Kommentar zum § 2 StGB

lexlegis am 21.12.2017

Unterlassungsdelikte

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Echte Unterlassungsdelikte sind Delikte die NUR durch ein Unterlassen, jedoch nie durch ein Tun begangen werden können. In ihrem Tatbestand findet sich das Wort „unterlassen“. Ein Beispiel wäre das Unterlassen der Hilfeleistung (§ 95 Abs 1 StGB) oder das Imstichlassen eines Verletzten (§ 94 Abs 1 StGB).

Unechte Unterlassungsdelikte nach § 2 StGB sind alle anderen Delikte des StGB die auch durch ein aktives Tun begangen werden können.

Unrechtsgehalt der Unterlassung:

Die Rechtsordnung stellt nicht nur das sozial inadäquat gefährliche "aktive" Tun eines Täters unter Strafe, sie bestraft ihn auch dann, wenn er es in einer erforderlichen Situation unterlässt, wie üblicherweise geboten und auch erwartet zu handeln und dadurch eine Gefahr für Leib, Leben, Vermögen, … entsteht.

 

Das unechte Unterlassungsdelikt nach § 2 StGB

 

Voraussetzung für eine Anwendbarkeit:

 1. Garantenstellung:

Der Täter muss aufgrund einer besonderen rechtlichen oder vertraglichen Verpflichtung (einer ihn im besonderen treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung) dazu verbunden sein, in einer bestimmten Situation zu handeln.  Jemand den eine solche Verpflichtung trifft, wird Garant genannt.

Beispiel A: Eine Mutter, die ihr Kind absichtlich verhungern lässt, begeht Mord durch Unterlassen nach §§ 2, 75 StGB. Das Verweigern von Nahrung ist kein Tun sondern ein Unterlassen. Die Mutter ist gesetzlich verpflichtet für das Wohl ihres Kindes zu sorgen. Sie ist Garant für ihr Kind.

Beispiel B: Der Vater der seinen kleinen Sohn, der nicht schwimmen kann bewusst ertrinken lässt, begeht Mord durch Unterlassen, er ist Garant für den Kleinen. Danach ist er von Gesetzes wegen dazu verpflichtet das Wohl des Kindes zu wahren (Familienrecht). Ein Fremder, den diese Pflicht nicht aus dem Gesetz oder aus dem Vertrag (Aufsichtsperson im Kindergarten) trifft, begeht auch wenn er bewusst nicht hilft und sich damit abfindet, dass das Kind ertrinken wird, nur das echte Unterlassungsdelikt nach § 95 Abs 1 StGB mit Todesfolge. Der Fremde muss nicht für das Wohl dieses Kindes sorgen. Er ist aber gesetzlich dazu verpflichtet einem anderen die erforderliche Hilfe in einer Notsituation zu leisten.

Beispiel C: Der faule Ladendetektiv, der vertraglich dazu verpflichtet ist Ladendiebe zu stellen, begeht
einen Beitrag zum Diebstahl durch Unterlassen nach § 12 dritter Fall iVm §§ 2, 127 StGB, wenn er den
Dieb trotz Beobachtung bei seiner Tat absichtlich entkommen lässt. Jeder andere, der dies
Beobachtet und nichts unternimmt ist straffrei, sofern die Tat des Täters nicht mit einer ein Jahr
übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 286 Abs 1 StGB).

2. Ingerenzprinzip:

Auch wer nicht aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht zum Handeln in gewissen
Situationen verpflichtet ist (Garant), kann in eine solche Stellung rücken. Dies ist der Fall, wenn jemand eine Gefahrensituation schafft, die ihn aufgrund des Schaffens dieser Situation dazu verpflichtet den Eintritt eines möglichen Taterfolges abzuwehren.

 Beispiel: A stößt B aus Spaß vom Steg in das Wasser. B kann nicht schwimmen, A erkennt dies erst jetzt, unternimmt aber nichts, da ihn B schon immer genervt hätte. Auch der Schulustige C unternimmt nichts und sieht nur zu. B ertrinkt hilflos.

A führt die erste Handlung nicht mit Mordvorsatz aus. Er weiß nicht, dass B nicht schwimmen kann,
daher ist das Stoßen in das Wasser nicht von einem Vorsatz auf § 75 StGB begleitet. Nachdem B im
Wasser ist erkennt A jedoch die wahre Sachlage und unternimmt dennoch nichts. A hat eine
Situation geschaffen, die ihn zum Handeln verpflichtet, er rückt in Garantenstellung. Unterlässt er
somit bewusst die Hilfeleistung und ertrinkt B dadurch, wobei A den Tod des B ernstlich für möglich
hält und sich damit abfindet, liegt ebenso Mord durch Unterlassen vor. Für den Schaulustigen C, der
zusieht, wie B ertrinkt heißt es: Unterlassung der Hilfeleistung mit Todesfolge nach § 95 Abs 1 zweiter Fall StGB.

 

Für Ameli Jukic :)


§ 2 StGB | 5. Version | 15750 Aufrufe | 21.12.17
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: lexlegis
Zitiervorschlag: lexlegis in jusline.at, StGB, § 2, 21.12.2017
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