Kommentar zum § 31 IPRG

Ulrike Christine Walter am 08.06.2010

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Regelungsgegenstand

Der Regelungsgegenstand des internationalen Sachenrechtes sind „die dinglichen Rechte einschließlich Besitz“ (Abs. 1), was dingliche Rechte an körperlichen Sachen sind, das entscheidet  gem. Abs. 2 die österr. Auffassung.

 

Dingliche Rechte

Dingliche Rechte sind unmittelbare Herrschaftsrechte über Sachen mit Drittwirkung (absolute Rechte); dazu gehören alle Spielarten des Eigentums (Miteigentum, Gesamthandeigentum, Sicherungseigentum, Treuhandeigentum), dingliche Rechte aus einem Teilzeitnutzungsverhältnis (Timesharing) sowie alle beschränkten dinglichen Rechte nach Art des Pfandrechts (z.B. auch Unternehmenspfand nach Art des englischen „floating charge“), der (drittwirkenden) Zurückbehaltungsrechte, Dienstbarkeiten, Reallasten, (drittwirkenden) Veräußerung- oder Belastungsverbote, des privaten „Baurechts“, sowie kraft ausdrücklicher gesetzlicher Benennung der Besitz.  (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., S 134/135)

 

Ausschluss der Rechtswahl

Rechtswahl ist ausnahmslos unzulässig (§§ 19, 35 Abs. 1 IPRG) Rück und Weiterverweisung sind jedoch zu beachten (§ 5 IPRG) 

Sachstatut

Das Sachstatut regelt alle sachrechtlichen Fragen: Entstehung, Erwerb, Typologie, Inhalt, Wirkungen, Schutz, Übertragung und Untergang dinglicher Rechte einschließlich der sachrechtlichen Ansprüche bei Diebstahl. (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., S 135) Es entscheidet das Registerrecht, also das Recht am Registerort, über die notwendige Form der die Eintragungsgrundlage bildenden Urkunden; Schuld- und Sachenrechtsfragen sind kollisionsrechtlich getrennt zu beurteilen. (RS0076712) Das Sachstatut des § 31 Abs. 1 IPRG gilt nur für den sachenrechtlichen Erwerb und Verlust dinglicher Rechte; das einer grundbücherlichen Eintragung zugrunde liegende Titelgeschäft folgt jedoch dem nach §§ 35 ff IPRG zu ermittelnden Vertragsstatut. (SZ 72/48) Zu beachten ist aber, dass eine  Rechtswahl gem. § 35 IPRG nicht immer zulässig ist, so etwa nicht bei Immobiliengeschäften (lex rei sitae), was bei Nichtbeachtung durch den Vertragserrichter u.U.. zwar schuldrechtliche Auswirkungen hat aber nicht die (dingliche) Wirkung entfaltet die gewünscht wird und zur Haftung des Vertragserrichter  oder gar Unwirksamkeit/Nichtigkeit (bei Nichtvorlage der noetigen Urkunden, Nichtabgabe von im gesetz zwingend viorgesehenen Erklaerungen etc.) führen kann.

 

Vertragsform

Nach hM fällt auch  die Form dinglicher Vorgänge unter diese Norm: (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., S 135) So ist z.B. zum Immobilienerwerb in Italien  Notariatsaktpflicht vorgesehen, in Österreich genuegt die notarielle Beglaubigung einer Unterschrift: ein nach österreichischer  Rechtsform abgeschlossener Kaufvertrag über eine ital. Liegenschaft führt also nicht zum Rechtserwerb in Italien und kann allenfalls als Vorvertrag gewertet werden.

 Inhalt dinglicher Rechte

Der Inhalt der dinglichen Rechte ist nach § 31 Abs. 2 IPRG nach dem Recht des Staats zu beurteilen, in dem sich die Sachen befinden. Im Unterschied zum ersten Absatz der zitierten Gesetzesstelle wird hier nicht auf einen bestimmten Anknüpfungszeitpunkt abgestellt. Die Wirkungen des allenfalls nach dem Recht eines anderen Staats erworbenen dinglichen Rechts richten sich daher nach dem Recht des jeweiligen Lageortes. Gelangt eine Sache ins Inland, so kann das im Ausland entstandene dingliche Recht hier nur dann dingliche Wirkungen entfalten, wenn es mit der inländischen Sachenrechtsordnung vereinbar ist. (SZ 56/188 = EvBl 1984/118 S 465 = JBl 1984,550 (zustimmend Schwimann; zustimmend Hoyer, 543) = IPRax 1985,165 (Martiny, 168; siehe auch Rauscher,321) Auch die Frage des Zurückbehaltungsrechtes ist gemäß § 31 (vgl § 33 Abs 2) IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen. (SZ 65/62 = JBl 1992,707 = WBl 1992,370 = RdW 1992,400)

Der Grundsatz der Anerkennung im Ausland entstandener dinglicher Rechte gilt nicht ausnahmslos, insbesondere nicht bei besitzlosen Pfandrechten. (SZ 56/188 = EvBl 1984/118 S 465 = JBl 1984,550 (zustimmend Schwimann; zustimmend Hoyer, 543) = IPRax 1985,165 (Martiny, 168 siehe auch Rauscher JBl 1985,321)

 

Sicherungsrecht

Die Wirksamkeit des Sicherungsrechts hängt von der jeweiligen lex rei sitae ab, ist also nach einem Statutenwechsel der neuen Lageortsrecht ausgeliefert, und zwar sowohl mit heilender als auch mit vernichtender Wirkung. Der Fortbestand eines unter der Herrschaft des früheren Belegenheitsrechtes wirksam begründeten Sicherungsrechtes hängt daher nach Lageortswechsel des Sicherungsgutes allein von der Anerkennung durch die neue lex rei sitae ab, die hiefür in der Regel die Einhaltung ihrer grundlegenden Publizitätserfordernisse verlangt. (SZ 56/188 = EvBl 1984/118 S 465 = JBl 1984,550 (zustimmend Schwimann; zustimmend Hoyer,543) = IPRax 1985,165 (Martiny, 168; siehe auch Rauscher JBl 1985,321) Der Fortbestand eines unter der Herrschaft des früheren Belegenheitsrechtes wirksam begründeten Sicherungsrechtes hängt daher nach Lageortswechsel des Sicherungsgutes allein von der Anerkennung durch neue lex rei sitae ab. (RS0076753)

 

Immobilienrechte

Fuer Liegenschaften gilt ausnahmslos die lex rei sitae, also das Recht des Lageortes. Das gilt auch für dingliche Rechte an Wertpapieren  (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., S 136) gleichlautende Bestimmungen finden sich auch in ausl. Rechtssysteme, so etwa im Art. 51 des Gesetzes vom 31. Mai 1995 Nr. 218 (ital. Internationales Privatrecht)

 öffentlich-rechtlichen Eingriffsnormen  (Ausländergrundverkehr)

Die öffentlich-rechtlichen Eingriffsnormen des TirGVG gelten für in Tirol gelegene Liegenschaften unabhängig vom Vertragsstatut. (JBl 1992,594) So sind für den Immobilienerwerb die Ausländergrundverkehrsvorschriften des jeweiligen Bundeslandes zu beachten. (z.B. Einholung einer Negativbescheinigung bei Rechtsgeschäften mit EU Bürgern). So ist auch die Anwendung einer ausländischen Rechtsordnung, die es dem ausländischen Käufer gestatten würde, die Rückstellung der Liegenschaft trotz Unwirksamkeit des Vertrages zu verweigern, mit dem Zweck der Vorschriften über den Ausländergrundverkehr unvereinbar. (Hier: Auch durch den Einwand der Sittenwidrigkeit und des Rechtsmißbrauches kann die Rückstellungsverpflichtung nicht abgewendet werden). (RS0066173)

 Belegenheitsstatut/Erbstatut

Hängt die passive Klagslegitimation davon ab, nach welchem Recht zu beurteilen ist, wem die tatsächliche Verfügungsmacht über die strittige Liegenschaft zusteht, ist dies aber gemäß dem Belegenheitsstatut und nicht nach den allenfalls in Frage kommenden Erbstatut zu beurteilen. (IPRax 1988,276 (Hoyer, 255) = ZfRV 1988,132)

Auch nach den Bestimmungen des IPRG ist zwischen der dem "Belegenheitsstaut" des § 31 unterstehenden Beurteilung der Voraussetzungen und Wirkungen der sachenrechtlichen Rechtsänderung wie etwa Erwerb des Eigentums und dem Bestand des schuldrechtlichen Grundverhältnisses, des Titels zu unterscheiden, der gesondert nach dem einschlägigen Schuldstatut zu beurteilen ist. (EvBl 1985/117 S 589 = NZ 1986,160 = ZfRV 1986,226 (Hoyer) = IPRax 1986,175 (Schwind, 191)  Die Frage, wie das Eigentum an einer Liegenschaft erworben wird, muß von der Frage getrennt werden, nach welchen Gesetzen der Rechtsgrund und der persönliche Anspruch auf Übertragung des Eigentums zu beurteilen ist. (SZ 62/82)  Es entscheidet das Registerrecht, also das Recht am Registerort, über die notwendige Form der die Eintragungsgrundlage bildenden Urkunden. (Schuld- und Sachenrechtsfragen sind kollisionsrechtlich getrennt zu beurteilen. (RS0076777)

 

internationaler Versendungskauf

Bei einem internationalen Versendungskauf ist der Eintritt des Gutes in den Empfangsstaat als Versendung anzusehen (vgl Schwimann, Grundriß des IPR, 186), wenn nach dem Sachrecht des Bestimmungslandes (hier Österreich) der Eigentumsübergang bereits mit Versendung an den Käufer erfolgt. (SZ 62/138 = EvBl 1990/34 S 181 = ecolex 1990,20 = WBl 1990,53)

   

Eigentumsvorbehalt

Auch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen durch Vereinbarung der Erwerb des Eigentums trotz Übergabe hinausgeschoben werden kann - Eigentumsvorbehalt - fällt unter § 31 Abs 1 IPRG. (WBl 1989,224 (Wilhelm); SZ 63/85 = RdW 1991,108; SZ 65/62 = JBl 1992,707 = WBl 1992,370 = RdW 1992,400 )

 

Die Frage der Rechtswirksamkeit eines vereinbarten Eigentumsvorbehalts ist nach dem Recht des Lageorts der Sache zu beurteilen. (SZ 63/85 = RdW 1991,108) Nach österreichischem internationalem Privatrecht ist ein Eigentumsvorbehalt, der nach schweizerischem Recht mangels Registereintragung unwirksam ist, als wirksam anzusehen, wenn die Sache nach Österreich geliefert wird. (ÖBA 1987,930) So ist z.B. ein nach oesterreichischem Recht gueltig vereinbarter Eigentumsvorbehalt fuer Waren, die nach Italien transportiert werden und sich diese bereits in Italien befinden unwirksam, wenn dieser nicht registriert wird (Voraussetzung fuer dessen Wirksamkeit nach ital. Recht) umgekehrt ein in Italien unwirksam – weil nicht registrierter – Eigentumsvorbehalt für Ware, die sich in Österreich befindet, wirksam.

 

Sicherungsrecht

In der BRD wirksam erworbenes Sicherungseigentum macht nach Vorbringen der Gegenstände nach Österreich die Fahrnisexekution darauf nicht unzulässig. (JBl 1984,550 (zust. Schwimman; zust. Hoyer, JBl 1984,543) = IPRAX 1985,165 (Martiny 168) s. a. Rauscher JBl 1985,321) = SZ 56/188)

 Immissionsabwehrklagen

Die Immissionsabwehrklage nach §364 Abs2 ABGB ist dem §31 Abs 2 IPRG unterstellt. Das nationale Recht ist demnach dazu berufen, die Grenzen der Eigentümerbefugnisse im Hinblick auf inländische Liegenschaften abzustecken; Immissionen durch ein ausländisches Atomkraftwerk. (SZ 2006/54) Für die sachrechtlichen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wegen Verletzung von Nachbarrechten aus dem unmittelbaren Anliegerverhältnis  gilt ebenfalls das Lagerecht; für den deliktischen Entschädigungsanspruch ist jedoch gem. § 48 Abs. 1das Recht am Lageort der Stoerungsquelle anzuwenden (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., S 134/135)

 

Dingliche Ansprüche an unrechtmaessig verbrachten Kulturgütern

Dingliche Ansprüche an unrechtmaessig verbrachten Kulturgütern richten sich im allgemeinen (vorbehaltlich von Eingriffsnormen) nach dem Lageortsrecht im jeweiligen Sachverhaltszeitpunkt. (Abs. 1) unter Beachtung von Rück- und Weiterverweisung. Das KulturgueterrueckgabeG (BGBl 1998 I/67) sieht für die EU Staaten ein eigenes Sicherungs- und Rückstellungsverfahren vor.

 

Lageortwechsel

Die einmal eingetretene dingliche Rechtsaenderung wird durch nachträglichen Lageortwechsel nicht beeinflusst. Vorher erworbene Rechte bleiben bestehen,  nicht eingetretener Erwerb kann nicht rückwirkend saniert werden. Das betrifft lediglich die typenmaessige struktur.

Bei  Mobilien ist während des Transports nach hM das Recht des Bestimmungslandes sachenrechtlich maßgebend. (z.B. ausdruecklich derartig geregelt in Art. 52  Art. 51 des Gesetzes vom 31. Mai 1995 Nr. 218 (ital. Internationales Privatrecht)  - (Bei Verfügung durch Konnossement das Recht am Sitz des Verfrachters.- Vollstreckungsakte bleiben jedoch dem Lageort unterstellt. Struktur (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., S 139 ff)

 Avv. & RA Dr. Ulrike Christine WALTER Partner von  del Torre-Franco-Sgrazzutti & Partners  Studio legale Associato (Gorizia/Udine/ (Vienna)walter@avvocatinordest.it  


§ 31 IPRG | 2. Version | 1022 Aufrufe | 08.06.10
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Ulrike Christine Walter
Zitiervorschlag: Ulrike Christine Walter in jusline.at, IPRG, § 31, 08.06.2010
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