Art. 4 § 19 VbtG

VbtG - Verbotsgesetz 1947

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Berücksichtigter Stand der Gesetzgebung: 27.04.2024

(1) Minderbelastete Personen im Sinne des § 17, Abs. (3), haben die nachstehenden Sühnefolgen zu tragen:

a)

Sie unterliegen unbeschadet eines Strafverfahrens nach anderen Bestimmungen dieses Verfassungsgesetzes und unabhängig von seinem Ausgang einer laufenden und einer einmaligen Sühneabgabe nach den Bestimmungen des IX. Hauptstückes des Nationalsozialistengesetzes.

b)

Sie können im öffentlichen Dienst nur bei Bedarf und nur nach besonderer Prüfung ihres politischen Verhaltens vor dem 27. April 1945 verwendet werden. Jedenfalls gelten die nachfolgenden Bestimmungen:

aa)

Sie können eine Lehrkanzel für Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Geschichte, mittlere oder neuere deutsche Literaturgeschichte, Volkswirtschaftslehre, Volkswirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Gesellschaftslehre, ein Rechtsfach oder für ein Teilgebiet dieser Fächer nur innehaben, wenn auf ihren Antrag die beim Bundesministerium für Unterricht zu errichtende Komission (Anm.: richtig: Kommission) diese Tätigkeit gestattet. Die Bestätigung der Lehrbefugnis als Privatdozent kann widerrufen werden. Eine solche Bestätigung ist zu widerrufen, wenn die Lehrbefugnis die im ersten Satz besonders genannten Fächer oder eines ihrer Teilgebiete umfaßt. In diesem Fall kann die Lehrbefugnis auf Ansuchen des betroffenen Privatdozenten auf Antrag der beim Bundesministerium für Unterricht zu errichtenden Kommission wieder erteilt werden. Sie können ferner als Hochschulassistenten für ein solches Fach nur tätig sein, wenn auf ihren Antrag diese Kommission eine derartige Berufstätigkeit gestattet;

bb)

sie können außer in den Fällen des Abs. (2) nicht bei Polizeidienststellen, im Sicherheitswach-, im Gendarmerie-, im Kriminal-, im Zollwach- und im Justizwachdienst verwendet werden;

cc)

sie können außer in den Fällen des Abs. (2) nicht bei der Strafrechtspflege und beim Strafvollzug verwendet werden;

dd)

sie können sonst nicht auf Leiterposten im Lehr- und Erziehungsberuf bis 30. April 1948 verwendet werden, außer in Schulen, in denen nur eine Lehrperson als Klassenlehrer beschäftigt ist, höchstens jedoch für einen Zeitraum von sechs Monaten vom Tage des Inkrafttretens des Nationalsozialistengesetzes gerechnet, sofern sie nicht eine Erlaubnis von der im Abs. (2) genannten Kommission erhalten;

ee)

sie können im öffentlichen Dienst während des Dienststandes bis 30. April 1950 höchstens auf Dienstposten verwendet werden, die einem Dienstposten der VI. Dienstklasse der allgemeinen Verwaltung des Bundes (im Sinne des Gehaltsgesetzes 1927), wenn sie aber einem Dienstzweig der Verwendungsgruppe 8 der allgemeinen Verwaltung des Bundes angehören, einem Dienstposten der V. Dienstklasse dieser Verwaltung entsprechen. Ihr Dienstbezug kann den Höchstbezug der vorbezeichneten Dienstposten der allgemeinen Verwaltung nicht übersteigen. Haben oder hatten sie bereits einen höheren Dienstposten inne, dann sind sie für die Zeit des Dienststandes auf einen der vorstehenden Bestimmung entsprechenden Dienstposten mit der Maßgabe rückzureihen, daß hiedurch ihre Dienstbezüge nicht um mehr als ein Drittel vermindert werden; andernfalls sind die Bezüge durch Zulagen so zu erhöhen, daß sie zwei Drittel der früheren Bezüge erreichen. Rückgereihte können in der Zeit vom 1. Mai 1945 bis 30. April 1950 nicht auf einen höheren Dienstposten befördert werden. Erfolgt keine Rückreihung, so kann die Zeit vom 1. Mai 1945 bis 30. April 1950 für die Vorrückung in höhere Bezüge nicht angerechnet werden.

c)

Ihre Ruhegenüsse aus einem öffentlichen Dienstverhältnis oder ihre Versorgungsgenüsse nach einem öffentlichen Bediensteten werden bis 30. April 1955 um ein Drittel gekürzt; diese Kürzung findet jedoch nur soweit statt, als dadurch die um die Einkommen(Lohn)steuer verminderte monatliche Auszahlung nicht unter den Betrag von 150 S sinkt. Ihre Ruhe- und Versorgungsgenüsse entfallen jedoch bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zur amtsärztlich festgestellten dauernden Arbeitsunfähigkeit soweit, als die eben bezeichnete Mindestgrenze von 150 S überschritten wird. Zur Vermeidung unbilliger Härten können Unterhaltsbeiträge unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 98 des Gesetzes vom 25. Jänner 1914, R. G. Bl. Nr. 15 (Dienstpragmatik), von der Dienstbehörde (dem Dienstgeber) zuerkannt werden.

d)

Sie sind von der Führung eines Unternehmens oder Betriebes aus welchem Titel immer bis 30. April 1950 ausgeschlossen, sofern das Unternehmen oder der Betrieb nach der Höhe des Anlagekapitals, des Umsatzes, der Zahl der Beschäftigten oder nach sonstigen Merkmalen über den Rahmen eines Mittelbetriebes hinausgeht. Die näheren Bestimmungen über die Merkmale eines Mittelbetriebes werden durch Verordnung getroffen.

e)

Es treffen sie ferner die Sühnefolgen nach § 18, lit. c und m, bis zum 30. April 1950; dasselbe gilt von dem Betrieb des Fremdenbeherbergungsgewerbes, sofern das Unternehmen nach dem Stand vom Jahre 1944 über Nächtigungsmöglichkeiten für mehr als 15 Gäste verfügt, und von dem Betrieb der Gewerbe, die auf mechanischem oder chemischem Wege die Vervielfältigung von literarischen Erzeugnissen oder den Handel mit solchen zum Gegenstand haben, mit Ausnahme des im § 21, Abs. (5), Gew.O. umschriebenen Handels mit Presseerzeugnissen. Sie können ferner außer in den Fällen des Abs. (2) innerhalb dieser Zeit die Berufe eines Rechtsanwaltes (oder Rechtsanwaltsanwärters) - auch nicht als Angestellter in Rechtsanwaltskanzleien -, eines Verteidigers in Strafsachen (oder Anwärters in diesem Berufe) - auch nicht als Angestellter in der Kanzlei eines Verteidigers in Strafsachen -, eines Notars (Notariatskandidaten) - auch nicht als Angestellter in einer Notariatskanzlei -, eines Patentanwalts(Patentanwaltsanwärters) - auch nicht als Angestellter in einer Patentanwaltskanzlei -, eines Arztes, eines Zahnarztes, eines Pharmazeuten, eines Tierarztes, eines behördlich autorisierten und beeideten Ziviltechnikers, eines öffentlichen Wirtschaftsprüfers, eines Steuerberaters oder eines Gebäudeverwalters nicht ausüben und ein Theater-, Konzert-, Kino-, Varieté-, Zirkusunternehmen oder ein anderes Veranstaltungsunternehmen oder ein Filmverleihunternehmen nicht betreiben.

f)

Sie können sich bis zum 30. April 1950 nicht an der Gestaltung des Inhaltes einer Zeitung [§ 2, Abs. (2), Pressegesetz] mit Ausnahme von Fachzeitschriften, einer Zeitungskorrespondenz oder eines Sammelwerkes durch Beiträge beteiligen.

g)

Sie sind von der Bekleidung eines leitenden Postens im Lehr- und Erziehungsberuf bis 30. April 1950 ausgeschlossen. Sie können überdies bis zum gleichen Zeitpunkt von der zuständigen Aufsichtsbehörde von der Verwendung als Lehrer an Privatschulen ausgeschlossen werden.

h)

Sie sind bis zum 30. April 1950 vom passiven Wahlrecht in die gesetzgebenden Körperschaften und von dem Amt eines Geschworenen oder Schöffen ausgeschlossen.

i)

Sie können bis zum 30. April 1950 durch einseitige Verfügung der Aufsichtsbehörde vom Betrieb von Tabakverschleißgeschäften, Geschäftsstellen der Klassenlotterie und Lottokollekturen ausgeschlossen werden.

j)

Sie können bis zum 30. April 1950 der Akademie der Wissenschaften (der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien) nicht als wirkliche Mitglieder angehören; sie können bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu korrespondierenden Mitgliedern ernannt werden.

k)

Sie müssen bis zum 30. April 1950 von der Zulassung zum Hochschulstudium ausgeschlossen werden.

l)

Sie können bis zum 30. April 1950 vom öffentlichen Auftreten als frei schaffende Künstler oder als darstellende Künstler (Schauspieler, Sänger, Tänzer), als Dirigenten, Musiker, Regisseure, Bühnenbildner durch eine beim Bundesministerium für Unterricht eingesetzte Kommission ausgeschlossen werden. Das Nähere über die Zusammensetzung, die Geschäftsführung und das Verfahren vor dieser Kommission wird durch Verordnung bestimmt.

m)

Sie können, wenn sie von den im Abs. (2) genannten Kommissionen zur Berufsausübung nicht zugelassen werden, zu Arbeiten herangezogen werden.

n)

Gesetzliche Maßnahmen, betreffend Wohnungsanforderung, die im § 18, lit. i, vorgesehen sind, sind auch gegen minderbelastete Personen anzuwenden, wenn dies zugunsten von Kriegsopfern und Opfern der nationalsozialistischen Unterdrückung notwendig erscheint, jedoch unbeschadet der Bestimmungen über die Rückstellung von arisiertem oder sonst entzogenem Vermögen.

(2) Minderbelastete Personen können nur auf besondere Entscheidung von besonders zu diesem Zweck gebildeten Kommissionen bei Polizeidienststellen, im Sicherheitswach-, im Gendarmerie-, im Kriminal-, im Zollwach- und im Justizwachdienst, bei der Strafrechtspflege und beim Strafvollzug verwendet werden oder die Berufe eines Rechtsanwaltes (Rechtsanwaltsanwärters), eines Verteidigers in Strafsachen (Anwärters in diesem Berufe), eines Notars (Notariatskandidaten), eines Patentanwaltes (Patentanwaltsanwärters) ausüben oder in den Kanzleien der vorgenannten Berufe angestellt sein oder die Berufe eines Arztes, Zahnarztes, Pharmazeuten oder Tierarztes, eines behördlich autorisierten und beeideten Ziviltechnikers, eines öffentlichen Wirtschaftsprüfers, eines Steuerberaters oder eines Gebäudeverwalters ausüben oder ein Theater-, Konzert-, Kino-, Varieté-, Zirkusunternehmen oder ein anderes Veranstaltungsunternehmen oder ein Filmverleihunternehmen betreiben. Das gleiche gilt für die Ausübung des Lehrberufes nach den Bestimmungen des Abs. (1), lit. b, dd.

(3) Die Kommissionen bestehen aus dem zuständigen Bundesminister oder einem von ihm bestellten Vertreter als Vorsitzendem, einem Vertreter des Bundesministeriums, einem Angehörigen der Berufsvertretung des Betroffenen und aus je einem Vertreter der drei anerkannten politischen Parteien. Die Entscheidungen der Kommissionen werden mit einer Mehrheit von vier Stimmen getroffen. Der Vorsitzende stimmt nicht mit. Nähere Bestimmungen werden durch ein Bundesverfassungsgesetz festgelegt, das spätestens drei Monate nach Kundmachung des Nationalsozialistengesetzes zu erlassen ist.

In Kraft seit 18.02.1947 bis 31.12.9999
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