Kommentar zum § 287 StGB

lexlegis am 23.04.2017

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Eine "volle Berauschung" wird in der Regel bei einem Blutalkoholgehalt von 2,7 Promille angenommen. Da aber jede Person unterschiedliche Toleranzgrenzen bezüglich der Verträglichkeit von Alkohol besitzt, ist dies nur ein Richtwert.

Die Rechtsprechung ist bei der Anwendung des § 287 Abs 1 StGB sehr restriktiv.

 

Problemebene: Schuld

Wer zum Tatzeitpunkt aufgrund einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung nicht fähig ist das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, der handelt nicht schuldhaft (§ 11 StGB). Wer nicht schuldhaft handelt, kann nicht bestraft werden (§ 4 StGB).

Das Problem hier ist, dass ein Täter, der sich so enorm berauscht, dass eine Ich-Bewusstseinsstörung oder eine starke und wesentliche Ich-Bewusstseinstrübung vorliegt, wegen mangelnder Zurechnungsfähigkeit für seinen Taten in diesem Zustand nicht bestraft werden kann.

Dem Gesetzgeber war es beim Schaffen dieses Delikts bewusst, dass besonders Alkohol in unserer Gesellschaft als (legales) Rauschmittel jeden Menschen gefährlich lassen werden kann. Jede Person, die sich stark berauscht stellt eine potentielle nicht unerhebliche Gefahr für andere dar, da Alkohol allgemein dafür bekannt ist, die Gemüter der Personen zu heben, was auch eine negative Wirkung (Aggressionen, Wut, Zorn) haben könnte.

Der Gesetzgeber hat das Delikt geschaffen um Personen, die sich freiwillig in den Rauschzustand versetzen und zuvor sowohl einsichts- als auch handlungsfähig waren, nicht ungeschoren davon kommen zu lassen, wenn sie in diesem zurechnungsunfähigen Zustand eine Straftat begehen.

Demnach werden an sich geistig gesunde Personen, die sich stark berauschen nicht für die Tat, die sie begehen, sondern dafür, dass sie die Tat in einem selbst verschuldeten die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand begehen, bestraft. Die Tat kann ihnen nicht vorgeworfen werden, wohl aber, dass sie sich aus eigenem selbst in einen für allgemeine Rechtsgüter gefährlichen Rauschzustand versetzt haben.

Das Sich-Berauschen durch Alkohol oder ähnliches bis zur Zurechnungsunfähigkeit ist sozial anerkannt, aber auch gefährlich und stellt daher den ersten Akt des Delikts nach § 287 Abs 1 StGB dar; es ist aber als solches allein noch straflos. Das Begehen einer Straftat IN DIESEM Zustand ist der zweite Akt des Delikts. Erfüllt der Täter beide Akte ist er strafbar.

 

Objektive Bedingung der Strafbarkeit:

 Es wird die Ansicht vertreten, dass die Begehung der Straftat eine objektive Bedingung der Strafbarkeit ist, der Täter also nur den objektiven Tatbestand des Delikts im Vollrausch zu erfüllen braucht. Der OGH ist aber der Ansicht, dass der Täter dennoch vorsätzlich oder fahrlässig handeln muss. Er geht davon aus, dass die Fähigkeit einen Willen bilden zu können nichts mit der Fähigkeit zu tun hat, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (siehe Anmerkung zu § 4 StGB).

 

Actio libera in causa:

Der Täter, der sich berauscht UM eine Straftat zu begehen (Mut antrinken), haftet uneingeschränkt nach dem Delikt, das er in diesem Zustand begeht.


Verjährung der Strafbarkeit:

Für die Verjährung der Strafbarkeit nach § 57 StGB gilt immer die Strafdrohung des §287 Abs 1 StGB (bis zu 3 Jahre). Die Strafdrohung des im Rauschzustandes begangenen Deliktes ist hierbei unbeachtlich.

Sachliche Zuständigkeit:

Die Erfüllung des § 287 Abs 1 StGB ist stets ein Vergehen nach § 17 Abs 2 StGB; auch, wenn der Täter im Vollrausch einen Mord begeht! Ist das Verhalten unter § 287 Abs 1 subsumierbar, ist der Einzelrichter des Landesgerichtes für die HV und kein Geschworenengericht zuständig. 

 

 

 


§ 287 StGB | 8. Version | 7941 Aufrufe | 23.04.17
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: lexlegis
Zitiervorschlag: lexlegis in jusline.at, StGB, § 287, 23.04.2017
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