Kommentar zum § 12 GlBG

Dr. Marlon POSSARD am 16.12.2025

Schadenersatz wegen diskriminierender Beendigung setzt Hinnahme der Beendigung voraus (OGH 9 ObA 57/25k v. 23.09.2025)

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Der OGH hatte in seiner Entscheidung vom 23.09.2025 (AZ: 9 ObA 57/25k)[1] über die Reichweite des Schadenersatzanspruchs gemäß § 12 Abs 7 GlBG im Kontext des besonderen Bestandschutzes schwangerer Arbeitnehmerinnen zu befinden. Konkret stellte sich die Rechtsfrage, ob eine Arbeitnehmerin, die im Zeitpunkt des Ausspruchs der Entlassung schwanger war und deren Entlassung mangels gerichtlicher Zustimmung rechtsunwirksam erfolgte, neben der erfolgreichen Durchsetzung des Fortbestands ihres Arbeitsverhältnisses zusätzlich Schadenersatz wegen diskriminierender Beendigung beanspruchen kann, wenn das arbeitsgerichtliche Verfahren durch einen Vergleich mit Feststellung des unveränderten Bestands des Arbeitsverhältnisses beendet wurde.

Dem Sachverhalt zufolge machte die Klägerin zunächst den Feststellungsanspruch auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend. Das Verfahren endete mit einem gerichtlichen Vergleich, der die ununterbrochene Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses normierte. Ungeachtet dessen begehrte die Klägerin in weiterer Folge Schadenersatz nach § 12 Abs 7 GlBG wegen einer geschlechts- bzw schwangerschaftsbezogenen Diskriminierung durch Entlassung.

Der OGH knüpft seine rechtliche Beurteilung strikt an den normativen Tatbestand des § 12 Abs 7 GlBG. Nach dessen eindeutiger Anordnung setzt der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens infolge diskriminierender Beendigung voraus, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtlich wirksam geworden ist bzw vom/von der Arbeitnehmer:in jedenfalls gegen sich gelten gelassen wird. Eine gleichzeitige Geltendmachung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses schließt demnach die Anspruchsentstehung aus.

Die vom Rechtsmittel vertretene Auffassung, wonach der Schadenersatzanspruch unabhängig davon bestehe, auf welcher Rechtsgrundlage Arbeitnehmer:innen den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses (zB aufgrund eines besonderen Kündigungs- oder Entlassungsschutzes) durchsetzen, weist der OGH als mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar zurück. Eine Differenzierung nach der dogmatischen Herleitung des Fortbestandsanspruchs lasse sich dem GlBG nicht entnehmen und wäre demgemäß auch systemwidrig.

Der OGH verweist in diesem Zusammenhang auf das dem Arbeitnehmer:innen eingeräumte Wahlrecht (insb im Anwendungsbereich des § 12 MSchG): Es steht der schwangeren Arbeitnehmerin frei, die rechtswidrige Entlassung hinzunehmen und stattdessen die daraus resultierenden Schadenersatzansprüche (einschließlich solcher nach dem GlBG) geltend zu machen. Entscheidet sie sich jedoch für die Durchsetzung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses, entfällt die Anspruchsgrundlage für einen Schadenersatz wegen diskriminierender Beendigung.

Da im Anlassfall das arbeitsgerichtliche Verfahren durch einen Vergleich beendet wurde, der den unveränderten Bestand des Arbeitsverhältnisses festhält, verneinte der OGH folgerichtig das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12 Abs 7 GlBG und damit das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs.


§ 12 GlBG | 1. Version | 25 Aufrufe | 16.12.25
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Dr. Marlon POSSARD
Zitiervorschlag: Dr. Marlon POSSARD in jusline.at, GlBG, § 12, 16.12.2025
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