Kommentar zum § 38 SPG

Dr. Marlon POSSARD am 30.10.2022

Gesetzeskommentar zu §§ 38 (1a), 81 (1a) SPG (Österreich) i. d. g. F.

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Das Phänomen des Beobachtens von Ereignissen, das in Verbindung mit Einsatzorganisationen und rettungstechnischen Maßnahmen steht, kann in den letzten Jahren in Österreich (aber auch in anderen EU-Ländern) vermehrt beobachtet werden. Nicht selten müssen Rettungskräfte Organe der Exekutive nachfordern, um Behinderungen am Einsatzort auflösen zu können. Sowohl die bloße „Schaulustigkeit“ unbeteiligter Personen am Einsatzgeschehen als auch das Anfertigen von Bild- und Videoaufnahmen von Verletzten nehmen sukzessive zu. Häufig spricht man i. d. Z. von sog. „Gaffer:innen“, die u. a. lebensrettende Sofortmaßnahmen durch ihre Handlung(en) beeinträchtigen können.

 

Die strafrechtlichen Bestimmungen hierfür wurden im Jahr 2018 durch den österreichischen Gesetzgeber im Rahmen einer Gesetzesnovellierung (= Änderung und Ergänzung) des Sicherheitspolizeigesetz (SPG) neu geregelt. Betroffen waren hiervon die §§ 38 Abs. 1a (= „Wegweisung“) und 81 Abs. 1a SPG (= „Störung der öffentlichen Ordnung“). Der Gesetzgeber verfolgte damit die Intention, diversen Behinderungen von Amtshandlungen (z. B. das Versperren von Zufahrten für Einsatzorganisationen) am Einsatzort vorzubeugen. Ebenso sollte damit die Privatsphäre von den am Unfallgeschehen Beteiligten intensiver geschützt werden (z B. die Eindämmung des Anfertigens von Bild- und Videoaufnahmen von Opfern bzw. verletzten Personen). Der Gesetzgeber erkannte dabei nicht nur die Problematik der Anfertigung solcher Bild- und Videoaufnahmen, sondern auch das Veröffentlichen im World Wide Web bzw. in den Social Medias.

 

Schaulustige Personen können, sofern sie das Einsatzgeschehen durch ihr Verhalten behindern, mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe nach § 81 SPG belegt werden. Das Maximum der Geldstrafe (= Verwaltungsstrafbestimmung) umfasst gem. rechtlicher Normierung € 500,00, jenes der Freiheitsstrafe bis zu 1 Woche, wobei im Wiederholungsfall bis zu 2 Wochen Freiheitsstrafe möglich sind. Demgegenüber steht weiterhin die Möglichkeit einer einfachen Wegweisung der Personen durch die Exekutive nach § 38 SPG. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, d. h., dass eine Festnahme erst dann möglich ist, wenn sich Schaulustige trotz Wegweisung durch die Polizei nicht daran hindern lassen, den Einsatz durch ihr Tun weiterhin zu gefährden bzw. zu beeinträchtigen. Von Relevanz ist, dass der Terminus „Unbeteiligte“ gem. § 38 Abs. 1a SPG nicht auf Personen anzuwenden ist, die Mitarbeiter:innen von diversen Medien sind (z. B. Journalist:innen). Eine maßgebliche Behinderung der Einsatzkräfte durch die Medienmitarbeiter:innen darf jedoch ebenfalls nicht erfolgen. Auch die Privatsphäre der verletzten Personen muss im Rahmen der journalistischen Arbeit sichergestellt werden.

 

Neben den Aspekten des SPG gilt es auch etwaige zivilrechtliche Ansprüche der Opfer zu beachten, sofern Bild- und Videoaufnahmen von verletzten Personen in den sozialen Medien veröffentlicht werden. Neben dem bloßen Anfertigen solcher Aufnahmen kann das Verbreiten zu zivilrechtlichen Ansprüchen der abgebildeten Personen führen (z. B. Schadenersatz oder Unterlassung). Des Weiteren kann der Straftatbestand der sog. „Unterlassung der Hilfeleistung“ (= § 95 österr. StGB) Beachtung finden, da ein bloßes „Herumstehen“ der Schaulustigen unter bestimmten Umständen auch unter die Strafbestimmung des § 95 StGB subsumiert werden kann.


§ 38 SPG | 1. Version | 1035 Aufrufe | 30.10.22
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Dr. Marlon POSSARD
Zitiervorschlag: Dr. Marlon POSSARD in jusline.at, SPG, § 38, 30.10.2022
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