TE Vfgh Erkenntnis 1987/3/5 V48/86

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Veröffentlicht am 05.03.1987
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz litc
B-VG Art148e
B-VG Art148i Abs2
Verordnung der Gemeindevertretung von Damüls vom 8.3.1979 betreffend die Wintersperre des Güterweges Uga
StVO 1960 §44 Abs3
Vlbg Landesverfassung Art58 Abs2
StVO 1960 §87 Abs1
StVO 1960 §87 Abs2
StVO 1960 §94d

Leitsatz

Verordnung der Gemeinde Damüls betreffend Wintersperre eines Güterweges und gleichzeitige Ausnahme vom Verbot der Wintersportausübung; für die Kundmachung von V nach §87 Abs1 StVO 1960 über eine Ausnahme vom Verbot der Wintersportausübung gilt die Sonderregelung des §87 Abs2, in der keine Bestimmung über die Dauer des Anschlages einer V auf einer Amtstafel enthalten ist; gleichzeitig zu verfügende Sperre für den übrigen Fahrzeugverkehr ist durch Anbringung eines Verkehrszeichens nach §52 lita Z1 während der ganzen Dauer der Geltung der V kundzumachen; in teleologischer Auslegung des §87 Abs2 ist eine V nach §87 Abs1 von allen in Betracht kommenden Behörden während der ganzen Dauer ihrer Geltung auf der Amtstafel anzuschlagen - kein Rückgriff auf organisationsrechtliche Bestimmungen der Gemeindeordnung; V ist nicht während der ganzen Dauer ihrer Geltung durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht worden - Aufhebung der V zur Gänze

Spruch

Die von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 8. März 1979 beschlossene V betreffend die Sperre des Güterweges Uga für den gesamten Fahrzeugverkehr jedes Jahr vom 10. Dezember bis jeweils eine Woche nach Ostern und die gleichzeitige Ausnahme des Güterweges vom Verbot der Wintersportausübung, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Damüls in der Zeit vom 15. März 1979 bis 17. April 1979, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.

Die Vorarlberger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit einem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Landesvolksanwalt von Vorarlberg die Aufhebung der V der Gemeindevertretung von Damüls vom "14. März 1979" betreffend eine Wintersperre des Güterweges Uga.

Der Landesvolksanwalt erblickt den Mangel der V in ihrer gesetzwidrig erfolgten Kundmachung und regt an, die V ihrem ganzen Inhalt nach aufzuheben.

2. Die Gemeindevertretung von Damüls und die Vorarlberger Landesregierung haben Äußerungen erstattet, in denen sie begehren, dem Antrag des Landesvolksanwaltes nicht stattzugeben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Legitimation des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg zur Antragstellung ergibt sich aus Art58 Abs2 der Vorarlberger Landesverfassung idF LGBl. 30/1984, sowie aus Art148i Abs2 B-VG iVm Art148e B-VG. Der Antrag ist somit zulässig.

2. Die V hat folgenden Wortlaut:

"V E R O R D N U N G

Die Gemeindevertretung von Damüls faßte in ihrer Gemeindevertretersitzung vom 8. März 1979 unter Punkt 8 der Tagesordnung folgenden Beschluß:

'Gemäß den §§44, 94 und 87 StVO 1960 BGBl. Nr. 159/79 und 209/1969 in der geltenden Fassung wird der Güterweg Uga jedes Jahr vom 10. Dezember bis jeweils eine Woche nach Ostern für den gesamten Fahrzeugverkehr gesperrt und gleichzeitig vom Verbot der Wintersportausübung ausgenommen.

Bei schneearmen Verhältnissen wird das 'Allgemeine Fahrverbot' für die Bewohner der Parzelle Uga, sowie den Lieferantenzubringerdienst in der Zeit von 17.00 Uhr - 9.00 Uhr aufgehoben.'

Diese V gilt nicht für Schneefahrzeuge, wie Schidoos, Raupenfahrzeuge usw.

Gemäß §52 Z. 1 StVO 1960 muß eine Verbotstafel 'Allgemeines Fahrverbot' beim Haus Nr. 83 aufgestellt werden."

Diese V wurde durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Damüls in der Zeit vom 15. März 1979 bis 17. April 1979 kundgemacht. Die Sperre der Straße wurde darüberhinaus durch ein Verkehrszeichen gemäß §52 lita Z1 StVO 1960 - "Fahrverbot (in beiden Richtungen)" - beim Haus Nr. 83 kundgemacht.

3. Die V hat ihre materielle Grundlage in §87 Abs1 StVO 1960. Diese Bestimmung lautet:

"Wintersport auf Straßen

(1) Auf Straßen im Ortsgebiet, auf Bundes-, Landes- und Vorrangstraßen ist die Ausübung von Wintersport verboten, sofern eine solche Straße für den Fahrzeugverkehr nicht auf Grund der folgenden Bestimmung gesperrt oder auf Grund der Witterungsverhältnisse unbenützbar ist. Wenn es das öffentliche Interesse erfordert und keine erheblichen Interessen am unbehinderten Straßenverkehr entgegenstehen, kann die Behörde durch Verordnung einzelne Straßen von dem Verbot der Ausübung von Wintersport ausnehmen und für den übrigen Fahrzeugverkehr sperren."

Für die Kundmachung derartiger Verordnungen trifft Abs2 folgende Regelung:

"(2) Eine V nach Abs1 ist durch Anschlag auf der Amtstafel der Behörde kundzumachen."

Unter den Voraussetzungen des §94d StVO 1960 ist die Erlassung einer V nach §87 Abs1 StVO 1960 eine in

den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallende Angelegenheit (Z13).

4. Der Landesvolksanwalt erblickt die Gesetzwidrigkeit der V darin, daß nach §44 StVO 1960 Verordnungen, die sich durch Straßenverkehrszeichen nicht ausdrücken lassen, durch Anschlag an der Amtstafel der Behörde gehörig kundzumachen seien; der Anschlag sei 6 Wochen auf der Amtstafel zu belassen. Sollte aber nicht das System der Kundmachung gemäß §44 StVO 1960 zu beachten, sondern die V gemäß §87 Abs2 StVO 1960 während der gesamten Zeit ihrer Wirksamkeit anzuschlagen sein, so wäre festzuhalten, "daß sie im Winter 1986 an der Amtstafel nicht angeschlagen war, sondern nur durch eine in den Schnee gesteckte Fahrverbotstafel kundgemacht wurde. Diese Art der Kundmachung fand auch am 9. 4. 1986, also außerhalb der Zeit statt, während der sie dem eigenen Wortlaut zufolge Gültigkeit hat. Die Kundmachung ist somit in jedem Fall gesetzwidrig."

5. Die Vorarlberger Landesregierung tritt in ihrer Äußerung dieser Ansicht entgegen und meint, daß die Bestimmungen des §44 StVO 1960 über die Kundmachung von Verordnungen ausdrücklich nur für gemäß §43 StVO 1960 erlassene Verordnungen gelten würden. Eine Anschlagsdauer von sechs Wochen wäre kein gesetzlich zwingendes Erfordernis für die Kundmachung einer V gemäß §87 Abs1 StVO 1960. Auch das Argument, die V wäre allenfalls deshalb gesetzwidrig, weil sie gemäß §87 Abs2 StVO 1960 während der ganzen Zeit der Wirksamkeit an der Amtstafel hätte angeschlagen sein müssen, sei verfehlt, weil ein solcher Inhalt aus dem Wortlaut des §87 Abs2 StVO 1960 nicht abgeleitet werden könne. Mangels Anwendbarkeit der Bestimmung des §44 Abs3 StVO 1960 und mangels einer anderen für solche Verordnungen anwendbaren Bestimmung sei davon auszugehen, daß die von dem für die Gemeindeorganisation zuständigen Landesgesetzgeber geschaffenen Normen über die Kundmachung der V von Gemeindeorganen anzuwenden seien. Gemäß §27 Abs1 des Vorarlberger Gemeindegesetzes betrage die Kundmachungsfrist für die von Gemeindeorganen erlassenen Verordnungen zwei Wochen. Die vom Organisationsgesetzgeber festgesetzte Kundmachungsfrist von zwei Wochen fülle demzufolge die vom Materiengesetzgeber in §87 Abs2 StVO 1960 gelassene Lücke hinsichtlich der Kundmachungsfrist aus. Es sei daher davon auszugehen, daß die gegenständliche V ordnungsgemäß kundgemacht worden sei.

6. In einer auf die Äußerung der Vorarlberger Landesregierung erstatteten Replik vertritt der Landesvolksanwalt die Meinung, daß der Normsetzer die Gesetzeslücke systemimmanent aus §44 StVO 1960 schließen wollte, dabei allerdings den Kundmachungszeitraum verfehlt hätte.

7. In der Regierungsvorlage zum "Entwurf des Straßenpolizeigesetzes 1959" (22 der Blg. NR IX. GP.) war in §87 Abs2 vorgesehen, daß für die Kundmachung der Verordnungen nach Abs1 - (Verordnungen über Ausnahmen vom Verbot der Ausübung von Wintersport) - die Bestimmungen des §43 Abs2 (§43 erhielt bei den Beratungen im Handelsausschuß die Paragraphenbezeichnung "44") gelten.

Während bei den Beratungen der Regierungsvorlage im Handelsausschuß (240 der Blg. NR IX. GP.) eine Änderung der Fassung des §87 Abs1 nicht vorgenommen wurde, wurde für §87 Abs2 folgende Fassung vorgeschlagen:

"2) Eine V nach Abs1 ist durch Anschlag auf der Amtstafel der Behörde kundzumachen."

Es wurde demnach die Kundmachung von Verordnungen nach §87 Abs1 StVO 1960 über eine Ausnahme vom Verbot der Ausübung von Wintersport nicht - wie in der Regierungsvorlage vorgesehen der Regelung über die Kundmachung von Verordnungen, die sich durch Straßenverkehrszeichen nicht ausdrücken lassen, im Sinne des §44 Abs3 StVO 1960 unterworfen, sondern hiefür die Sonderregelung des §87 Abs2 StVO 1960 geschaffen, in der allerdings eine Bestimmung über die Dauer des Anschlages einer V auf der Amtstafel der Behörde nicht enthalten ist. Der Gesetzgeber hat aber damit zum Ausdruck gebracht, daß bei der Kundmachung von Verordnungen nach §87 Abs1 StVO 1960 über eine Ausnahme von dem Verbot der Ausübung von Wintersport die in §44 Abs3 StVO 1960 vorletzter und letzter Satz enthaltene Regelung, wonach der Anschlag sechs Wochen auf der Amtstafel zu belassen und der Inhalt der V überdies ortsüblich zu verlautbaren ist, nicht anzuwenden ist.

Wie sich ferner aus der Regelung des §87 Abs1 StVO 1960 ergibt, ist zugleich mit der Erlassung einer V über eine Ausnahme von dem Verbot der Ausübung von Wintersport der übrige Fahrzeugverkehr auf der Straße zu sperren. Eine solche Sperre ist durch Anbringung des Verkehrszeichens nach §52 lita Z1 StVO 1960 während der ganzen Dauer der Geltung der V kundzumachen.

Daraus sowie aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber für die Kundmachung von Verordnungen nach §87 Abs1 StVO 1960 ausdrücklich die von der Regelung des §44 Abs3 StVO 1960 abweichende Sonderregelung des §87 Abs2 StVO 1960 geschaffen hat, ergibt sich im Sinne einer teleologischen Auslegung in bezug auf die notwendige Publizitätswirkung des Anschlages einer V an einer Amtstafel folgendes: Dem §87 Abs2 StVO 1960 ist der Inhalt zu unterstellen, daß eine V nach §87 Abs1 StVO 1960 über die Ausnahme von dem Verbot der Ausübung von Wintersport während der ganzen Dauer ihrer Geltung auf der Amtstafel der Behörde - wobei für die Erlassung von Verordnungen nach §87 Abs 1 StVO 1960 jede Behörde nach den §§94a bis 94d StVO 1960 in Betracht kommen kann - anzuschlagen ist. Bei diesem bereits aus der Straßenverkehrsordnung 1960 gewonnenen und für alle in Betracht kommenden Behörden in gleicher Weise geltenden Inhalt des §87 Abs2 StVO 1960 kann die Auffassung der Vorarlberger Landesregierung, wonach für die Kundmachung von Verordnungen nach §87 Abs1 StVO 1960 durch Gemeindebehörden auf die organisationsrechtlichen Bestimmungen der Gemeindeordnung über die Kundmachung der von Gemeindeorganen (im eigenen Wirkungsbereich) erlassenen Verordnungen zurückzugreifen sei, nicht zutreffen.

Die von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 8. März 1979 beschlossene V ist zwar während der Zeit vom 15. März 1979 bis 17. April 1979, nicht aber während der ganzen Dauer ihrer Geltung durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Damüls kundgemacht worden. Dieser Mangel belastet die V jedenfalls seit dem 18. April 1979 mit Gesetzwidrigkeit, sodaß sie im Sinne des Antrages des Landesvolksanwaltes gemäß Art139 Abs3 litc B-VG zur Gänze aufzuheben ist.

8. Die Verpflichtung zur Kundmachung der Aufhebung durch die Vorarlberger Landesregierung ergibt sich aus Art139 Abs5

B-VG.

9. Die Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Volksanwaltschaft, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Straßenpolizei örtliche, Straßenpolizei, Fahrverbot, Verordnung Kundmachung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V48.1986

Dokumentnummer

JFT_10129695_86V00048_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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