TE Vwgh Erkenntnis 1976/12/22 2027/75

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Veröffentlicht am 22.12.1976
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
81/01 Wasserrechtsgesetz;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
Bewilligungspflichtige wassergefährdende Stoffe 1969;
GewO 1973 §355;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs2 Z4;
GewO 1973 §74 Abs2 Z5;
GewO 1973 §77;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §2 Abs1 Z1;
WRG 1959 §31a idF 1969/207;

Beachte

Vorgeschichte: 0919/74 E 20. November 1974;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Skorjanec und die Hofräte Kobzina, Dr. Hrdlicka, Dr. Baumgartner und Dr. Griesmacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Thumb, über die Beschwerde des Dr. GH, des Dr. PP und der GP, alle in G, alle vertreten durch Dr. Wilfried Haidacher, Rechtsanwalt in Graz, Tummelplatz 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 30. September 1975, Zl. 143.553-III- 3/75, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Ing. BV in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 26. Februar 1973 suchte BV, die mitbeteiligte Partei im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, um die gewerbebehördliche Genehmigung seines Tankstellenprojektes in Graz, X-straße, neben dem Haus Nr. nn an. Hierüber fand am 23. Mai 1973 an Ort und Stelle eine Verhandlung statt, bei der mehrere Anrainer, darunter auch die Beschwerdeführer, Einwendungen erhoben. Der Landeshauptmann von Steiermark erließ sodann den Bescheid vom 29. Juni 1973, mit dem er der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 25, 26 und 30 GewO (1859) die gewerbebehördliche Genehmigung für die geplante Tankanlage auf Grundstück Nr. n1 Katastralgemeinde G unter Vorschreibung im einzelnen angeführter Bedingungen erteilte. Der dagegen von den Beschwerdeführern eingebrachten Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 29. März 1974, Zl. 141.185-II-13/74, nicht Folge. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. November 1974, Zl. 919/74, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Aus der Niederschrift über die am 23. Mai 1973 stattgefundene mündliche Verhandlung - so führte der Verwaltungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses aus - sei zwar zu entnehmen, dass an dieser Verhandlung wohl ein verkehrs- und maschinentechnischer Amtssachverständiger, jedoch kein ärztlicher Amtssachverständiger teilgenommen habe. Welches Gutachten der verkehrs- und maschinentechnische Amtssachverständige im einzelnen abgegeben habe, gehe aus der Niederschrift nicht hervor. Über die von der in Aussicht genommenen Tankstelle zu erwartenden Geruchs- und Lärmbelästigungen sei in der Niederschrift über die Verhandlung am 23. Mai 1973 keine allenfalls dem technischen Amtssachverständigen zuzurechnende Aussage enthalten. Da ein ärztlicher Amtssachverständiger an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen habe, fehle im erstinstanzlichen Bescheid ein solches Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen zur Gänze. Im Berufungsverfahren sei zwar ein Gutachten eines ärztlichen Amtssachverständigen des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz eingeholt worden, dessen wesentlicher Inhalt sich aber in der Äußerung erschöpfe, es stehe auf Grund der aktenkundigen Ortssituation fest, dass die gegenständliche Betriebsanlage bei projektgemäßer Ausführung und bei Erfüllung bzw. Einhaltung der im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Vorschreibungen und Bedingungen keine praktisch ins Gewicht fallende Vermehrung jener Lärm- und Geruchsbelästigungen verursachen werde, denen die Anrainer, im wesentlichen durch den Straßenverkehr bedingt, schon jetzt ausgesetzt seien. Es sei nicht Sache eines ärztlichen Sachverständigen, sich darüber zu äußern, welcher Art die vor einer Betriebsanlage zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft seien. Hiezu wäre vielmehr zunächst ein gewerbetechnischer Amtssachverständiger berufen gewesen, der sich auch mit der von den Beschwerdeführern im Verfahren aufgeworfenen Frage der zu erwartenden Geruchs- und Lärmimissionen, die sich durch das erfahrungsgemäß häufige verkehrsbedingte Anhalten und das Laufenlassen des Motors am Stand der aus der Tankstelle ausfahrenden Fahrzeuge, bis die Ausfahrt auf die Straße möglich werde, ergeben können, zu befassen gehabt hätte. Dabei hätte sich dieser Sachverständige auch dazu zu äußern gehabt, ob wirksame Maßnahmen zur Verhinderung oder Verringerung der allenfalls zu erwartenden Abgas- und Lärmimmissionen getroffen werden könnten. Erst nach Vorliegen eines solchen Gutachtens eines gewerbetechnischen Amtssachverständigen hätte sich der ärztliche Sachverständige dazu äußern können, welche Einwirkungen auf die Nachbarschaft zu erwarten sein würden. Im übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Mit dem im fortgesetzten Verfahren erlassenen Bescheid vom 30. September 1975 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer neuerlich, nunmehr "gemäß §§ 74 und 77 GewO 1973" nicht Folge. Gleichzeitig änderte sie den Bescheid der Vorinstanz dahingehend ab, dass an die Stelle des Wortlautes der zitierten Gesetzesbestimmungen der §§ 25, 26 und 30 GewO (1859) der Wortlaut "§§ 74 und 77 GewO 1973 im Zusammenhalt mit § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972 in der Fassung BGBl. Nr. 144/1974, zu treten" habe. Begründend wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe im fortgesetzten Verfahren unter Mitwirkung eines gewerbetechnischen und eines ärztlichen Amtssachverständigen zur genauen Sachverhaltsfeststellung, "insbesondere zu der, vom Verwaltungsgerichtshof aufgeworfenen Frage" am 27. Mai 1975 einen unangesagten Augenschein vorgenommen, auf Grund dessen sich der gewerbetechnische Amtssachverständige wie folgt gutächtlich geäußert habe: Die Landesstraße - X-straße verlaufe in dem Bereich, in dem die Tankstelle errichtet werden soll, geradlinig, habe dort eine Breite von sieben Metern und weise auf keiner Seite einen Gehsteig oder Fußweg auf. Die Straße sei stark frequentiert; es führen auffällig viele Lastkraftwagen. Während des Augenscheines seien zweimal, und zwar von 10.45 Uhr bis 10.50 Uhr und von 11.15 Uhr bis 11.20 Uhr, die auf der Landesstraße vorbeifahrenden Fahrzeuge gezählt worden. Während des erstgenannten Zeitraumes seien insgesamt 47 Fahrzeuge, darunter 23 Lkw, in fünf Minuten vorbeigefahren; im darnach angegebenen Zeitraum seien insgesamt 75 Fahrzeuge, darunter 34 Lkw, vorbeigefahren. Lautstärkemessungen auf den an die Straße anrainenden Grundstücken hätten, zehn Meter von der Straße entfernt, Werte zwischen 70 bis 80 dB(A), je nach Verkehr auf der Straße, ergeben. Ein Anrainer der Straße habe erklärt, dass der starke Verkehr den ganzen Tag andauere, erst gegen 11.00 Uhr abends nachlasse, um 3:00 Uhr morgens jedoch bereits wieder beginne. In ganz seltenen, kurzen Zeitabschnitten von wenigen Sekunden, an denen im unmittelbaren Bereich des Grundstückes, auf dem die Tankstelle gebaut werden solle, keine Fahrzeuge auf der Straße vorbeigefahren seien, habe ein niederster Wert des Umgebungsgeräusches (Grundgeräuschpegel) von 47 dB(A) gemessen werden können. Das Grundstück der Beschwerdeführer liege westlich des Grundstückes, auf dem die Tankstelle errichtet werden solle und sei in seinem Niveau tiefer als die Landesstraße, an die es direkt angrenze. Auf diesem Grundstück stehe in der rechten hinteren Ecke ein Wohnhaus, etwa 20 Meter von der Landesstraße entfernt. Der Zugang zum Wohnhaus befinde sich in der Y-gasse, die in die Landesstraße einmünde. Geräuschpegelmessungen auf dem Grundstück der Anrainer, etwa in der Höhe der straßenseitigen Front des Wohnhauses ca. 20 Meter von der Landesstraße entfernt, hätten Werte der Schallpegel von 62 bis 69 dB(A) je nach Verkehr auf der Landesstraße ergeben. Die Tankstelle solle östlich des Grundstückes der Anrainer unmittelbar an der Landesstraße errichtet werden. Die Tankstelleneinfahrt werde von der östlichen Grundstücksgrenze des Anrainergrundstückes etwa 80 Meter und vom Wohnhaus der Anrainer etwa 100 Meter, die Tankinsel (Zapfinsel) etwa 40 Meter bzw. 60 Meter und die Tankstellenausfahrt etwa 20 bzw. 40 Meter davon entfernt sein. Das Niveau der Tankstellenanlagen werde gleich dem Straßenniveau ausgeführt werden. Das Gelände in der näheren und weiteren Entfernung des Grundstückes, auf dem die Tankstelle errichtet werden solle, sei eben, nur geringfügig verbaut und werde überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Besondere Geruchseinwirkungen, hervorgerufen durch den relativ starken Verkehr auf der Landesstraße, hätten nur im unmittelbaren Bereich der Landesstraße wahrgenommen werden können; in etwas größeren Abständen von der Landesstraße, etwa in 8 bis 10 Metern, seien solche Gerüche nicht mehr wahrnehmbar gewesen. Während des Augenscheines am 27. Mai 1975 seien mit zwei Personenkraftwagen auf der derzeit vorhandenen Zufahrt zum Grundstück - an dieser Stelle werde später die Zapfinsel stehen - Fahrbewegungen (Anfahren, Reversieren, etc.) durchgeführt worden. Gleichzeitig sei versucht worden, auf dem Grundstück der Anrainer den Lärm, der bei diesen Fahrbewegungen entstanden sei, zu hören oder zu messen. Im Garten, vor dem Wohnhaus der Anrainer, hätten keine Geräusche, herrührend, von diesen Fahrbewegungen, wahrgenommen oder gehört werden können. Eine Messung der Geräusche sei nicht möglich gewesen. Dies erkläre sich daraus, dass nach den Gesetzen der Akustik das leisere Geräusch vom lauteren überdeckt werde. Nur wenn zwei Geräusche gleich stark seien, erhöhe sich die Gesamtlautstärke um 3 dB(A). Nach dem Entfernungsgesetz nehme die Lautstärke einer Schallquelle bei einer Verdoppelung des Abstandes von der Schallquelle um etwa 5 dB(A) ab. Bei dem Betrieb einer Tankstelle entstehe der wesentliche Lärm durch das Zu- und Abfahren der Fahrzeuge. Der Lärm, der beim Zu- und Abfahren von Fahrzeugen entstehe, sei im Beschwerdefall um nichts lauter als der Lärm, der beim Vorbeifahren von Fahrzeugen auftrete. Auch beim Vorbeifahren könne es zu Bremsmanövern oder zu Beschleunigungsvorgängen kommen. Da das Grundstück der Anrainer direkt an die stark befahrene Landesstraße angrenze und das Wohnhaus von der Landesstraße nur 20 Meter entfernt sei, während der Abstand des Grundstückes von der Tankstelle etwa 40 Meter (Tankinsel) bzw. 20 Meter (Tankstellenausfahrt) und der Abstand des Wohnhauses von der Tankstelle etwa 60 Meter (Tankinsel) bzw. 40 Meter (Tankstellenausfahrt) betrage, würden die Fahrzeuggeräusche der vorbeifahrenden Fahrzeuge auf dem Grundstück der Anrainer bei ihrem Wohnhaus zumindest um 5 dB(A) lauter wahrzunehmen sein als die Fahrzeuggeräusche, die beim Zu- und Abfahren zur bzw. von der Tankstelle entstünden. Die Geräusche der vorbeifahrenden Fahrzeuge würden daher immer die Geräusche, die die Fahrzeuge bei der Tankstelle erzeugen, überdecken. Was die Abgase betreffe, so hänge die Menge der in der Zeiteinheit von, einem Fahrzeug erzeugten Abgase - bei gleichartigen Fahrzeugen (Zylinderanzahl, Hubraum, Verdichtung) - nur von der Drehzahl (Tourenzahl), des Motors ab. Je höher die Tourenzahl, desto öfter würden die Verbrennungsabgase aus den Zylindern ausgestoßen. Da die Kraftfahrzeuge beim Laufen am Stand (mit Standgas) mit der geringsten möglichen Tourenzahl liefen, sei die dabei in der Zeiteinheit erzeugte Abgasmenge immer geringer als die Abgasmenge, die ein Fahrzeug während der Fahrt in der gleichen Zeit erzeuge. Die Abgase von Kraftfahrzeugen enthielten im überwiegenden Ausmaß - das hieße zwischen 95 und 99 Prozent (je nach Fahrzeug und Fahrverhalten) - Bestandteile, die in der irdischen Atmosphäre ohnedies enthalten seien (Stickstoff, Sauerstoff, Wasser- und Kohlendioxid). Nur ein bis fünf Prozent - wieder je nach Fahrzeug und Fahrverhalten - der Abgasmenge bestünden aus "unerwünschten-Stoffen", wie Kohlenmonoxid, unverbrannten und teilverbrannten Kohlenwasserstoffen, bei der Verbrennung gebildeten aromatischen Kohlenwasserstoffen, Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Ruß, Blei und Bleiverbindungen. Im allgemeinen, insbesondere dann, wenn die Ausbreitung und Vermischung der Abgase mit der umgebenden Luft nicht durch Niveauunterschiede, geschlossene Verbauung, dichte Bepflanzung u.

a. mehr näher beeinträchtigt werde, verdünnten sich diese geringen Anteile an "unerwünschten Stoffen" sehr rasch in der umgebenden Luft, sodass schon in relativ geringer Entfernung von der Emissionsquelle keine nennenswerte Konzentration dieser Stoffe feststellbar sei. Im Beschwerdefall sei daher nicht zu erwarten, dass durch das Zu- und Abfahren zu der etwa 40 Meter entfernten, im nahezu unverbauten Gelände gelegenen Tankstelle, eine feststellbare Erhöhung der bereits vorhandenen Abgaseinwirkungen auf dem Grundstück der Anrainer, das unmittelbar an die stark befahrene Landesstraße angrenze und dessen Niveau sogar unter dem Niveau der Landesstraße liege, sodass die schwereren Bestandteile der Abgase der vorbeifahrenden Fahrzeuge unmittelbar auf das Grundstück abfließen könnten, auftreten könne. Zusammenfassend gelange daher der gewerbetechnische Amtssachverständige zu dem Ergebnis, dass bei projektgemäßer Ausführung der Anlage und bei Erfüllung bzw. Einhaltung der im angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Bedingungen durch den Betrieb der Tankstelle eine Erhöhung der bei den Anrainern bereits vorhandenen Immissionen nicht zu erwarten sei. Fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen habe sich der ärztliche Amtssachverständige wie folgt geäußert: Bei dem am 27. Mai 1974 (richtig wohl: 1975) stattgefundenen Augenschein habe der ärztliche Amtssachverständige auf dem Grundstück der beschwerdeführenden Anrainer an der Stelle, an der der gewerbetechnische Amtssachverständige Lärmmessungen durchgeführt habe, eine subjektive Beurteilung der dort herrschenden Lärmimmissionen vorgenommen. Auch der ärztliche Amtssachverständige habe die Betriebsgeräusche der beiden Kraftfahrzeuge, mit welchen während des Augenscheines probeweise Fahrbewegungen auf dem Grundstück, auf dem die Tankstelle errichtet werden solle, durchgeführt worden seien, nicht aus dem am Ort herrschenden lauteren, durch den Verkehr auf der Landesstraße verursachten, Störlärm heraushören können. Ein Geruch nach Abgasen von Verbrennungsmotoren sei wohl zeitweise im unmittelbaren Bereiche der Landesstraße, jedoch nicht beim Hause der beschwerdeführenden Anrainer wahrzunehmen gewesen. Da nach der gutächtlichen Äußerung des gewerbetechnischen Amtssachverständigen eine Erhöhung der, bei den Anrainern bereits vorhandenen Immissionen nicht zu erwarten sei, würden - so folgert zusammenfassend der ärztliche Amtssachverständige - aus dem Betrieb der gegenständlichen Anlage den Anrainern keine solchen Einwirkungen durch Lärm oder Abgase erwachsen, die geeignet wären, sich auf den menschlichen Organismus nennenswert belästigend oder in die Gesundheit schädigender Weise auszuwirken. Gestützt auf dieses umfassende und schlüssige Ermittlungsverfahren, durch das der Sachverhalt hinreichend geklärt sei, sei die belangte Behörde -

so fährt sie in der Begründung fort - zur Auffassung gelangt, dass bei Einhaltung der Auflagen des Genehmigungsbescheides und bei projektgemäßer Errichtung der Betriebsanlage weder eine Gefährdung noch eine über das zumutbare Ausmaß hinausgehende Belästigung der Nachbarschaft durch Lärm oder Abgase bei der Tankstelle noch der sonstigen öffentlichen Interessen zu besorgen sei. Die Klärung des Sachverhaltes durch Vornahme eines unangesagten Augenscheines sei der Behörde nicht verwehrt. Das gesamte Ergebnis der Beweisaufnahme sei den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht worden, sodass das Parteiengehör nicht verletzt worden sei. Dem Einwand der Beschwerdeführer, wonach auf dem Tankstellengrundstück während einer halben Stunde lediglich mit zwei Personenkraftwagen Fahrbewegungen durchgeführt worden seien, obwohl erfahrungsgemäß während einer halben Stunde mehr Fahrzeuge zu einer Tankstelle zuführen, wurde entgegengehalten, dass der von diesen Fahrbewegungen herrührende Lärm auf dem Grundstück der Anrainer weder zu hören noch zu messen gewesen sei. In dieser Feststellung hätte sich auch nichts geändert, wenn während der halben Stunde nicht zwei, sondern mehrere Fahrzeuge zugefahren wären, weil es nicht auf die Anzahl der Zufahrten, sondern auf die Lautstärke des Lärmes beim Zufahren ankomme. Zu den Einwendungen verkehrstechnischer Natur bemerkte die belangte Behörde, dass es den Beschwerdeführern nicht zukomme, Fragen, die die Allgemeinheit berühren (hier: öffentlicher Verkehr), geltend zu machen, weil diese von den hiefür zuständigen Behörden wahrzunehmen seien.

Gegen dieser Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer fühlen sich in ihrem "Recht auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens sowie auf Beachtung gesetzlicher Vorschriften" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführer bringen zunächst vor, die belangte Behörde habe sich nicht mit den Einwendungen auseinander gesetzt, dass die geplante Tankstelle in einem Wasserschongebiet zu liegen komme, wodurch sich die Gefahr ergeben könnte, dass die der Wasserversorgung dienenden Hausbrunnen der Anrainer verunreinigt werden. Sie übersehen hiebei, dass gemäß Punkt 7 der vorgeschriebenen Auflagen mit dem Bau der Anlage erst begonnen werden darf, wenn unter anderem die wasserrechtliche Bewilligung erteilt worden ist. Gemäß § 74 Abs. 2 Z. 5 GewO 1973 begründet die Eignung der Anlage, eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, die gewerbebehördliche Genehmigungspflicht nur, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist. Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Lagerung oder Leitung flüssiger Brenn- oder Kraftstoffe auf Mineralölbasis einschließlich von Rohölen bedürfen aber jedenfalls einer wasserrechtlichen Bewilligung (siehe dazu § 31 a des Wasserrechtsgesetzes 1959 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 22. Mai 1969, BGBl. Nr. 207, in Verbindung mit der Verordnung vom 15. Juli 1969, BGBl. Nr. 275). Auf das wegen der Lage der geplanten Tankstelle in einem Wasserschongebiet gebotene Erfordernis einer gesonderten wasserrechtlichen Bewilligung wurde im übrigen die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in der Kundmachung vom 30. April 1973, mit der die mündliche Verhandlung über das Vorhaben angeordnet wurde und die auch dem Zweitbeschwerdeführer zugegangen ist, ausdrücklich hingewiesen. Es war daher nicht rechtswidrig, den Baubeginn der Tankanlage an das Vorliegen unter anderem der wasserrechtlichen Bewilligung zu binden. Damit aber war die belangte Behörde der Verpflichtung enthoben, sich mit den nachteiligen Einwirkungen der Anlage auf die Beschaffenheit der Gewässer und mit den zum Schutze der Hausbrunnen vor Verunreinigung allenfalls erforderlichen Maßnahmen auseinander zu setzen. Der wasserrechtlichen Beurteilung der Anlage wird durch den in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht vorgegriffen.

Die Beschwerdeführer bemängeln ferner, die belangte Behörde sei nicht auf ihr Vorbringen eingegangen, dass die Landesstraße lediglich sechs Meter breit sei, keine Gehsteige aufweise und in diesem Bereich 22 Kinder wohnen, die durch den Aus- und Einfahrtsverkehr an der Tankstelle einer besonderen Gefährdung ausgesetzt seien. Auch nehme die belangte Behörde nicht darauf Bedacht, dass die Fachabteilung IId des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung (Fachabteilungsgruppe Landesbaudirektion) aus Gründen der Verkehrssicherheit grundsätzliche Bedenken gegen die geplante Tankanlage geäußert habe. Diese Einwendungen betreffen in ihrer Gesamtheit die Verkehrssicherheit. In diesem Belang bestimmt zwar § 74 Abs. 2 Z. 4 GewO 1973, dass unter anderem eine wesentliche Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr - wozu zweifellos auch der Fußgängerverkehr gehört (vgl. § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Z. 1 StVO 1960) - die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage ausschließt, sofern nicht durch die Vorschreibung geeigneter Auflagen im Sinne des § 77 Abs. 1 leg. cit. die Beeinträchtigung auf ein zumutbares Maß beschränkt werden kann. Diese Bestimmung räumt aber den Nachbarn keine Stellung ein, deren Beeinträchtigung von ihnen als Verletzung ihrer subjektiven öffentlichen Rechte geltend gemacht werden könnte. Der Schutz der öffentlichen Interessen im Sinne des § 74 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 obliegt vielmehr, wie sich klar aus § 356 Abs. 3 GewO 1973 ergibt, der Gewerbebehörde von Amts wegen, wobei der Gemeinde gemäß § 355 leg. cit. bezüglich dieser Fragen im Rahmen ihres Wirkungsbereiches ein Mitspracherecht zukommt. Mangels der rechtlichen Möglichkeit einer Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte muss es somit dem Beschwerdevorbringen verwehrt bleiben, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter dem Gesichtspunkt einer Beeinträchtigung des Verkehrs durch die geplante Tankanlage darzutun, zumal die in diesem Zusammenhang von den Beschwerdeführern geltend gemachte Gefährdung - bezogen auf den "Sachverhalt - nicht über eine im Straßenverkehr typische Gefährdung hinausgeht. Unbeschadet dessen aber sei der Vollständigkeit halber bemerkt, dass bei der Verhandlung am 23. Mai 1973 im übrigen auch die Beeinträchtigung des Verkehrs im Zusammenhang mit dem Betrieb der Tankstelle Gegenstand der Erörterung war. Der für die städtische Straßenverwaltung zuständige Vertreter des Magistrates Graz erhob ebenso wie der Vertreter der Landesstraßenverwaltung gegen die geplante Tankanlage grundsätzlich keinen Einwand, wenn die im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen, die Verkehrssicherheit betreffenden Auflagen eingehalten werden. Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei diesem Sachverhalt - ungeachtet der Äußerung der Fachabteilung IId des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung - von der Zulässigkeit der Betriebsanlage, soweit durch sie Interessen des Verkehrs berührt werden, ausging, wird doch mit den diesbezüglich vorgeschriebenen Auflagen auch den von dieser Fachabteilung geäußerten Bedenken verkehrsrechtlicher Natur begegnet.

Schließlich wenden die Beschwerdeführer ein, dass beim unangesagten Lokalaugenschein keine umfassende Befundaufnahme erfolgt sei und insbesondere der technische Sachverständige nicht berücksichtigt habe, dass die Fahrzeuge zur Tankstelle nicht nur zu- und abfahren, sondern dass der Motor vor dem Tankvorgang abgestellt und nachher wieder gestartet werde, was - für jeden Laien erkennbar - oftmals hintereinander durchgeführt eine wesentlich erhöhte Lärm- und Geruchsbelästigung der Anrainer zur Folge haben müsse. Sie hätten daher einen neuerlichen Augenschein unter Beiziehung der Parteien und deren Vertreter beantragt, um Gelegenheit zu haben, diesbezügliche Fragen an die Sachverständigen zu richten und allfällige weitere Anträge zu stellen. Die belangte Behörde habe diese Anträge unberücksichtigt gelassen und dadurch die Grundsätze der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs verletzt.

Der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit im Sinne des § 37 AVG 1950 bedeutet, dass die Behörde von sich aus, ohne an das Parteivorbringen gebunden zu sein, den Sachverhalt durch die Aufnahme der nötigen Beweise festzustellen hat, wobei gemäß § 46 AVG 1950 als Beweismittel alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach der Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Das Verwaltungsverfahren wird demnach vom Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel beherrscht, demzufolge die in den §§ 47 bis 55 AVG 1950 besonders behandelten Beweismittel keine erschöpfende Aufzählung darstellen (vgl. etwa Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juni 1951, Slg. N. F. Nr. 2142/A). Somit war der belangten Behörde - im übrigen durchaus im Einklang mit § 55 Abs. 1 AVG 1950 - die Vornahme eines unangesagten Augenscheines ohne Beiziehung der Parteien nicht verwehrt. Die Beschwerdeführer verkennen auch die Rechtslage, wenn sie darin, dass sie nicht der Beweisaufnahme zugezogen worden sind, einen Verfahrensmangel sehen, weil die Vorschrift der Wahrung des Parteiengehörs nicht mit dem Anspruch auf persönliche Anwesenheit bei einer Beweisaufnahme gleichzusetzen ist, ein solcher Anspruch aber bei Vornahme eines unangesagten Augenscheines nicht besteht. Den Beschwerdeführern war das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden, wodurch jedenfalls das Parteiengehör gewahrt war.

Was nun den Inhalt des Beweisergebnisses betrifft, so ist nach den vom gewerbetechnischen und ärztlichen Amtssachverständigen an Ort und Stelle getroffenen Feststellungen der Störpegel, herrührend von dem unbestritten starken Verkehr auf der Landesstraße, so hoch, dass auf dem Grundstück der Anrainer die Geräusche der mit zwei Kraftfahrzeugen im Bereich der geplanten Tankstelle durchgeführten Fahrbewegungen, wie Anfahren, Reversieren und dergleichen, wegen des faktisch ununterbrochenen Verkehrslärmes - mit gemessenen Werten zwischen 70 bis 80 dB(A) in einer Entfernung von zehn Metern von der Straße bzw. mit Werten von 62 bis 69 dB(A) an der straßenseitigen Front des Wohnhauses - weder zu hören waren noch durch Messung festgestellt werden konnten. Die durch die Fahrmanöver der Fahrzeuge bei der Tankstelle entstehenden Abgase treten - wie der gewerbetechnische Amtssachverständige in diesem Zusammenhang darlegte und ausreichend begründete - im Verhältnis zu der ungehindert auf die Liegenschaft der Anrainer abfließenden Abgasmenge der auf der Landesstraße vorbeifahrenden Fahrzeuge im Hinblick auf die Entfernung des Grundstückes der Anrainen von der Tankstelle an Bedeutung zurück, zumal die Betriebsanlage in nahezu unverbautem Gelände errichtet werden soll, was zur Folge hat, dass die Abgase sich rasch in der umgebenden Luft verdünnen können und der Anteil der "unerwünschten Stoffe" schon in relativ geringer Entfernung von der Emissionsquelle kaum mehr nennenswert ist. Der technische Amtssachverständige kam daher auf Grund dieses Sachverhaltes zum Ergebnis, dass bei projektgemäßer Ausführung der Anlage und bei Erfüllung bzw. Einhaltung der im Bescheid vorgeschriebenen Auflagen, durch den Betrieb der Tankstelle eine Erhöhung der bei den Anrainern bereits vorhandenen Immissionen nicht zu erwarten ist, weil die Geräusche der vorbeifahrenden Fahrzeuge immer die Geräusche, die die Fahrzeuge bei der Tankstelle erzeugen, überdecken werden, und eine feststellbare Erhöhung der bereits vorhandenen Abgaseinwirkungen auf dem Grundstück der Anrainer nicht auftreten kann. Nach dem von der Stellungnahme des gewerbetechnischen Amtssachverständigen und eigenen Wahrnehmungen ausgehenden Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen werden demnach von dem Betrieb der in Rede stehenden Anlage den Anrainern keine solchen Einwirkunger durch Lärm und Abgase erwachsen, die geeignet wären, sich auf den menschlichen Organismus nennenswert belästigend oder in die Gesundheit schädigender Weise auszuwinken.

Diesen schlüssigen Gutachten der Sachverständigen sind die Beschwerdeführer nicht auf gleicher Ebene, sondern lediglich mit der Behauptung entgegengetreten, dass die Befundaufnahme mangelhaft geblieben sei, ohne allerdings im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde konkret darzutun, worin die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, die durch Fragen an die Sachverständigen und allfällige weitete Anträge beseitigt werden sollte, gelegen sein soll. Dass die Nichtbeiziehung der Beschwerdeführer zur Beweisaufnahme eine solche Mangelhaftigkeit im Beschwerdefall nicht darstellt, ergibt sich aus dem Vorgesagten. Dem in der Beschwerde übrigens erstmalig enthaltenen ausdrücklichen Hinweis auf das Starten und Abstellen des Motors der Fahrzeuge, die zur Tankstelle zu- und abfahren werden, steht das Neuerungsverbot entgegen. Unbeschadet dessen sei bemerkt, dass während des Augenscheines mit zwei Personenkraftwagen Fahrbewegungen durchgeführt wurden, denen jedenfalls das Starten des Motors - nur dieses und nicht auch das Abstellen ist begrifflich mit Lärm und Abgasen verbunden - vorauszugehen hatte und dass das Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen insgesamt auf alle Gefährdungen und Belästigungen, die durch den Tankstellenverkehr im Beschwerdefall hervorgerufen werden - zu diesem Verkehr gehört außer dem Zu- und Abfahren notwendig auch das Abstellen und Starten des Motors - Bedacht nimmt, mögen diese Vorgänge auch nicht gesondert im Gutachten erwähnt werden. Solcherart aber erwies sich der angefochtene Bescheid auch unter diesem Blickwinkel nicht als rechtswidrig.

Die Beschwerde ist daher zur Gänze unegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze, BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am 22. Dezember 1976

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an Beweisaufnahmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1976:1975002027.X00

Im RIS seit

21.03.2003

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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