TE Vwgh ErkenntnisVS 1971/12/9 0112/71

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Veröffentlicht am 09.12.1971
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

GrEStG 1955 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §16 Abs2;
VwGG §13 Z1;

Beachte

Abgehen von Vorjudikatur (demonstrative Auflistung): 0610/68 E 24. Oktober 1968 VwSlg 3792 F/1968; (RIS: abgv)

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Kaupp, Dr. Kadecka, Dr. Raschauer, Dr. Frühwald, Dr. Riedel, Hofstätter und Dr. Reichel als Richter, im Beisein der Schriftführer Finanzkommissär Smekal und Finanzkommissär Dr. Leitner, über die Beschwerde der G F in W, vertreten durch Dr. Erwin Englert, Rechtsanwalt in Wien I, Börsegasse 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. 11. 1970, GZ. GA VIII-98/1970, betreffend Grunderwerbsteuer, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Erwin Englert, und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzrat Dr. H J, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- binnen, zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen der Beschwerdeführerin und dem Verein der Freunde des Wohnungseigentums wurde am 15. 2. 1957 eine schriftliche Vereinbarung folgenden Wortlautes abgeschlossen:

"An den Verein der XY

Wien III

Rennweg n1

Betrifft: Bauvorhaben W., F...Kai nn

Durchführung Verein

I.

Ich F.

Adresse W, Wgürtel nn/n

Beruf Sängerin

geb. 1920 Wien

Staatszugehörigkeit Österreich

erkläre mich bereit, einen durch die Mietkommission des für das Bauvorhaben zuständigen Bezirksgerichtes ziffernmäßig noch zu bestimmenden Anteil der oben bezeichneten Liegenschaft entsprechend der im Punkt III top bezeichneten Eigentumswohnung zu erwerben und verpflichte mich, einen Pauschalbetrag für Kaufpreis- und Kosten (Gebühren) von

S 28.500,-- in Worten achtundzwanzigtausendfünfhundert innerhalb von 8 Tagen ab heute bar an die Kasse des Vereins

zu bezahlen, widrigenfalls diese Vereinbarung als nicht abgeschlossen gilt.

II.

In diesem Betrag sind der Kaufpreis, sämtliche Kosten und Gebühren sowie die Spesen des 'Vereins XY', im folgenden kurz 'Verein' genannt, inbegriffen. Eine Verzinsung des erlegten Betrages findet nicht statt. Sollten die derzeit bekannten Gebührensätze erhöht werden oder sollte eine Erhöhung des Kaufpreises durch behördliche Maßnahmen notwendig werden, erkläre ich mich zur Leistung einer meinem Anteil entsprechenden Nachzahlung bereit.

III.

Ich nehme zur Kenntnis, dass mir an der Wohnung Nr. VI/III/7 das Wohnungseigentum eingeräumt wird und räume dasselbe Recht den übrigen Miteigentümern bezüglich ihrer Wohnung ein; all dies im Rahmen der jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

IV.

Das Haus soll mit Hilfe eines Darlehens des Wohnhauswiederaufbaufonds oder unter Inanspruchnahme sonstiger öffentlicher Mittel aufgebaut werden.

Ich nehme zur Kenntnis, dass die Erteilung der Genehmigung eines solchen Darlehens durch das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau noch nicht erfolgt ist, so daß daher sowohl der Baubeginn als auch die Fertigstellung des Bauvorhabens ausschließlich nach den im Darlehensbewilligungsbescheid des Wohnhauswiederaufbaufonds enthaltenen diesbezüglichen Bestimmungen erfolgen werden.

V.

Ich verpflichte mich, alle zur Durchführung des Kaufes bzw. Bauvorhabens sowie alle zur grundbücherlichen Durchführung erforderlichen Urkunden und Unterlagen ohne Säumnis zu unterfertigen; ebenso verpflichte ich mich für den Fall, als eine Zwischen- oder Vorfinanzierung vorgenommen werden müsste, auch die hiezu notwendigen Urkunden und Unterlagen ohne Säumnis zu unterfertigen. Für den Fall einer Zwischen- oder Vorfinanzierung erkläre ich mich heute schon unwiderruflich bereit, den auf meinen Anteil entfallenden Zinsendienst zur Selbstzahlung zu übernehmen.

Ich erteile daher dem Verein Vo11macht, beschränkt auf das unter Punkt I bezeichnete Bauvorhaben, zur Vertretung vor allen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden. Diese Vollmacht erlischt mit der Genehmigung der Schlussrechnung durch den Wohnhauswiederaufbaufonds und nach Durchführung der im Endbeschheid derselben vorgeschriebenen Maßnahmen.

Gleichzeitig erkläre ich mich damit einverstanden, dass der Verein eine Realkanzlei mit der Verwaltung des zu erbauenden Hauses unter Kontrolle des Vereines beauftragt und nehme des weiteren zustimmend zur Kenntnis, dass durch diese Verwaltungskanzlei eine Verwaltungsgebühr in der gesetzlichen Höhe von 10 % der Baukostenrate eingehoben wird.

VI.

Ich erkläre mich einverstanden, dass der Verein der Freunde des Wohnungseigentums jederzeit ohne Angaben von Gründen, jedoch nur auf Beschluss des Vorstandes, gegen Rückzahlung des einbezahlten Kaufschillings von dem mir gewährten Angebot zurücktreten kann, insbesondere weil im gegenwärtigen Zeitpunkt die Frage der Rechte allfälliger Altmieter noch nicht restlos geklärt ist.

Sollte ich, aus wie immer gearteten Gründen, von diesem mir gewährten Anbot vor Abschluss des Kaufvertrages zurücktreten, ist der 'Verein XY' berechtigt, einen Spesenersatz von 10 % des vereinbarten Pauschalpreises einzubehalten.

Ich räume dem Verein das Wiederkaufsrecht gemäß § 1068 ABGB und das Vorkaufsrecht gemäß § 1071 ABGB ein. Hinsichtlich des eingeräumten Vorkaufsrechtes verpflichte ich mich, die sub I bezeichneten Anteile zu dem dortselbst genannten Kaufpreis dem Verein anzubieten.

VII.

Ich erkläre, in die vom Verein abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Architekten- und Bauverträge einzutreten und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen zur Selbstleistung zu übernehmen.

Desgleichen nehme ich zur Kenntnis, dass geringfügige Planänderungen möglich sind und stimme ich schon heute solchen Änderungen zu.

Ebenso erkläre ich mich damit einverstanden, dass das zu erbauende Haus einen Hofnamen erhält und gebe schon heute meine Zustimmung zur Anbringung einer solchen Aufschrift, sowie zur Anbringung eines Vereinsemblems.

VIII.

Ich verpflichte mich jetzt schon, mit jeder Tilgungsrate des Fondsdarlehens einen weiteren Betrag in der Höhe von 10 % jeder Rate auf ein gemeinsames Konto aller Wohnungseigentümer dieses Hauses als Reserve für spätere Baureparaturarbeiten einzubezahlen. Über dieses Reparaturreservekonto wird der jeweilige Hausverwalter mit Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer (anteilmäßig) verfügungsberechtigt sein.

IX.

Ich nehme hiermit das mir gewährte Anbot an und erkläre mich mit vorstehenden Bedingungen vollinhaltlich einverstanden. G F... eh.

Rundstampiglie: Verein XY

Wien III., Rennweg n1

zwei Unterschriften eh. unleserlich."

Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern vom 1. 9. 1969 wurde der Beschwerdeführerin für diese als "Optionsübereinkommen" bezeichnete Vereinbarung eine Grunderwerbsteuer im Betrag von S 1.995,-- (berechnet auf Basis des vereinbarten Kaufpreises von S 28.500,--) mit der Begründung vorgeschrieben, dass infolge Nichterfüllung des begünstigten Zweckes innerhalb von acht Jahren im Sinne des § 4 Abe 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 BGBl 140 (GrEStG) die Nachversteuerung einzutreten habe. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sich die Fertigstellung des Hauses infolge von ihr nicht zu vertretender unvorhergesehener Ereignisse verzögert habe, sodass bei dieser Sachlage die Steuererhebung dem Sinne der geltend gemachten Befreiungsvorschrift nicht entsprechen würde.

Eine vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern am 5. 11. 1969 erlassene abweisende Berufungsvorentscheidung trat durch den Antrag der Beschwerdeführerin, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen, außer Wirksamkeit. Gleichzeitig machte die Beschwerdeführerin als neuen Berufungsgrund geltend, dass die zum Anlass der Steuererhebung genommene Vereinbarung lediglich ein Vorvertrag gewesen sei, der darauf gerichtet war, einen Kaufvertrag über jene durch die Parifizierung näher zu bezeichnenden, ihrer Wohnung entsprechenden Liegenschaftsanteile abzuschließen. Der Verein habe sich im Punkt VI der Vereinbarung ein jederzeitiges Rücktrittsrecht ausbedungen, das bis zum Abschluss des Kaufvertrages rechtswirksam sei. Der "Kauf- und Wohnungseigentümervertrag" sei bisher noch nicht errichtet worden. Eine Anzeigepflicht hinsichtlich der Vereinbarung vom 15. 2. 1957 sei (gemeint ist offenbar mangels Vorliegens eines steuerbaren Tatbestandes) sohin gar nicht entstanden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. 11. 1970 ist die Berufung als unbegründet abgewiesen worden. Soweit sich die Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Nichtanwendung der Befreiungsbestimmung des § 4 Abs 1 Z 3 lit a GrEStG bezieht, braucht auf sie nicht eingegangen zu werden, weil die Beschwerdeführerin diesen Punkt der Berufung in der vorliegenden Beschwerde ausdrücklich fallen gelassen hat. Was den später geltend gemachten Berufungseinwand anlangt, die in Frage stehende Vereinbarung sei lediglich ein Vorvertrag gewesen, der keinen Anspruch auf Übereignung des Grundstückes begründet habe, so verweist der angefochtene Bescheid auf eine Entscheidung des OGH vom 5. 12. 1962, 7 Ob 327/62 (EvBl 1963, 163), wonach dieser Gerichtshof ein gleichartiges Rechtsgeschäft als Punktation gewertet habe, auf welches die Regeln des Kaufvertrages anzuwenden seien. Die Punktation sei ein über die Hauptpunkte eines Geschäftes errichteter Aufsatz, der nach § 885 ABGB diejenigen Rechte und Pflichten begründe, die in dem Aufsatz ausgedrückt seien. Beim Grundstückserwerb durch Rechtsgeschäft entstehe die Steuerschuld bereits mit der Begründung des Übereignungsanspruches, daher entstehe die Steuerschuld auch dann, wenn über das Erwerbsgeschäft nur eine Punktation errichtet worden sei. Die Vereinbarung vom 15.2.1957 stelle ein Verpflichtungsgeschäft nach § 1 Abs 1 Z. 1 GrEStG dar und sei daher grundsätzlich steuerpflichtig (Hinweis auf das hg  Erk 1.2.1968, Slg 3717(F)). Nicht zum Erwerb, sondern nur zur Ausführung des Rechtsgeschäftes, nämlich zur Verbücherung, bedürfe es noch einer einverleibungsfähigen Urkunde. Sei aber ein Verpflichtungsgeschäft über die Übereignung von Liegenschaftsanteilen abgeschlossen worden, dann könne das im Punkt VI der Vereinbarung dem Verkäufer eingeräumte Rücktrittsrecht nur den Rücktritt vom Übereignungsvertrag betreffen.

In der vorliegenden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen Beschwerde wird im wesentlichen folgendes vorgebracht:

In der in der Begründung des angefochtenen Bescheides zitierten Entscheidung des OGH habe dieser Gerichtshof zwar einen inhaltlich vollkommen gleichen Vorvertrag rechtlich zu beurteilen gehabt und sei hiebei zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich nicht um eine Option handle, sondern um einen Interimsvertrag, der als Punktation anzusehen sei, welche wiederum einen Spezialfall des Vorvertrages darstelle. Nur bei oberflächlicher Betrachtung scheine es so, dass sich die belangte Behörde zu Recht auf diese Entscheidung berufe. Denn zunächst sei davon auszugehen, dass ein Vorvertrag nach § 936 ABGB den Anspruch auf Abschluss eines Vertrages begründe und nicht den Anspruch auf Übereignung eines Grundstückes. Ein solcher Vorvertrag sei daher kein Übereignungsgeschäft nach § 1 Abs 1 Z. 1 GrEStG Gschnitzer führe in Klangs Kommentar (IV/1, 574) aus, die Punktation unterscheide sich vom Vorvertrag dadurch, dass sie im Notfall den formellen Vertrag ersetzen könne, sie könne daher im Grundbuch vorgemerkt werden, was beim Vorvertrag nicht der Fall sei. Der Vorvertrag vom 15. 2. 1957 sei jedoch nicht geeignet, einen künftig zu schließenden Vertrag zu ersetzen; dies schon deshalb, weil er vom Verkäufer nicht in beglaubigter Form unterfertigt worden sei. Darüber hinaus seien die gegenseitigen Rechte und Pflichten keineswegs so vollständig geregelt, dass von einem tauglichen Kaufvertrag gesprochen werden könnte. Abgesehen von den beiderseitigen Rücktrittsrechten falle auf, dass keine Regelung hinsichtlich des Übergabszeitpunktes getroffen wurde, dass der Kaufpreis gem Punkt II der Vereinbarung eine Erhöhung erfahren könne und dass völlig offengeblieben sei, wann das Objekt, hinsichtlich dessen der künftige Vertrag zu schließen sei, errichtet werden sollte.

Über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof durch einen nach § 13 Z 1 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen:

Gem § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines (inländischen) Grundstückes begründet. Ein Anspruch auf Übereignung besteht dann, wenn der Erwerber seinen Anspruch auf Übereignung ohne weitere rechtsgeschäftliche Abmachung, letzten Endes im Klageweg, also unmittelbar, durchzusetzen vermag.

Prüft man die am 15. 2. 1957 abgeschlossene Vereinbarung unter diesem Gesichtspunkt, so ergibt sich folgendes: aus dem oben wiedergegebenen Wortlaut der Vereinbarung geht deren Zweck hervor, der darin besteht, der Beschwerdeführerin das Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung im Haus W., F...Kai nn, dessen Wiederaufbau unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel geplant war, zu verschaffen. Das Bauvorhaben befand sich noch im Stadium der Projektierung, die finanziellen Mittel für den Wiederaufbau waren noch nicht gesichert, die endgültige Aufteilung der Miteigentumsanteile unter die zukünftigen Mit- und Wohnungseigentümer stand noch nicht unabänderlich fest. Es liegt in der Natur der Sache, dass in diesem Stadium mit den künftigen Wohnungseigentümern noch keine endgültigen Verträge abgeschlossen werden können, sondern nur Interimsverträge, die sich auf die wesentlichen Punkte der künftigen Regelung beschränken und eine vorläufige Bindung der Vertragsparteien zumindest soweit herbeiführen, dass damit die Ausführung des Vorhabens unter dem Gesichtspunkte der Zustimmung der Wohnungseigentums-Interessenten als gesichert erscheinen lässt. Nichtsdestoweniger wurde, wie sich schon aus Punkt I der Vereinbarung ergibt, zwischen den Vertragspartnern Willensübereinstimmung darüber erzielt, dass ein bestimmter bzw. durch behördliche Entscheidung objektiv bestimmbarer Anteil einer durch Angabe der Adresse bezeichneten Liegenschaft um einen betragsmäßig festgesetzten Kaufpreis vom Verein XY in das Eigentum der Beschwerdeführerin übertragen werden sollte. Damit waren aber die Hauptpunkte eines Kaufvertrages, nämlich Kaufobjekt und Kaufpreis, im Sinne des § 885 ABGB fixiert. Ist doch der Kauf ein grundsätzlich an keine Formvorschrift gebundener Konsensualvertrag, der durch die Willensübereinstimmung der Parteien über Ware und Preise zu Stande kommt. Dass diese Punktation zur grundbücherlichen Eintragung des Eigentumsrechtes der Beschwerdeführerin aus verschiedenen Gründen nicht ausreichend war, weil es nämlich insbesondere an der exakten Bezeichnung des Grundstückes (Angabe der Einlagezahl und des ideellen Anteiles) sowie an der Aufsandungserklärung der Verkäuferin und an der Beglaubigung ihrer Unterschrift fehlte, ist rechtlich nicht von entscheidender Bedeutung; denn die für die Verbücherung notwendigen formellen Erfordernisse sind nur Voraussetzung für die Übertragung des Eigentumsrechtes, dagegen nicht für die Gültigkeit der obligatorischen Verpflichtung aus dem Kaufvertrag. Die Pflicht zur Entrichtung von Grunderwerbsteuer knüpft aber nach § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG an das Verpflichtungsgeschäft und nicht erst an das Erfüllungsgeschäft an. Jedenfalls muss die Bezeichnung des Kaufobjektes in der gegenständlichen Vereinbarung als ausreichend dafür angesehen werden, um einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Übereignung und damit auf Ausstellung einer einverleibungsfähigen Urkunde durchsetzen zu können. Denn die notwendige Ergänzung der Vereinbarung in den angeführten Punkten hätte ja nicht einer erst zu treffenden neuen Willenseinigung der Parteien bedurft, sie war vielmehr bereits durch den Inhalt der vorliegenden Vereinbarung vorbestimmt. So ist die Einlagezahl der Liegenschaft auf Grund der bekannten Anschrift des Hauses aus dem Grundbuch bzw. den zugehörigen Verzeichnissen einwandfrei festzustellen; ferner hängt die Größe des zu übertragenden ideellen Anteiles lediglich vom Verhältnis des Jahresmietzinses der der Beschwerdeführerin zugesagten Wohnung zur Gesamtheit aller Jahresmietzinse im Gebäude, in dem das Wohnungseigentum begründet werden soll, ab. Diese Jahresmietzinse sind gem § 2 des Wohnungseigentumsgesetzes, BGBl 1948/149 idFd Novelle BGBl 1951/28 auf Antrag vom zuständigen Bezirksgericht festzusetzen.

Wenn in der Beschwerde gegen die Wertung der Vereinbarung als Punktation noch vorgebracht wird, dass sie keine Regelung hinsichtlich des Übergabezeitpunktes enthalte, dass der Kaufpreis gem Punkt II erhöhbar sei und dass eine Bestimmung über den Zeitpunkt der Errichtung des Objektes fehlen ist dazu folgendes zu sagen: die Fixierung des Zeitpunktes der Übergabe kann schon deshalb nicht als Hauptpunkt des Kaufvertrages angesehen werden, weil § 1061 ABGB bestimmt, dass der Verkäufer schuldig ist, die Sache dem Käufer nach eben den Vorschriften zu übergeben, welche bei dem Tausch (§ 1047) aufgestellt worden sind. Im § 1047 ABGB heißt es aber, dass die Sachen "zu rechter Zeit, am gehörigen Ort ... zu übergeben und zu übernehmen" sind. Mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung werden zur Auslegung dieser Bestimmung die Regeln des redlichen Verkehrs anzuwenden sein. Was die im Punkt II der Vereinbarung vorbehaltene Möglichkeit der Erhöhung des Kaufpreises anlangt, so ist sie ausdrücklich auf den Fall einer behördlichen Maßnahme oder von Gebührenerhöhungen eingeschränkt. Auch sie ist daher der Willkür der Partei entzogen und objektiv feststellbar. Was schließlich den Zeitpunkt der Errichtung des Hauses anlangt, so ist er für die Frage der Entstehung der Grunderwerbsteuerpflicht völlig ohne Belang, weil dieser ja durch den Erwerb des Liegenschaftsanteiles ausgelöst wird, gleichgültig ob und wann die Liegenschaft verbaut wird.

Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass die von der belangten Behörde zur Bekräftigung ihrer Ansicht, es handle sich bei der Vereinbarung um eine Punktation und nicht um einen bloßen Vorvertrag, herangezogene Entscheidung des OGH vom 5. 12. 1962, EvBl 1963, 163, in Wirklichkeit für diesen Standpunkt nichts hergebe, so muss dem widersprochen werden. In der Begründung der genannten Entscheidung, der offensichtlich eine gleich lautende Vereinbarung zu Grunde lag, heißt es wörtlich: "Der OGH pflichtet der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes bei, dass der gegenständliche Vertrag keine Option, sondern ein Interimsvertrag ist, der gem § 885 ABGB als Punktation anzusehen ist, die wieder ein Spezialfall des Vorvertrages ist (Gschnitzer im Klang2 IV 574 zu § 936)." Gschnitzer bezeichnet zwar aaO die Punktation als Spezialfall des Vorvertrages, versteht dies aber, wie seine weiteren Ausführungen im Kommentar andeuten, so, dass es sich in beiden Fällen um ein Provisorium für einen abzuschließenden Hauptvertrag handle. Er hebt aber ausdrücklich den Unterschied zwischen diesen beiden Rechtsinstitutionen hervor, der darin bestehe, dass die Punktation der Aufsatz eines bereits geschlossenen Vertrages sei und die Parteien nicht nur - wie der Vorvertrag - zum Abschluss des endgültigen Vertrages, sondern auch direkt zu seiner Erfüllung verpflichte. Dass die vorliegende, als Punktation zu wertende, Vereinbarung alle wesentlichen Punkte enthält, um den Anspruch auf Übereignung des Liegenschaftsanteiles durchsetzen zu können, wurde oben bereits dargelegt. Dem Umstand, dass die Vereinbarung in der vorliegenden Form auch zur Vormerkung im Grundbuch nicht geeignet erscheint, weil sie insbesondere den gekauften Liegenschaftsanteil nicht mit der für das Grundbuch nötigen formellen Genauigkeit bezeichnet, kann demgegenüber keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, zumal der Kaufgegenstand jedenfalls so ausreichend konkretisiert war, dass er - allenfalls im Prozesswege - bestimmt hätte werden können.

Im übrigen sei noch darauf verwiesen, dass ein Vorvertrag gem § 936 ABGB zwingend den Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptvertrages enthalten muss, die fragliche Vereinbarung eine solche Bestimmung aber nicht enthält. Sie kann auch aus diesem Grunde nicht als Vorvertrag gewertet werden (vgl das hg Erk 5. 6. 1971, 1281, 1569/70).

Einer besonderen Erwähnung bedarf allerdings das in Punkt VI der Vereinbarungen der Verkäuferin unbeschränkt und der Käuferin unter Einbuße von 10 vH des Kaufpreises eingeräumte Rücktrittsrecht. In seinem Erkenntnis vom 24. 10. 1968, Zl. 0610/68, Slg 3792(F) hat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertreten, dass die Einräumung eines jederzeitigen Rücktrittsrechtes geeignet sei, die gerichtliche Durchsetzung des Übereignungsanspruches problematisch zu machen. Ein im Klageweg durchsetzbarer Übereignungsanspruch bestehe in einem solchen Falle erst nach Ablauf der Zeit, in der das Rücktrittsrecht geltend gemacht werden könnte, vorher könne man nur von einem bedingten Übereignungsanspruch sprechen, der aber unter Bedachtnahme auf § 16 Abs 2 GrEStG 1955 den Steueranspruch erst dann zur Entstehung bringe, wenn die Bedingung, nämlich die Unterlassung der Ausübung des Rücktrittsrechtes, eingetreten ist.

Diese Ansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht aufrecht zu halten. Wie aus § 20 Abs 1 Z 1 GrEStG abgeleitet werden muss, ist die Vereinbarung eines jederzeitigen Rücktrittsrechtes nicht geeignet, die Entstehung eines Übereignungsanspruches von vornherein auszuschließen. Nach dieser Bestimmung wird nämlich die Grunderwerbsteuer nicht erhoben oder rückvergütet, wenn der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, insbesondere wenn die Aufhebung durch Ausübung des vorbehaltenen Rücktrittsrechtes stattfindet. Diese Vorschrift wäre entbehrlich, wenn die Vereinbarung eines Rücktrittsrechtes die Grunderwerbsteuerpflicht bei einem Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstückes zum Gegenstand hat, ausschlösse. Solange der Rücktritt nicht erklärt worden ist - dass dies im vorliegenden Falle geschehen wäre, wurde niemals behauptet - behält das Rechtsgeschäft seine bindende Wirkung. Das vereinbarte Rücktrittsrecht hat demnach nicht zur Folge, dass die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges von einer aufschiebenden Bedingung im Sinne des § 16 Abs 2 GrEStG 1955 abhängig wäre, vielmehr wäre die Geltendmachung des Rücktrittsrechtes als Eintritt einer auflösenden Bedingung anzusehen, deren Vereinbarung an der Entstehung der Grunderwerbsteuerschuld nichts zu ändern vermag (vgl. Erk d VwGH 12. 11. 1952, Zl. 2809/50, Slg 667 (F)). Die im vorliegenden Erkenntnis vertretene Rechtsauffassung steht auch mit der überwiegenden Vorjudikatur (vgl. die Erk 19. 3. 1964, 887/63, 22. 1. 1970, 1416/63, 19. 11. 1970, 316/69 und 6. 5. 1971, 1281, 1589/70) im Einklang.

     Aus den angeführten Gründen erweist sich, dass die belangte

Behörde nicht gegen das Gesetz verstoßen hat, wenn sie die

Vereinbarung vom 15. 2. 1957 als Erwerbsvorgang im Sinne des § 1

Abs 1 Z 1 GrEStG angesehen und der Beschwerdeführerin hiefür

Grunderwerbsteuer vorgeschrieben hat. Die Beschwerde war daher gem

§ 42 Abs 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

     Der antragsgemäß erfolgte Kostenzuspruch gründet sich auf

§ 47 Abs 1, Abs 2 lit b, Abs 5, § 48 Abs 2 lit. a, b und d., § 49

Abs 2 VwGG 1965 in

Wien, am 9. Dezember 1971

Schlagworte

Punktation Interimsvertrag Vorvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1971:1971000112.X00

Im RIS seit

09.12.1971

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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