Kommentar zum § 26 KartG 2005

Norbert Gugerbauer3 am 09.02.2012

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Inhaltserfordernisse

1) Das Kartellgesetz enthält keine Bestimmungen über allgemeine Inhaltserfordernisse von Anträgen. Es ist daher auf § 9 AußStrG zurückzugreifen, wonach der Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten muss, sondern es ausreicht, wenn dieser hinreichend erkennen lässt, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit angestrebt und aus welchem Sachverhalt dies abgeleitet wird (16 Ok 8/08). Gegebenenfalls ist im Sinne des § 182a ZPO (iVm § 14 AußStrG und § 38 KartG) die Fassung des Unterlassungsgebots mit den Parteien zu erörtern  (16 Ok 13/08; vgl 16 Ok 6/00 = SZ 73/153; 16 Ok 14/04 – Styria Media AG; 16 Ok 8/08).

2) Nach ständiger Rechtsprechung ist das Bestimmtheitsgebot bei Unterlassungsbegehren nicht allzu streng auszulegen (RIS-Justiz RS0000845; 4 Ob 131/02x). Dies gilt auch für kartellgerichtliche Abstellungsaufträge. Regelmäßig wird daher das Unterlassungsgebot allgemeiner gefasst und gegebenenfalls durch konkrete Einzelverbote ergänzt (16 Ok 2, 3/09; vgl 4 Ob 147/89; RIS-Justiz RS0000878, RS0000845).

3) Nur ein aktuelles, auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung andauerndes kartellrechtswidriges Verhalten kann Gegenstand eines Untersagungs-, bzw. Abstellungsauftrags gemäß § 26 KartG sein; ist das verbotswidrige Verhalten hingegen bereits endgültig beendet, mangelt es am Tatbestand eines Kartells, das für die Zukunft untersagt werden könnte (16 Ok 8/02 mwN; 16 Ok 8/08; RIS-Justiz RS0116044). Dem  österreichischen Kartellrecht ist eine (vorbeugende) Unterlassungsklage zur Verhinderung künftigen missbräuchlichen Verhaltens fremd (16 Ok 13/08; 16 Ok 7/02, 16 Ok 10/02).

 

Abstellungsantrag im Missbrauchsverfahren

4) Im kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebots angebracht (16 Ok 11/04 – „TikTak-Tarif“). Dies ergibt sich daraus, dass kartellrechtliche Abstellungsaufträge empfindlich in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen und Verstöße gegen einen Abstellungsauftrag mit hohen Geldbußen geahndet werden können (§ 29 Z 2 KartG). Angesichts der nahezu grenzenlosen Vielfalt der einem Unternehmen offenstehenden Verhaltensweisen ist es ausgeschlossen, jede nur denkbare Variante – sei sie auch noch so geringfügig – eines festgestellten missbräuchlichen Verhaltens in den Spruch eines Abstellungsauftrags aufzunehmen und ihn damit „umgehungsfest“ zu fassen. Dem Verpflichteten kann daher nur jenes Verhalten untersagt werden, das er auf dem betroffenen Markt bereits an den Tag gelegt hat. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Gegenstand des Abstellungsauftrags so unbestimmt gefasst wäre, dass der Rechtsstreit in Wahrheit vor die Exekutionsgerichte verlagert wird, die nicht zur Klärung kartellrechtlicher Fragen berufen sind (16 Ok 13/08; 16 Ok 11/04 – „TikTak-Tarif“ mwN; großzügiger 16 Ok 11/03 – „Schnurlostelefone“).

5) Werden durch ein behauptetes missbräuchliches Verhalten Kunden durch Einräumung besonders vorteilhafter Konditionen begünstigt, könnte ein Unterlassungsbegehren u.U. in die Position der Kunden, also der Marktgegenseite, eingreifen. Eine derartige Möglichkeit kann bei einem besonders schwerwiegenden Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nicht von vornherein ausgeschlossen werden, wenn diese Maßnahme – abgesehen von (ohnedies stets nur subsidiär zulässigen) noch einschneidenderen strukturellen Maßnahmen wie der Spaltung der Marktbeherrscherin und der Übertragung der betroffenen Verträge auf die neue Gesellschaft – die einzige Möglichkeit ist, die Auswirkungen des Missbrauchs auf die Marktstruktur zu beseitigen (16 Ok 13/08).

6) Bei einem besonders schwerwiegenden Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung, dessen Auswirkungen noch fortwirken, stünde nämlich ein Verbot der Anwendung von die Kunden begünstigenden Konditionen auch im Einklang mit der zivilrechtlichen Rechtslage, weil solche Verträge wegen der besonders verwerflichen Umstände ihres Zustandekommens, nämlich des Verstoßes gegen tragende Grundsätze des gemeinsamen Markts (vgl 3 Ob 115/95 = SZ 71/26), auch zivilrechtlich nichtig sein können. Dies wäre aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn  die durch den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung hervorgerufene Markstörung derart schwerwiegend wäre, dass sei auf keine andere Weise beseitigt werden könnte (16 Ok 13/08).

 

Konkurrenz KartG / UWG

7) Die Tatbestandsvoraussetzungen eines Anspruchs nach dem UWG und dem KartG sind jeweils andere (zB was die Wiederholungsgefahr nach dem UWG oder die Marktverhältnisse nach dem KartG betrifft), sodass insgesamt unterschiedliche Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden müssen, um einen Anspruch nach dem UWG oder dem KartG durchzusetzen. Es liegt daher kein identer Streitgegenstand im Sinne des herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs (Fasching in Fasching/Konecny III, 3. Aufl., Vor §§ 226 ff ZPO Rz 23) vor (§§ 71 Abs 3, 66 Abs 2 AußStrG). Darüber hinaus ist für einen unmittelbar auf das KartG gestützten (Abstellungs-) Anspruch der streitige Rechtsweg unzulässig. Im streitigen Lauterkeitsverfahren dagegen kann zwar ein Verstoß gegen das KartG behauptet werden, allerdings nur zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit bzw nunmehr Unerlaubtheit eines solchen Verhaltens im Rahmen der Anspruchsgrundlage nach dem UWG. Der Verzicht auf die Geltendmachung dieser Anspruchsgrundlage beinhaltet daher auch keinen Verzicht auf einen direkt auf das KartG gestützten Anspruch (16 Ok 14/08).

8) Die Rückziehung einer Klage nach dem UWG unter Anspruchverzicht führt nicht dazu, dass auch ein Anspruch nach dem KartG nicht mehr erhoben werden könnte (16 Ok 14/08).


§ 26 KartG 2005 | 3. Version | 417 Aufrufe | 09.02.12
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Norbert Gugerbauer3
Zitiervorschlag: Norbert Gugerbauer3 in jusline.at, KartG 2005, § 26, 09.02.2012
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