorgekommen. Die Beschwerde ist folglich als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Bescheid Rechtskraft, Agrarbehörden, Agrarverfahren, Verwaltungsverfahren, Befangenheit, res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B209.1979

Dokumentnummer

JFT_10168999_79B00209_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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