TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/27 B583/83

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Veröffentlicht am 27.06.1984
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art9
StPO §141 Abs2

Leitsatz

Gesetz zum Schutze des Hausrechtes; dieser Schutz steht dem Mitinhaber durchsuchter Räume zu; keine Verletzung des Hausrechtes durch gemäß §141 Abs2 StPO vorgenommene Hausdurchsuchung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Aufgrund der Akten des Gendarmeriepostenkommandos Ansfelden P 3162/83, der Sicherheitsdirektion für das Bundesland OÖ P 3138-SK/83 und des Kreisgerichtes Steyr Vr. 473/83 sowie aufgrund der in den hier wesentlichen Punkten übereinstimmenden oder doch unbestritten gebliebenen Parteienvorbringen steht fest:

Das Kreisgericht Steyr erließ am 4. August 1983 gegen J P, den Gatten der Bf., einen schriftlichen Haftbefehl. Der Genannte sei verdächtig, das Verbrechen der gewerbsmäßigen Hehlerei nach §164 Abs1 Z1 und 2, Abs3 1. und 2. Fall StGB und die Vergehen der Urkundenfälschung nach §223 Abs2 StGB, der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §224 StGB und der Abgabenhehlerei nach §37 Abs1 lita FinStG begangen zu haben.

Nachdem das in der Amtshandlung zunächst federführende Landesgendarmeriekommando für OÖ (LGKfOÖ) von diesem Haftbefehl das Gendarmeriepostenkommando (GPK) Ansfelden/Bezirk Linz-Land mit dem Bemerken verständigt hatte, daß sich J P mitunter in seinem weiteren Wohnsitz Am W, Gemeinde A, aufhalte und nachdem dem GPK am 22. August 1983 um etwa 19.30 Uhr anonym angezeigt worden war, daß sich der Genannte dort befinde, suchten gegen 20 Uhr Gendarmeriebeamte im ganzen Haus nach J P. Die Bf. war bei der Amtshandlung anwesend.

Die Amtshandlung wurde von Beamten des GPK Ansfelden aus eigenem Antrieb unter der Leitung von BezInsp. H durchgeführt. An der Aktion beteiligten sich insgesamt neun Beamte der erwähnten Gendarmeriedienststelle.

Bez.Insp. E vom LGKfOÖ - Kriminalabteilung, der über Funk vom Einschreiten der Beamten des GPK Ansfelden gehört hatte, begab sich zu diesem Gendarmerieposten, um sich nach dem Stand der Angelegenheit zu erkundigen. Bei dieser Gelegenheit sprach er auch mit der Bf. Weder er noch andere Beamte des LGKfOÖ nahmen an der Suche nach J P teil.

Die Bf. war zwar an der erwähnten Anschrift polizeilich nicht gemeldet, wohnte aber damals mit ihrem minderjährigen Sohn im erwähnten Haus, dessen grundbücherlicher Eigentümer ihr Gatte ist; dieser ist dort seit 18. August 1982 polizeilich gemeldet.

2. Gegen die Durchsuchung des Hauses wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrechtes behauptet und die kostenpflichtige Feststellung dieser angenommenen Rechtsverletzung beantragt wird.

Die Beschwerde wird im wesentlichen damit begründet, daß weder ein richterlicher Hausdurchsuchungsbefehl noch die Ermächtigung durch einen Beamten einer Sicherheitsbehörde vorgelegen sei. Gegen die Bf. habe kein Haftbefehl bestanden. Sie sei auch nicht einer strafbaren Handlung verdächtig gewesen.

3. a) Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie das Vorgehen der Gendarmeriebeamten unter Bezugnahme auf §141 Abs2 StPO rechtfertigt und darauf hinweist, daß die bekämpfte Amtshandlung nicht ihr zuzurechnen sei, weil die Amtshandlung von BezInsp. E vom LGKfOÖ geleitet worden sei.

b) Die daraufhin zur Erstattung einer Gegenschrift aufgeforderte Sicherheitsdirektion für das Bundesland OÖ verweist in ihrer Gegenschrift gleichfalls auf §141 Abs2 StPO. Die Sicherheitsdirektion meint, daß nicht in das Hausrecht der Bf. eingegriffen worden sei, da

Am W nur J P und sein gleichnamiger Sohn polizeilich gemeldet seien. Die bekämpfte Amtshandlung sei nicht der Sicherheitsdirektion zuzurechnen, da die Hausdurchsuchung ausschließlich von Beamten des GPK Ansfelden durchgeführt worden sei. Es wird die Abweisung der Beschwerde begehrt, sofern die Legitimation der Bf. angenommen werden sollte.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. a) Die Gendarmeriebeamten haben in einem Haus nach einer bestimmten Person (J P), von der unbekannt war, wo sie sich befand, gesucht. Sie haben also eine Hausdurchsuchung vorgenommen (vgl. zB VfSlg. 8928/1980, 9525/1982).

Eine Hausdurchsuchung ist eine in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte Amtshandlung iS des Art144 Abs1 B-VG (vgl. auch hiezu die zitierte Judikatur).

b) Die Amtshandlung erfolgte nicht über gerichtlichen Auftrag, sondern aus eigenem Antrieb der einschreitenden Gendarmeriebeamten. Die Hausdurchsuchung ist sohin jener Verwaltungsbehörde zuzurechnen, als deren Hilfsorgane die Gendarmeriebeamten einschritten. Wie sich aus den Sachverhaltsfeststellungen (s. oben I.1.) ergibt, ist diese Behörde - entgegen ihrer Meinung - die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land.

c) Ungeachtet dessen, daß die Bf. damals in Ansfelden, Am W polizeilich nicht gemeldet war, hat sie doch zumindest mit Wissen und Willen ihres Gatten dort gewohnt, der Eigentümer dieses Hauses ist und dort seinen ordentlichen Wohnsitz hat. Aus all dem ergibt sich, daß die Bf. jedenfalls Mitinhaberin aller durchsuchten Räume war. Es steht ihr daher der Schutz des Hausrechtes zu. Sie ist also beschwerdelegitimiert (vgl. zB VfSLg. 9491/1982 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

d) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. Nach §2 Abs2 des Gesetzes vom 27. Oktober 1862, RGBl. 88, zum Schutze des Hausrechtes (HausrechtsG) - das dem Art149 B-VG zufolge auf Verfassungsstufe steht - sowie dem damit übereinstimmenden §141 Abs2 StPO kann zum Zwecke der Strafrechtspflege eine Hausdurchsuchung durch Sicherheitsorgane aus eigener Macht vorgenommen werden, wenn gegen jemanden ein richterlicher Haftbefehl erlassen wurde.

Die Sicherheitsorgane müssen vertretbarerweise annehmen können, daß sich die gesuchte Person in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten aufhält.

Diese Voraussetzungen lagen hier vor:

Ein gegen den Gatten der Bf. erlassener gerichtlicher Haftbefehl war ausgestellt worden. Ob er der Bf. bekannt war oder ihrem Gatten zugekommen ist oder nicht, spielt bei der Natur eines Haftbefehls keine Rolle.

Die Gendarmeriebeamten konnten nach den Umständen dieses Falles vertretbar annehmen, daß sich die zu verhaftende Person in den durchsuchten Räumlichkeiten aufhalte. Es lag durchaus nahe, daß sich J P in seinem weiteren Wohnsitz aufhalte, zumal kurz zuvor der Gendarmerie ein entsprechender Hinweis zugekommen war.

Die Gendarmeriebeamten beschränkten sich darauf, nach der zu verhaftenden Person zu suchen.

Die von den Sicherheitsorganen aus eigener Macht vorgenommene Hausdurchsuchung war daher rechtmäßig (vgl. zB VfSlg. 9491/1982).

Bei der geschilderten Rechtslage war es nicht erforderlich, daß gegen die Bf. ein Haft- oder Hausdurchsuchungsbefehl bestanden hätte oder sie selbst einer strafbaren Handlung verdächtig gewesen wäre.

Die Bf. ist sohin im verfassungsgesetzlich geschützten Hausrecht nicht verletzt worden.

3. Da die Hausdurchsuchung rechtmäßig erfolgte, ist es ausgeschlossen, daß die Bf. ein einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde (vgl. auch hiezu die soeben zitierte Vorjudikatur).

§2 Abs2 HausrechtsG, der die bekämpfte Amtshandlung vor allem trägt, steht auf Verfassungsstufe. Der VfGH hat gegen die anderen, bei Durchführung der Hausdurchsuchung angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Bf. ist sohin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Hausrecht, Hausdurchsuchung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B583.1983

Dokumentnummer

JFT_10159373_83B00583_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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