TE Vfgh Erkenntnis 2006/6/26 B473/05

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Veröffentlicht am 26.06.2006
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Index

64 Besonderes Dienst- und Besoldungsrecht
64/03 Landeslehrer

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
Krnt LandeslehrerG §5
LDG 1984 §26
VfGG §87 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Einstellung des Verfahrens betreffend Verleihung einer schulfesten Leiterstelle an einer Volksschule und Zurückweisung der Bewerbung des Beschwerdeführers wegen neuerlicher Ausschreibung und Neubesetzung der Stelle; objektive Willkür infolge Missachtung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes sowie des aufhebenden Ersatzbescheides des UVS Kärnten und Verweigerung einer Sachentscheidung durch die Kärntner Landesregierung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters die mit EUR 2.340,- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer bewarb sich um die im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Kärnten, 2. Stück/2000, ausgeschriebene Leiterstelle an der Volksschule Latschach.

Das Kollegium des Bezirksschulrates Villach-Land beschloss in seiner Sitzung am 22. November 2000 einen Besetzungsvorschlag im Sinne des §26 Abs6 und 7 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (im Folgenden: LDG), in dem jene Mitbewerberin, der in der Folge die Leiterstelle verliehen wurde, an erster Stelle und der Beschwerdeführer an zweiter Stelle gereiht war.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2001 verlieh die Kärntner Landesregierung - dem Vorschlag des Bezirksschulrates folgend - die ausgeschriebene Leiterstelle mit Wirkung vom 1. Mai 2001 an die Mitbewerberin und wies unter einem die Bewerbung des Beschwerdeführers und der an dritter Stelle gereihten Bewerberin ab.

2. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid - entsprechend dem (unzutreffenden) Hinweis in dessen Rechtsmittelbelehrung - Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 2002, B968/01 zurückgewiesen, weil - im Hinblick auf die Möglichkeit der Anfechtung mittels Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten (vgl. §5 des Kärntner Landeslehrergesetzes [im Folgenden: K-LG]) - der Instanzenzug nicht erschöpft sei; ergänzend wies der Verfassungsgerichtshof in diesem Beschluss auf die Möglichkeit hin, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen.

3. Dem daraufhin vom Beschwerdeführer bei der Kärntner Landesregierung eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag wurde mit Bescheid vom 15. Jänner 2003 stattgegeben. Die unter einem eingebrachte Berufung gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 15. Mai 2001 wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten mit Bescheid vom 14. April 2003 als unbegründet abgewiesen.

Auf Grund einer gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde dieser Bescheid mit Erkenntnis VfGH 28. September 2004, B784/03, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufgehoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass es die belangte Behörde verabsäumt habe, die für die Verleihung dieser schulfesten Leiterstelle maßgeblichen, für und gegen den Beschwerdeführer und die übrigen im Dreiervorschlag des Bezirksschulrates genannten Personen sprechenden Kriterien einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen und derart das Übergehen der nicht zum Zuge kommenden Bewerber (so auch des Beschwerdeführers) zu begründen.

4. Im Hinblick darauf wurde mit - auf §66 Abs2 AVG gestütztem - Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 18. Jänner 2005 der Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 15. Mai 2001 aufgehoben und die Angelegenheit zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an die Kärntner Landesregierung zurückverwiesen. Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kärntner Landesregierung nunmehr unter Zugrundelegung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes die für die Verleihung der schulfesten Leiterstelle maßgeblichen, für und gegen den Berufungswerber bzw. die übrigen im Dreiervorschlag des Bezirksschulrates genannten Personen entsprechenden Kriterien einander gegenüberzustellen und zu gewichten haben werde.

5. Daraufhin wurde mit dem hier bekämpften Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 24. Februar 2005 das

"Verfahren eingestellt und das Bewerbungsgesuch des [nunmehrigen Beschwerdeführers] zurückgewiesen."

Begründend wird dazu ua. Folgendes ausgeführt:

Die seinerzeit mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 15. Mai 2001 mit der in Rede stehenden schulfesten Leiterstelle betraute Mitbewerberin habe diese Stelle nicht mehr inne; sie sei vielmehr mit 1. September 2003 zur Bezirkschulinspektorin des Bezirkschulrates Wolfsberg ernannt worden. Die freigewordene Leiterstelle sei im Verordnungsblatt des Landesschulrates vom 1. Dezember 2003 neuerlich ausgeschrieben worden. Nach Durchführung des Schulleiter-Auswahlverfahrens sei eine dritte Person, mit Wirkung vom 1. September 2004 an, zur Leiterin der Volksschule ernannt worden. Angemerkt werde, dass sich der Beschwerdeführer um diese Leiterstelle nochmals beworben, das Verfahren jedoch abgebrochen habe und somit nicht bewertet worden sei. Die in Rede stehende Schulleiterstelle sei auf Grund der Neuausschreibung einer dritten Person übertragen worden; da dieser rechtskräftige Bescheid nicht bekämpft worden sei, sei die vom Beschwerdeführer angestrebte Leiterfunktion an der Volksschule Latschach rechtlich bindend besetzt.

Der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 2004, B784/03, komme "ex tunc"-Wirkung zu. Die Sache trete demnach in die Lage zurück, in der sie sich vor der Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden habe. Der Unabhängige Verwaltungssenat habe nunmehr mit Bescheid vom 18. Jänner 2005, unter Zugrundelegung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes, den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 15. Mai 2001 gemäß §66 Abs2 AVG aufgehoben.

Zum derzeitigen Stand des Verfahrens sei Folgendes festzuhalten:

Durch die Neuausschreibung der Leiterstelle könne der Ernennungsbehörde keine rechtswidrige Vorgangsweise vorgeworfen werden. Dem Prinzip bzw. dem Gebot der Bestreihung gemäß §26 Abs1 K-LG entsprechend, habe die Ernennungsbehörde auf Grund der Tatsache, dass die damals Bestgereihte weggefallen sei und der Zweitgereihte einen deutlichen Punkterückstand aufgewiesen habe, die Leiterstelle der Volksschule Latschach neu ausgeschrieben, obwohl das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Nunmehr werde mit dem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 18. Jänner 2005 das Verfahren wieder in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor Erlassung des Bescheides befunden habe. Demzufolge sei das Primärverfahren rechtlich noch nicht abgeschlossen.

Der Verwaltungsgerichtshof habe in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber ein Recht auf einen rechtlich begründeten Abschluss des Verfahrens hätten und somit die Einstellung eines solchen mit Ausschreibung und Bewerbung eingeleiteten Verwaltungsverfahrens den davon betroffenen Parteien in einer rechtlich verbindlichen "Norm" bekannt zu geben sei.

Gegenwärtig stelle sich die Sachlage so dar, dass die ursprünglich zur Schulleiterin ernannte Mitbewerberin mittlerweile zur Bezirksschulinspektorin ernannt worden sei, auch die im seinerzeitigen Besetzungsvorschlag des Bezirksschulrates drittgereihte Bewerberin sei mittlerweile (provisorisch) mit der Funktion einer Bezirksschulinspektorin beim Bezirksschulrat Feldkirchen betraut worden. Folglich kämen die im Primärverfahren Erst- und Drittgereihte für eine Verleihung der in Rede stehenden Leiterstelle nicht mehr in Frage, und somit sei nur noch das Bewerbungsgesuch des Beschwerdeführers aufrecht.

Der Beschwerdeführer habe ursprünglich damit argumentiert, dass nur solche Bewerbungen den zuständigen Gremien vorgelegt werden dürften, die auch tatsächlich eine Lehrbefähigung für Slowenisch vorweisen können; da er der einzige der seinerzeit in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber gewesen sei, der eine Lehrbefähigung für Slowenisch aufweisen konnte, könne sein Begehren dahingehend interpretiert werden, dass ihm die Leiterstelle an der Volksschule Latschach hätte verliehen werden müssen.

Angesichts der gegenwärtigen Sachlage sei es jedoch vielmehr so, dass diese Leitungsfunktion auf Grund der erfolgten Neuausschreibung an eine dritte Person übertragen wurde. Nachdem dieser rechtskräftige Bescheid nicht bekämpft worden sei, sei die vom Beschwerdeführer angestrebte Leiterfunktion an der Volksschule rechtlich bindend besetzt.

Daher sei in Vollziehung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 18. Jänner 2005 das Bewerbungsgesuch des Beschwerdeführers zurückzuweisen.

6. Gegen diesen Bescheid der Kärntner Landesregierung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Begründend wird dazu ua. Folgendes ausgeführt:

Wenn in dem angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen werde, der Beschwerdeführer habe sich nach der neuerlichen Ausschreibung der in Rede stehenden Leiterstelle zwar wieder um diese beworben, das Verfahren jedoch abgebrochen und er sei somit nicht bewertet worden, so sei das unrichtig: Der Beschwerdeführer habe sich neuerlich um die Leiterstelle beworben, allerdings unter Hinweis auf das laufende Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und darauf, dass er den Eignungstest seinerzeit bereits absolviert habe und sich diesem Test nicht neuerlich unterziehen werde.

Die belangte Behörde habe sowohl die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 2004, B784/03, als auch den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 18. Jänner 2005 völlig außer Acht gelassen und die Bewerbung des Beschwerdeführers letztlich zurückgewiesen, weil dies in Folge des Zeitablaufes "einfacher" erscheine; der Beschwerdeführer sei daher durch den bekämpften Bescheid in seinem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Ebenso verletze ihn dieser Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter:

Indem die belangte Behörde sich mit seiner Bewerbung in Wahrheit überhaupt nicht auseinandergesetzt habe, sondern diese einfach zurückweist, verweigere sie die Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen - und auch durch den Verfassungsgerichtshof und durch den Unabhängigen Verwaltungssenat für notwendig erachteten - Verfahrens.

7. Die Kärntner Landesregierung hat als belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerde ist zulässig; im vorliegenden Fall geht es nicht um einen Bescheid der Landesregierung, mit dem ein Schulleiter ernannt wird (§5 K-LG), daher steht hier - anders als in dem mit Beschluss VfGH 24. September 2002, B968/01, entschiedenen Fall - ein Instanzenzug an den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht offen.

2. Auf Grund des nach dem aufhebenden Erkenntnis VfGH 28. September 2004, B784/03, (s. dazu oben Pkt. I.3.) ergangenen (Ersatz-)Bescheides des UVS Kärnten vom 18. Jänner 2005, mit dem der Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 15. Mai 2001 aufgehoben und die Angelegenheit zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an die Kärntner Landesregierung zurückverwiesen wurde, wäre diese Behörde verhalten gewesen, unter Zugrundelegung des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes die für die Verleihung der schulfesten Leiterstelle maßgeblichen, für und gegen den Berufungswerber bzw. die übrigen im Dreiervorschlag des Bezirksschulrates genannten Personen entsprechenden Kriterien einander gegenüberzustellen und zu gewichten. In Missachtung sowohl des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes als auch dieses Ersatzbescheides hat die Kärntner Landesregierung jedoch das Verfahren ohne weitere Begründung eingestellt. Ihr ist mithin - objektiv - Willkür vorzuwerfen. Damit wurde der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

3. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. dann verletzt, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

Mit dem bekämpften Bescheid hat die belangte Behörde nunmehr die Bewerbung des Beschwerdeführers, über die zuvor - wenngleich, wie sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 2004, B784/03, ergibt, in verfassungswidriger Weise - meritorisch entschieden worden war, zurückgewiesen. Damit hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer insbesondere unter Außerachtlassung des §87 Abs2 VfGG, also zu Unrecht, eine Sachentscheidung verweigert.

Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

4. Die Kostenentscheidung gründet in §88 VfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe € 360,- sowie eine Eingabegebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 180,- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Lehrer, Bindung (der Verwaltungsbehörden an VfGH), Ersatzbescheid, Kassation und Zurückverweisung, VfGH / Instanzenzugserschöpfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B473.2005

Dokumentnummer

JFT_09939374_05B00473_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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