Kommentar zum § 92 BDG 1979

Dr. Marlon POSSARD am 08.08.2025

Abgestufte Sanktionsoptionen („Disziplinarstrafen“) gem. § 92 Abs. 1 Z 1 bis 4 BDG

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I. Allgemeine Einordnung

§ 92 BDG regelt die Abstufung der Disziplinarstrafen, die gegenüber Beamt:innen in Österreich verhängt werden können, wenn sie gegen ihre dienstrechtlichen Pflichten verstoßen. Die Bestimmung (= § 92 BDG) ist Teil des Disziplinarrechts, das dem primären Zweck dient, die Integrität und Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu wahren.

§ 92 Abs 1 BDG enthält eine taxative Aufzählung zulässiger Disziplinarstrafen, geordnet nach dem Schweregrad des Dienstvergehens. Die Regelung kann als ein Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verstanden werden, der auch im Disziplinarverfahren zu beachten ist.

II. Die Disziplinarstrafen im Einzelnen

Ad Verweis (Z 1):

Der Verweis ist die mildeste Form der Disziplinarstrafe und hat in erster Linie Erziehungs- und Warnfunktion. Er wird ausgesprochen, wenn eine Pflichtverletzung zwar tatsächlich vorliegt, ihr Unrechtsgehalt jedoch nicht erheblich ist. Dabei handelt es sich um eine schriftliche Missbilligung des Verhaltens, die zwar mit keinen finanziellen oder dienstrechtlichen Folgen verbunden, aber eintragungsfähig ist. Die Eintragungsfähigkeit bezieht sich hierbei auf die jeweilige Personalakte. Zudem lässt sich der Verweis von bloßen belehrenden Maßnahmen (z. B. von einer mündlichen Ermahnung) dahingehend differenzieren, dass er eine formelle Disziplinarstrafe mit rechtlichen Folgen ist (insb hinsichtlich der Wiederverhängung oder Kumulation im Wiederholungsfall).

Der Verweis im Dienstrecht kann somit als ein formalisierter und schriftlicher Impuls zur Verhaltensreflexion verstanden werden, mit dem ein Dienstherr ein pflichtwidriges Verhalten dienstlich registriert, ohne es zu sanktionieren – jedoch mit der erklärten Intention, zukünftige dienstliche Kohärenz und Integrität der betroffenen Person herzustellen (Possard, 2025).

Ad Geldbuße (Z 2):

Die Geldbuße ist eine mittelschwere Disziplinarmaßnahme und unterliegt bestimmten Voraussetzungen (siehe hierzu va § 127 BDG; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz iRv Einkommen, Sozialverhältnisse, ua). Eine Geldbuße wird in der Regel dann verhängt, wenn es sich um Pflichtverletzungen mit erhöhtem Verschulden handelt, wobei das Dienstverhältnis dadurch nachhaltig nicht beeinträchtigt ist. Unter Bezugnahme auf Z 1 können idZ wiederholte disziplinarisch relevante Versäumnisse (z. B. trotz Verweis) genannt werden. Die Geldbuße muss jedenfalls von einer Geldstrafe abgegrenzt werden: Während die Geldbuße symbolischen Charakter besitzt und bis zur Höhe eines Monatsbezugs reichen kann, dient die Geldstrafe der erhöhten Sanktionierung eines gravierenderen Fehlverhaltens (siehe Z 3).

Ad Geldstrafe (Z 3):

Die Geldstrafe ist quantitativ wie qualitativ schärfer als die Geldbuße. Sie kann mehr als einen, jedoch maximal fünf Monatsbezüge betragen. Die Geldstrafe findet im Speziellen bei erheblichen Dienstpflichtverletzungen Anwendung, die jedoch (noch) keine Entlassung erfordern (z. B. wiederholte Befangenheit oder ungerechtfertigte Nebenbeschäftigungen). Relevante Faktoren sind dabei ua Vorsatz, Wiederholungsgefahr, der Schaden für die öffentliche Verwaltung bzw. den öffentlichen Dienst im Allgemeinen, etc.

Ad Entlassung (Z 4):

Die Entlassung stellt die schärfste disziplinäre Maßnahme dar und ist nur zulässig, wenn die Fortsetzung des Dienstverhältnisses tatsächlich unzumutbar ist. Die Entlassung stellt die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses dar und darf nicht mit der bloßen Abberufung aus einem Amt verwechselt werden. Eine wesentliche Voraussetzung für eine Entlassung ist etwa, dass das Fehlverhalten beachtlich sein und mit der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses einhergehen muss. Exemplarisch können diesbezüglich etwa Amtsdelikte, Korruption oder schwere Gewaltvergehen angeführt werden. Aus verfahrensrechtlicher Sicht kann angemerkt werden, dass die Entlassung ein förmliches Disziplinarverfahren voraussetzt und darüber hinaus an strenge verfassungs- und einfachgesetzliche Kriterien gebunden ist. Mit einer Entlassung ist zudem der Verlust sämtlicher dienstrechtlicher Ansprüche verbunden.

III. Verhältnismäßigkeit und Einzelfallprüfung

Festzuhalten ist, dass § 92 BDG im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips auszulegen ist. Hierfür maßgebliche Kriterien sind (a) die Schwere der Pflichtverletzung, (b) die subjektive Vorwerfbarkeit (Vorsatz oder Fahrlässigkeit), (c) das bisherige dienstliche Verhalten und (d) die Auswirkungen der Tat auf den Dienstbetrieb und das Vertrauen in die Verwaltung. Die Disziplinarbehörde hat bei der Wahl der Strafe in jedem Fall pflichtgemäßes Ermessen auszuüben.

IV. Fazit

§ 92 Abs. 1 BDG enthält somit eine abgestufte Sanktionspalette, mit der das Dienstvergehen von Beamt:innen in seiner Schwere angemessen geahndet werden soll. Diese reicht von der milden Disziplinarmaßnahme mit pädagogischem Charakter (bspw. Verweis nach Z1) bis hin zur Entlassung gem Z 4. Summa summarum dienen die unterschiedlichen Disziplinarstrafen nach § 92 Abs 1 Z 1 bis 4 BDG der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit, der Integrität und der Glaubwürdigkeit des öffentlichen Dienstes und der öffentlichen Verwaltung.


§ 92 BDG 1979 | 1. Version | 112 Aufrufe | 08.08.25
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Dr. Marlon POSSARD
Zitiervorschlag: Dr. Marlon POSSARD in jusline.at, BDG 1979, § 92, 08.08.2025
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