TE Vwgh Erkenntnis 1989/9/19 89/04/0037

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.1989
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §45 Abs2 impl;
AVG §68 Abs3;
GewO 1973 §360 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §360 Abs2;
GewO 1973 §79 idF 1988/399;
GewO 1973 §82 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §82 Abs4 idF 1988/399;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des KH in L, vertreten durch Dr. Wilfried Sterrer, Rechtsanwalt in Linz, Lederergasse 27, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Jänner 1989, Zl. Ge-7206/3-1989/Sch/Hin, betreffend Maßnahme gemäß § 360 Abs. 2 GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. Dezember 1988 wurden gemäß den §§ 333 und 360 Abs. 2 GewO 1973 in Ansehung der vom Beschwerdeführer im Standort X, R-straße nn, betriebenen Chemisch-Reinigungsanlage folgende Maßnahmen verfügt:

"Gemäß §§ 333 und 360 Abs. 2 der Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973), BGBl. Nr. 50/1974 i.d.g.F., werden hinsichtlich der von Herrn KH, im Standort X, R-straße nn, betriebenen Chemisch Reinigungsanlage folgende Maßnahmen verfügt:

1) Sämtliches Tetrachlorethylen (PER), welches sowohl in den Maschinentanks als auch im Tank der Kältefalle sowie in den Rohrleitungen dieser Anlagenteile vorhanden ist, ist aus der Betriebsanlage ordnungsgemäß zu entfernen; ebenso auch in Gebinden vorrätiges Tetrachlorethylen (PER).

2) Über das entsorgte Tetrachlorethylen (PER) sind der Gewerbebehörde Nachweise mit folgendem Inhalt zu übermitteln:

a) Angaben über die tatsächlich entsorgte Menge

b)

durch wen das Tetrachlorethylen (PER) abgefüllt wurde und

c)

wohin die unter Punkt a) angegebene Menge Tetrachlorethylen (PER) verbracht bzw. entsorgt wurde.

3) Alle Tetrachlorethylen- (PER) Manipulationen sind im Beisein des Betriebsinhabers von geeigneten, fachkundigen und hiezu berechtigten Personen - gemäß Punkt 5.7 der ÖNORM M 9400 Ausgabe 1. November 1985 "Chemisch Reinigungsanlagen, Begriffe, Kenndaten, Emissionsbegrenzungen für luftverunreinigende Stoffe" durchzuführen.

4) Nach der Entleerung sämtlicher tetrachlorethylenhältiger (PER-hältiger) Anlagenteile sind diese über die Aktivkohleanlage zu entlüften und anschließend dauernd verschlossen zu halten.

5) Alle im Betrieb angefallenen und in denen befindlichen überwachungsbedürftigen Sonderabfälle (wie z.B. Kontaktwasser, Destillationsschlamm, Flusen) sind ordnungsgemäß und entsprechend der Bestimmungen des Sonderabfallgesetzes und der dazu erlassenen Verordnungen nachweislich zu entsorgen.

6) Nach Abschluss der Arbeiten sind allfällige in der unmittelbaren Umgebung verspritzte Tetrachlorethylen- (PER-)Reste zu entfernen und entsprechend Auflagenpunkt 5 nachweislich zu entsorgen.

Erfüllungsfrist: innerhalb drei Tagen nach Zustellung des Bescheides."

Über eine dagegen erhobene Berufung erkannte der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 17. Jänner 1989 dahin, dass ihr gemäß § 360 Abs. 2 GewO 1973 insofern Folge gegeben werde, als der Spruch des erstbehördlichen Bescheides durch folgende Neufassung abgeändert werde:

"Gemäß § 360 Abs. 2 GewO 1973 wird die Stilllegung der Chemischreinigungsmaschine verfügt. Vor einer Wiederinbetriebnahme sind folgende Maßnahmen zu treffen:

-

Erhöhung der Luftwechselzahl auf mindestens 10

-

Installierung einer hinterlüftbaren Dampfsperre

-

Abführung der Abluft über einen gasdichten Fang. Die fachgerechte Ausführung dieser Maßnahmen ist unter Anschluss eines Emissionsmessungsergebnisses durch einen Zivilingenieur eines einschlägigen Fachgebietes (z.B. technische Chemie) oder eine autorisierte Anstalt (z.B. TÜV) nachzuweisen."

Zur Begründung wurde ausgeführt, in der Berufung werde vorgebracht, die Annahme der Erstbehörde, die Immissionskonzentrationen von Perchloräthylen seien geeignet, Gesundheitsschädigungen herbeizuführen, sei nicht zutreffend. Dieser Annahme stehe entgegen, dass bei den langjährig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern, die halbjährlich von einem Amtsarzt untersucht würden, keinerlei Beanstandungen, gesundheitliche Schäden oder sonstige Erkrankungen in der von der belangten Behörde beschriebenen Weise hätten festgestellt werden können. Dies werde auch durch ein zwischenzeitig eingeholtes Privatgutachten eines Sachverständigen bestätigt. Was die Krebsgefährdung betreffe, sei diese Eigenschaft von Tetrachloräthylen lediglich im Tierversuch geprüft worden. Ein diesbezüglicher Nachweis für eine gesundheitliche Beeinträchtigung von Menschen fehle. Dies ergebe sich aus einem Artikel der deutschen Fachzeitschrift "Chemie-Umwelt-Technik 1988/89", wonach Perchloräthylen als nicht krebserzeugend einzustufen sei, weil zwar "die erneute Auswirkung toxikologischer Daten durch die Senatskommission der deutschen Forschungsgemeinschaft zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe bestätigt habe, dass Perchloräthylen unter extremen Versuchsbedingungen bei Ratten eine sehr schwach krebserzeugende Wirkung besitze; aus Befunden an Ratten lasse sich aber nicht auf eine Krebsgefährdung des Menschen am Arbeitsplatz schließen." Im übrigen bestünden keine gesetzlich normierten Emissionsgrenzwerte für Tetrachloräthylen in der Luft oder in Lebensmitteln. Eine Entsorgung von Tetrachloräthylen binnen drei Tagen sei nicht nur technisch unzumutbar, sondern auch wirtschaftlich untragbar. Diese Maßnahme würde zum Stillstand des Betriebes und zur Kündigung sämtlicher Mitarbeiter führen. Daraus würden sich Schadenersatzansprüche gegen die Stadt Linz ergeben. Sollte tatsächlich eine Krebsgefährdung nachgewiesen werden, wäre er zur Erfüllung der vorgeschriebenen Maßnahmen bereit, allerdings nur innerhalb von drei Monaten, weil ansonsten ein nicht wiedergutzumachender wirtschaftlicher Schaden drohen würde. Hiezu sei auszuführen: Die gegenständliche Chemisch-Reinigungsanlage im Standort X, R-straße nn, sei mit Bescheid vom 15. März 1982 gewerbebehördlich genehmigt worden. Die Betriebsbewilligung sei mit Bescheid vom 30. Mai 1983 erteilt worden. Mit Bescheid vom 18. Mai 1984 seien gemäß § 79 GewO 1973 zusätzliche Auflagen vorgeschrieben worden. Die Anlage sei im Erdgeschoß eines Wohnhauses eingerichtet. Oberhalb der Betriebsräume befänden sich Wohnräume. Die Anlage werde im geschlossenen System betrieben; als Reinigungsmittel werde Perchloräthylen verwendet. Zur Reinigung der Abluft seien Aktivkohlefilter eingebaut. Nachdem in der BRD in verschiedenen Artikeln die Problematik von Chemisch-Reinigungsanlagen in Wohnhäusern, insbesondere im Zusammenhang mit Lebensmittelkontaminationen, aufgezeigt worden sei, habe das Amt für Umweltschutz des Magistrates Linz eine Reihe von Messungen der Raumkonzentration an Perchloräthylen vorgenommen. Die Messungen seien mit einem Dräger-Röhrchen vorgenommen worden. Im Geschäftslokal sei am 29. November 1988 in der Nähe der Reinigungsmaschine um 9.30 Uhr eine Raumkonzentration von 11 ppm und am 6. Dezember 1988 von 15 ppm festgestellt worden. Am 24. November 1988 sei in dem oberhalb gelegenen Wohnzimmer eine Konzentration von 10 ppm (69 mg/m3) und im Wohnzimmer derselben Wohnung am 6. Dezember 1988 eine Konzentration von 5 ppm ermittelt worden. Im Gutachten des Amtes für Umweltschutz werde festgehalten, dass gesetzlich festgelegte Immissionsgrenzwerte nicht existierten. Vom deutschen Bundesgesundheitsamt werde allerdings ein Immissionsgrenzwert von 0,1 mg Perchloräthylen pro m3 Luft bzw. pro kg Lebensmittel empfohlen. Bei Konzentrationen über 5 mg/m3 in Wohnungen sei eine gesundheitliche Gefährdung zu befürchten. Diese in der gängigen Literatur diskutierten Grenzwerte würden durch die in den vorerwähnten Wohnräumen gemessenen Konzentrationen bei weitem überschritten. Da in einem Chemisch-Reinigungsbetrieb aus verschiedenen Bereichen diffuse Immissionen aufträten und ausreichende technische Abdichtungsmaßnahmen zur sicheren Unterbindung einer Diffusion nicht zur Verfügung stünden, sei zu fordern, dass das Lösungsmittel Perchloräthylen aus dem Betrieb entfernt werde. Eine wesentliche Verbesserung sei allerdings nicht sofort zu erreichen, da die Desorption des belasteten Mauerwerkes einige Zeit in Anspruch nehmen werde. Im medizinischen Gutachten der Erstbehörde werde die Persistenz von Perchloräthylen beschrieben. Hinsichtlich der karzinogenen Eigenschaften werde festgehalten, dass im Tierversuch bei bestimmten Rattenstämmen die Auslösung von Nierentumoren nachgewiesen worden sei. Beim Menschen fehle zwar ein derartiger Nachweis; auf Grund der Auswertung von toxikologischen Daten habe sich jedoch die Senatskommission der deutschen Forschungsgemeinschaft dazu entschlossen, Perchloräthylen als "begründet krebsverdächtig" in die Liste von gesundheitsschädlichen Arbeitsstoffen aufzunehmen. Gemäß dem Erlass des Bundeskanzleramtes vom 24. Mai 1988 sei Olivenöl als verdorben anzusehen, wenn die Summe der Konzentrationen von flüchtigen halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen 0,3 mg/kg oder die Konzentration eines derartigen Einzelstoffes 0,1 mg/kg überschreite. Dieser Erlass sei für alle Lebesmittel anzuwenden. Die Aufnahme von Perchloräthylen in den Körper erfolge sowohl durch die Atmung als auch durch die Nahrung. Die Geruchsschwelle liege bei 5 ppm (35 mg/m3). Die in den gegenständlichen Wohnräumen gemessenen Konzentrationen an Perchloräthylen seien geeignet, bei dauernder Einatmung Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindelzustände, Gedächtnisstörungen und Nervenschmerzen hervorzurufen und bei Überschreiten der Geruchsschwelle auch Organschäden des zentralen, des periphären und des vegetativen Nervensystems. Auch bei dauernder Einwirkung von Konzentrationen unter 5 mg/m3 Raumluft könnte es infolge der hohen Affinität zu Fettgewebe und der langen Halbwertzeit zur Speicherung im Körper kommen und in weiterer Folge zur Schädigung von roten Blutkörperchen, Knochenmark und Milz. Unter Gesundheitsgefährdung sei die Erwartbarkeit eines Gesundheitsschadens oder eines hohen Gesundheitsrisikos, die mit den Mitteln der wissenschaftlichen Prognose zu belegen seien oder mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden könnten, zu verstehen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die gegenständlichen Immissionskonzentrationen auf Grund der Dauereinwirkung und der Art der betreffenden Substanz (begründet krebsverdächtig), ihrer biologischen Eigenschaften im Körper (Anreicherung) und der extrem langen Halbwertzeit zu Organschäden und somit zu Gesundheitsschädigungen führten. Dies stelle eine drohende Gefahr für die Gesundheit der in den Räumen wohnenden Menschen dar. Im gewerbetechnischen Gutachten würden die einzelnen zur Entfernung der Emissionsquelle bzw. deren Entsorgung notwendigen Maßnahmen vorgeschlagen; hingewiesen worden sei auf den Umstand, dass derzeit die Diffusion von Tetrachloräthylen in angrenzende Räume durch Beschichtungsmittel noch nicht beständig verhindert werden könne. Bei den angrenzenden Wohnräumen handle es sich um das Wohnzimmer; die Immissionssituation werde nicht durch einen massiven Lösungsmittelaustritt, sondern durch den beaufsichtigten Dauerbetrieb verursacht. Die Prüfung der vorstehend zitierten Verfahrensergebnisse habe die Notwendigkeit ergeben, weitere Fachgutachten einzuholen, um eine schlüssige Beweisgrundlage für die Entscheidung der Berufungsbehörde zu gewinnen. Im gegenständlichen Verfahren seien von der Erstbehörde die Raumkonzentrationen mit einem Dräger-Gasspürgerät erhoben worden. Die festgestellten Werte lägen zum Teil außerhalb des vom Hersteller angegebenen Standardmessbereiches bzw. am Rand desselben. Im Gutachten der Unterabteilung Immissionsschutz werde die Aussagesicherheit der angewendeten Messmethode außerhalb des Standardmessbereiches in Zweifel gezogen. Laut Auskunft der Drägerwerk AG müssten die Gebrauchsanweisung und bestimmte Umgebungsbedingungen eingehalten werden, um einwandfreie Messergebnisse zu erhalten (3 Hübe); eine Erhöhung der Pumpenhubzahl z.B. auf 30 Hübe sei nicht zulässig, weil je nach Feuchte, Temperatur und Fertigungscharge unterschiedliche Effekte auftreten könnten. Die dem erstbehördlichen Bescheid zugrundegelegten Grenzwerte seien vom Bundesgesundheitsamt Berlin erarbeitet worden; es handle sich dabei um empfohlene Richtwerte, die jedenfalls deutlich überschritten worden seien. Die Vorgangsweise in Bayern sei laut Erlass des bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen 1988 so, dass bei PER-Konzentrationen von über 35 mg/m3 Chemisch-Reinigungsanlagen bis zur Sanierung gänzlich oder teilweise geschlossen würden. Die in Fettproben ermittelten PER-Gehalte seien nur mit großem Vorbehalt einer Beurteilung zugrundezulegen. Dies ergäbe sich schon aus den widersprüchlichen Daten, wonach länger ausgelegte Fettproben kleinere Gehalte aufgewiesen hätten als kürzer ausgelegte. Es sei darüber hinaus sehr schwierig, eine repräsentative Teilmenge zur analytischen Bestimmung zu gewinnen, da an der Oberfläche der ausgelegten Fettproben wesentlich höhere Konzentrationen als im Inneren der Proben aufträten. Zur Hintanhaltung einer drohenden Gefahr seien vor Wiederinbetriebnahme folgende Maßnahmen erforderlich: Erhöhung der Luftwechselzahl auf mindestens 10 (durch Installierung einer wirksamen Absaugung für den gesamten Betriebsraum); Installierung einer hinterlüftbaren Dampfsperre in Blechausführung (dadurch werde sichergestellt, dass kein PER mehr durch die Mauer diffundieren könne und andererseits auch das Ausdiffundieren aus der Mauer in Richtung Betriebsanlage geben sei); Abführung der abgesaugten Luft über einen gasdichten Fang (einen Meter über First des Gebäudes in die freie Atmosphäre). In dem im Berufungsverfahren eingeholten medizinischen Gutachten werde folgendes ausgeführt: Der Grenzwert von 0,1 mg/m3 stamme von der Empfehlung des Bundesgesundheitsamtes (BRD) und sei in Übereinstimmung mit den Teilnehmern eines Sachverständigengespräches, an dem auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vertreten gewesen sei, festgelegt worden. Es werde empfohlen, dass in der Umgebung von Perchloräthylen emittierenden Anlagen für die Innenraumluft wie für Lebensmittel im Sinne des vorsorglich anzuwendenden Minimierungsprinzipes ein Wert von 0,1 mg PER/m3 Raumluft bzw. pro Kilogramm Lebensmittel anzustreben sei. Ein Richtwert von 5 mg PER/m3 Luft, und zwar als 24 Stunden-Mittelwert, werde auch von der WHO empfohlen. Der Richtwert werde dabei definiert, indem der so genannte "lowest-observed-adverse-effect-level" (niedrigste Schwelle, bei der nachteilige Effekte beobachtet worden seien) mit einem Sicherheitsfaktor von 100 belegt werde. Der Sicherheitsfaktor von 100 sei hauptsächlich wegen der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Daten hinsichtlich langfristiger inhalativer Expositionen gewählt worden. Als "lowest-over-servedadverse-effect-level" (für innere Organe, wobei sich die, Effekte am zentralen Nervensystem manifestierten) werde dabei für nicht gentoxische Wirkungen ein Wert von 678 mg/m3 für wiederholte, kurzzeitige Expositionen angenommen; dieser Wert basiere auf den zur Verfügung stehenden Daten beim Menschen und den Ergebnissen von Tierversuchen. Hake und Steward hätten nach einer Exposition für 1,3 oder 7,5 Stunden pro Tag, an fünf Tagen pro Woche bei 136 mg/m3 keine Effekte gefunden, bei 678 mg/3 und 1017 mg/m3 Störungen des zentralen Nervensystems. Leichte Augenreizungen seien bei kurzzeitiger Exposotion von 508 mg/m3 beobachtet worden. 136 mg/m3 gälten zur Zeit als "No-observed-effect-level" für wiederholte Kurzzeitexpositionen. Auf Grund solcher wiederholter Expositionen sei anzunehmen, dass sich keine akuten Auswirkungen bei Konzentrationen von 140 mg/m3 und darunter zeigten. Die Geruchsschwelle liege bei 8 mg/m3; unterhalb dieses Wertes als Halb-Stunden-Mittelwert sollten keine Geruchsprobleme auftreten. Der MAK-(max. Arbeitsplatz-Konzentrations)Wert sei in Österreich derzeit mit 345 mg/m3 = 50 ppm festgesetzt. Der MAK-Wert allgemein sei die höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft am Arbeitsplatz, die nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis auch bei wiederholter und langfristiger, in der Regel täglich 8-stündiger Exposition, jedoch bei Einhaltung einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (in Vierschichtbetrieben 42 Stunden je Woche im Durchschnitt von vier aufeinander folgenden Wochen) im allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtige und diese nicht unangemessen belästige. Der bisherige MAK-Wert für PER sei auf die zentraldespressorische Wirkung des Stoffes ausgerichtet und schütze auch gegenüber Leber- und Nierenschädigung. Tetrachloräthylen sei jedoch in der deutschen MAK-Werte-Liste 1988 erstmals bei den Stoffen mit begründetem Verdacht auf krebserzeugendes Potenzial eingereiht. Eine eindeutige gültige Einschätzung des kanzerogenen Potenzials für den Menschen sei derzeit nicht möglich, theoretisch bleibe jedoch ein maßgeblicher Verdacht bestehen. Von der IARC wird PER unter jene Stoffe eingereiht, die hinsichtlich ihrer Kanzerogenität beim Menschen nicht als nachgewiesen oder wahrscheinlich beim Menschen qualifiziert werden könnten. Die Heranziehung von MAK-Werten für die Beurteilung der Nachbarschaft sei nur mit Einschränkungen möglich, weil u.a. dabei zu bedenken sei: 1. MAK-Werte würden für gesunde Personen im erwerbsfähigen Alter aufgestellt. 2. Arbeitnehmer dürften zu Tätigkeiten mit PER nach § 3 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 14. Dezember 1973, BGBl. Nr. 39/1974, erst herangezogen werden, wenn auf Grund einer besonderen ärztlichen Untersuchung ihr Gesundheitszustand eine derartige Beschäftigung zulasse. Während der Tätigkeit mit PER seien Arbeitnehmer halbjährlich zu untersuchen. 3. Arbeitnehmer seien pro Woche 40 Stunden exponiert; in den Nachbarwohnungen sei eine Einwirkung von PER während der ganzen Woche, also mehr als viermal so lange, möglich. Arbeitnehmer hätten, bedingt durch Wochenende und Urlaubszeiten, größere Expositionspausen. 4. In den Wohnungen könne sich in den Lebensmitteln PER innerhalb kurzer Zeit ablagern und komme als zusätzliche Belastung dazu. 5. Am Arbeitsplatz werde der Umgang mit einem gesundheitsgefährdenden Stoff bewusst in Kauf genommen. Das Bundeskanzleramt habe mit Erlass vom 24. Mai 1988 festgesetzt, dass Olivenöle als verdorben im Sinne des LMG 1975 gälten, wenn die Konzentration eines Einzelstoffes der flüchtigen halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffe 0,1 mg/kg überschreite. Dies gelte auch für alle anderen Lebensmittel. Ein Grenzwert hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung durch PER in Lebensmitteln sei derzeit nicht festgelegt. Das deutsche Bundesgesundheitsamt empfehle, Lebensmittel mit mehr als 1 mg PER/kg nicht zu verzehren. Die Aufnahme von PER aus der Atemluft erfolge annähernd proportional zur vorherrschenden Konzentratioan, mehr als 90 % werde unverändert über die Lunge eliminiert. Aus dem Magen-Darm-Trakt werde PER rasch und nahezu vollständig resorbiert. PER werde in allen Gewerben verteilt. Die Elimination erfolge aus Fettgeweben auf Grund seiner Fettlösigkeit sehr viel langsamer. Im Körperfett werde PER in unveränderter Form gespeichert. Nur ein sehr geringer Teil werde metabolisiert. Die Exposition der Allgemeinbevölkerung in städtischen Gebieten betrage Spuren bis 70 ug/m3 Luft durch Nahrung bis zu 0,16 mg/Tag bzw. können 50 ug/kg als allgemeine Umweltkontamination angesehen werden. Für die nunmehrige Beurteilung stelle sich also die Frage, wie sich eine Prolongierung einer chronischen Einwirkung von Perchlor, verursacht durch die gegenständlichen Betriebe, auf das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum auswirke. Eine Einwirkung über einen Beurteilungszeitraum von Wochen bis Monaten sei im Hinblick auf eine chronische Vergiftung zu beurteilen.

Prinzipiell seien solche Vergiftungen auf zwei Wegen möglich:

Einerseits durch Kumulation von Fremdstoffen, andererseits durch Summierung toxischer Einzelereignisse auch ohne Stoffkumulation (Wirkungskumulation). Die bisher gemessenen Werte lägen unter dem Wert, der isoliert als Luftschadstoffkonzentration bei Expositionszeiten bis hin zu einer Einwirkungsdauer, die den Arbeitsplatzbedingungen entspreche, bei Arbeitsnehmern und bei Versuchspersonen bei wiederholter Einwirkung keine Effekte gezeigt hätten. Für die Einwirkung in der Nachbarschaft sei aber zu beachten, dass die Einwirkung wesentlich länger möglich sei, als dies am Arbeitsplatz gegeben sei. Expositionspausen, wie sie am Arbeitsplatz von vornherein gegeben seien, könnten nicht vorausgesetzt werden. Die gemessenen Werte lägen in der Größenordnung von einem Zehntel (13,8 mg/m3) bis zur Hälfte (69 mg/m3), des no-effect-levels, ein Messergebnis liege sogar knapp unter dem no-effect-level (104 mg/m3). Demgegenüber stehe aber eine wesentlich längere Expositionszeit der Nachbarn, nämlich mehr als das Vierfache pro Woche. Hinzu komme eine erhebliche Belastung durch PER in der Nahrung, die bei der Festlegung der Grenzwerte für die Luft bei der Erstellung des MAK-Wertes und bei der Erstellung des no-effect-levels nicht berücksichtigt seien. In Proben, die in Wohnungen angrenzend oder in unmittelbarer Nähe zu den gegenständlichen Betrieben ausgelegt worden seien, seien nach 19-tägiger Exposition von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz Werte ermittelt worden, die weit über dem 100-fachen des Grenzwertes lägen, ab dem Lebensmittel nach den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen als verdorben gälten und nicht verkehrsfähig seien. Der Wert, bei dessen Überschreitung das deutsche Bundesgesundheitsamt empfehle, solche Lebensmittel nicht zu verzehren, werde dabei um mehr als das Zehnfache überschritten. Aus Luft und Lebensmitteln resultiere demnach für die Nachbarn eine beträchtliche Belastung, wobei die Nachbarn gleichen oder größeren Mengen des einwirkenden Stoffes pro Woche exponiert seien, als dies bei der Findung des no-effect-levels geschehen sei. Da die Beurteilung sich auch auf Bevölkerungsgruppen zu beziehen habe, die für eine berufliche Tätigkeit mit PER wegen ihres Lebensalters, wegen Vorerkrankungen usw. nicht eingesetzt werden dürften, erscheine eine Prolongierung dieser chronischen Belastung mit PER in unveränderter Form medizinischerseits nicht vertretbar. Aus dem Umstand, dass bisher keine Erkrankungen bekannt geworden seien, könne nicht geschlossen werden, dass die Belastung unbedenklich sei. Die für eine chronische Einwirkung beschriebenen, Symptome, wie Benommenheit, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Ohrensausen, Schwindel, Reizbarkeit usw., seien nicht für PER-Einwirkungen spezifisch, sondern es wäre bei einer Untersuchung nur bei gezielter Fragestellung unter Umständen ein Zusammenhang mit PER herzustellen. Im technischen Gutachten würden sofort erfüllbare Schutzmaßnahmen genannt, die eine Wiederinbetriebnahme ermöglichten. Unter Annahme, dass nach Verwirklichung dieser Schutzmaßnahmen PER-Emissionen weitgehend vermieden würden, sei auch von einer entscheidenden immissionszeitlichen Verminderung der Schadstoffbelastung auszugehen. Im Hinblick auf den einstweiligen Charakter der behördlichen Verfügung sei eine Wiederinbetriebnahme nach Verwirklichung dieser Schutzmaßnahmen möglich, da eine konkrete Gefährdung für den umschriebenen Zeitraum nicht absehbar sei. Da die Reduktion der Schadstoffe zahlenmäßig nicht erfasst sei, seien Messungen zur Objektivierung der Schadstoffreduzierung erforderlich. Ausgehend davon sei im Hinblick auf die Bestimmung des § 360 Abs. 2 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 zu prüfen gewesen, ob eine Gesundheitsgefährdung vorliege und zutreffendenfalls, ob zur Gefahrenabwehr Maßnahmen "entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung" zur Verfügung stünden und welche Maßnahmen zutreffendenfalls zu verfügen seien. Dabei sei davon auszugehen, dass nach der angeführten Gesetzesstelle nur einstweilige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu verfügen seien; lediglich in diesem Rahmen sei die Berufungsbehörde zuständig. Das gegenständliche Berufungsverfahren könne daher ein Verfahren nach § 79 Abs. 1 GewO 1973, das Maßnahmen zur Hintanhaltung jeder nur möglichen Gefährdung der Gesundheit von Menschen für die Zukunft zum Gegenstand habe, nicht substituieren. Die Erstbehörde sei bei Erlassung der angefochtenen Verfügung offensichtlich von einer unmittelbar drohenden Gefahr ausgegangen; sie habe zwar keine faktische Amtshandlung gesetzt, jedoch auf ein Parteiengehör verzichtet und für die Entfernung bzw. Entsorgung von PER eine Erfüllungsfrist von drei Tagen nach Bescheidzustellung gesetzt. Diese Verfügung finde durch die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten keine Deckung, dies schon deshalb, weil "entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung" vorzugehen sei. Bereits die Außerbetriebsetzung der Chemisch-Reinigungsmaschine verhindere weitere Lösungsmittelemissionen. In einer weiteren Lagerung von PER sei zwar ein Gefahrenpotenzial gegeben, das jedoch keine bevorstehende Gesundheitsgefährdung zu begründen vermöge. Im medizinischen Gutachten fehle eine Ableitung und Interpretation der vom Bundesgesundheitsamt Berlin übernommenen Richt- und Grenzwerte von 0,1 und 0,5 mg. Lediglich aus der Überschreitung dieser Grenzwerte und den dargestellten Auswirkungen von Perchloräthyleneinwirkungen auf die menschliche Gesundheit werde eine drohende Gefahr abgeleitet. Dieser Ableitung fehle eine Bezugnahme auf die tatsächlich gemessenen Konzentrationswerte und eine Darstellung des Zusammenhanges zwischen Dauer und Intensität der Einwirkung und den damit ursächlich sich ergebenden Gesundheitsschädigungen. Die Problematik der Lebensmittelanalysen sei unberücksichtigt geblieben. Die Tatsache, dass es sich bei den zugrundegelegten Grenzwerten um Vorsorgewerte handle, die mangels vorliegender Erfahrung von wissenschaftlichen Gremien erarbeitet worden seien, werde übergangen. Die Erstbehörde sei weiters der Aussage gefolgt, dass technische Maßnahmen, die eine vollständige Abdichtung zur Verhinderung einer PER-Diffusion bewirkten, nicht zur Verfügung stünden. Eine vollständige Abdichtung sei jedoch weder in den vorliegenden medizinischen Gutachten noch durch den im § 360 Abs. 2 GewO 1973 vorgegebenen Rahmen behördlicher Maßnahmen begründet. Die Berufungsbehörde sei auf Grund der eingeholten ergänzenden Gutachten zur Auffassung gelangt, dass eine Prolongierung der Lösungsmitteleinwirkungen auf die in der Nachbarschaft der Betriebsanlage wohnenden Menschen eine Gefährdung ihrer Gesundheit bedeute, zumal die Vorbelastung nicht bekannt sei, dass jedoch die Gefahrenabwehr weder eine Entfernung noch eine Entsorgung des Lösungsmittels Perchloräthylen erfordere, sondern dass eine Inbetriebnahme der Chemisch-Reinigungsmaschine nach Durchführung der angeordneten einstweiligen Schutzvorkehrungen zulässig sei. Der Berufung sei daher gemäß der zitierten Gesetzesstelle durch die Abänderung der verfügten Maßnahmen Folge zu geben gewesen, soweit dem Berufungsvorbringen nicht Rechnung getragen worden sei, sei die Berufung abzuweisen gewesen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Tatsache, dass seine Arbeitnehmer jahrelang den Auswirkungen von Perchloräthylen ohne gesundheitliche Folgen ausgesetzt gewesen seien, schließe eine Gefährdung der Gesundheit von Nachbarn aus, werde durch das im Berufungsverfahren eingeholte medizinische Gutachten widerlegt. Demnach komme auch den vorgelegten ärztlichen Untersuchungsbefunden keine über die darin enthaltene Aussage hinausgehende Beweiskraft zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Unterbleiben der in Rede stehenden auf § 360 Abs. 2 GewO 1973 gestützten behördlichen Maßnahmen verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die Verwaltungsbehörden hätten es unterlassen, Ermittlungen dahingehend zu pflegen, ob neben dem Chemisch-Reinigungsbetrieb des Beschwerdeführers andere Quellen für die Perchloräthylenemissionen gegeben seien. Zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes hätten in sämtlichen Räumen des Hauses R-straße nn Messungen der PER-Emissionen durchgeführt werden müssen. Auf Grund der bei der angewendeten Messmethode amtsbekannten hohen Querempfindlichkeit gegenüber anderen Stoffen wie Halogenen und Halogen-Kohlenwasserstoffen, welche in jedem Haushalt in Form von Putzmitteln, Lösungsmitteln usw. vorhanden seien, wäre es unbedingt erforderlich gewesen, Ermittlungen dahingehend zu führen, dass verfälschte Messergebnisse auf Grund der Querempfindlichkeit auszuschließen seien. Um zur Feststellung einer Gesundheitsgefährdung zu gelangen, hätte die belangte Behörde auch sämtliche Bewohner des Hauses R-straße nn als Zeugen einvernehmen und insbesondere hinsichtlich deren gesundheitlichen Beschwerden befragen müssen. Des weiteren wäre zur Frage der Gesundheitsgefährdung auch die amtsärztliche Untersuchung sämtlicher Bewohner des gegenständlichen Hauses erforderlich gewesen. Dies werde auch im Bescheid zugestanden, wenn in der Begründung angeführt werde, dass eine Prolongierung der Lösungsmitteleinwirkungen auf die in der Nachbarschaft der Betriebsanlage wohnenden Menschen eine Gefährdung für ihre Gesundheit bedeute, zumal die Vorbelastung nicht bekannt sei. Um Rückschlüsse auf die Gesundheitsgefährdung der PER-Emission treffen zu können, wäre auch die zeugenschaftliche Einvernahme und amtsärztliche Untersuchung der im Betrieb des Beschwerdeführers beschäftigten Arbeitnehmer erforderlich gewesen, zumindest jedoch die Einsicht in die auf Grund der halbjährlich durchgeführten amtsärztlichen Untersuchungen erstellten Unterlagen. In unzulässiger Weise sei dem Beschwerdeführer das Parteiengehör nicht gewährt worden und es sei seinem Rechtsvertreter keinerlei Ladung zur neuerlichen Befundaufnahme zugestellt worden. Des weiteren sei dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit geboten worden, sich zu den Ergebnissen der Immissionswertmessungen zu äußern. Hätte die belangte Behörde ein ordnungsgemäßes und dem Gesetz entsprechendes vollständiges Ermittlungsverfahren durchgeführt, so hätte es zu einem anderen Bescheid kommen können. Die belangte Behörde habe bei der Messung der Immissionswerte für diesen Zweck gänzlich unzureichende Messinstrumente eingesetzt. Zum einen wiesen die Dräger-Röhrchen 5a eine große Neigung zur Querempfindlichkeit auf, zum anderen seien diese verwendeten Instrumente ungeeignet, in diesem Messbereich verwertbare Ergebnisse zu erbringen (Beweis:

Brief der Dräger-Werke an das Institut für Technologie vom 5. Jänner 1989). Diese mangelnde Eignung der Messmethode werde sogar von der belangten Behörde selbst erkannt. Sie habe es jedoch unterlassen, neuerliche Messungen mit den aus der Fachliteratur empfohlenen Methoden, nämlich für die Erzielung von Langzeitmittelwerten (Tages- oder Wochenmittelwerte), die "Orsa-5- Methode" für Momentanwertbestimmungen des Aktivkohleabsorptionsverfahrens, durchzuführen. Hätte die Behörde ein ordnungsgemäßes Sachverständigenbeweisverfahren unter Verwendung der entsprechenden Methoden durchgeführt, so wäre ein anderer Bescheid möglich gewesen; die tatsächlich durchgeführten Messungen seien zur Sachverhaltsermittlung gänzlich unzureichend. Selbst wenn man aber den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt als richtig voraussetze, rechtfertige dieser nicht die Erlassung eines Bescheides gemäß § 360 Abs. 2 GewO 1973. Hinsichtlich der PER-Immissionen lägen in Österreich keine gesetzlichen Grenzwerte vor. Die Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 23. Juni 1975 über die Begrenzung der Immission von Trichloräthylenen und Tetrachloräthylenen aus Chemisch-Reinigungsmaschinen sähen einen Immissionsgrenzwert von 201 mg/m3 vor. Der in der angeführten Verordnung festgesetzte Höchstwert hinsichtlich der Immission sei im Betrieb des Beschwerdeführers bei weitem nicht festgestellt worden. Allein aus der Tatsache, dass die auf Grund der oben zitierten Verordnung zulässigen Höchstwerte der Emission im Betrieb des Beschwerdeführers bei weitem nicht erreicht worden sei, könne keine überhöhte und somit gesundheitsgefährdende Immission abgeleitet werden, da eine überhöhte Immission logischerweise nur auf eine erhöhte Emission zurückgeführt werden könne. Bezüglich der Gesundheitsgefährlichkeit von Tetrachloräthylen lägen aus medizinischer Sicht keine eindeutigen Angaben vor. Zwar sei in der deutschen MAK-Werte-Liste 1988 erstmals bei den Stoffen mit Verdacht auf Krebs erregendes Potenzial Tetrachloräthylen eingereiht worden, eine eindeutige, gültige Einschätzung des kanzerogenen Potenzials für den Menschen sei jedoch derzeit nicht möglich; der Verdacht der "Karzinogenität" sei somit rein theoretischer Natur. Die aus medizinischer Sicht erstellten Richtlinien, welchen kein Gesetzes- bzw. Verordnungscharakter zukomme, wiesen folgende Werte auf: Laut Hake & Steward: keine Effekte bei 136 mg/m3; no-observed-effectlevel: 136 mg/m3; MAK-Wert in Österreich: 345 mg/m3. Ein Grenzwert hinsichtlich der Gefährlichkeit von PER in Lebensmitteln sei nicht festgelegt. Der in der angefochtenen Entscheidung aufgezeigte "Richtwert" von 0,1 mg/m3 stelle lediglich einen Orientierungswert, d.h. Idealwert dar, den es zu erreichen gelte; er sei jedoch nicht als Maß für die Gesundheitsgefährdung anwendbar. Da in der Chemisch-Reinigungsanlage des Beschwerdeführers weder Emissionsgrenzwerte laut der Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 23. Juni 1975 gegeben seien und auch die im Verfahren erzielten Messergebnisse bei weitem nicht die unverbindlichen medizinischen Grenzwerte erreichten, liege keine konkrete Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen im Sinne des § 360 Abs. 2 GewO 1973 vor. In der Begründung des angefochtenen Bescheides sei auf Seite 11 ferner angeführt, dass ein Messergebnis sogar knapp unter dem no-effect-level liege (104 mg/m3). Ein derartiges Messergebnis sei weder von der ersten noch von der zweiten Instanz festgestellt worden. Da der angefochtene Bescheid sich auf solche "frei erfundene" Messergebnisse stütze, sei er rechtswidrig.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß § 360 Abs. 2 erster Satz GewO 1973, i.d.F. der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, hat die Behörde, um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stilllegung von Maschinen oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind u.a. Bescheide nach Abs. 2 sofort vollstreckbar; wenn sie nicht kürzer befristet sind, treten sie mit Ablauf eines Jahres, vom Tage ihrer Rechtskraft an gerechnet, außer Wirksamkeit.

Zweck der nach § 360 Abs. 2 GewO 1973 zu verfügenden Maßnahmen ist die kurzfristige Beseitigung einer Gefahr oder Belästigung. Es handelt sich um Notmaßnahmen, die im öffentlichen Interesse eine sofortige Abhilfe ermöglichen sollen (vgl. hiezu die entsprechenden Darlegungen im hg. Beschluss vom 14. September 1977, Zl. 1770/77). Aus ihrer kurzfristigen Realisierbarkeit und ihrem temporären Charakter ergibt sich die Abgrenzung von Maßnahmen nach § 360 Abs. 2 GewO 1973 gegenüber Maßnahmen nach den Bestimmungen des § 79 GewO 1973 und des § 6 Abs. 3 AVG 1950; § 360 Abs. 2 GewO 1973 bezweckt demnach die kurzfristige Beseitigung einer Gefahr, während insbesondere § 79 GewO 1973 die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen bei Vorliegen eines rechtskräftigen Betriebsanlagengenehmigungsbescheides als "Dauermaßnahme" vorsieht.

Entsprechend diesen insofern verschiedenen Normeninhalten ergibt sich aber auch der Aufgabenbereich der Behörde, der in Ansehung des Erhebungsumfanges und der zu treffenden Maßnahmen nach § 360 Abs. 2 GewO 1973 insbesondere durch den Charakter einer "einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahme" bestimmt ist, was allerdings die Behörde auch in diesem durch das Gesetz vorgegebenen Rahmen nicht der Verpflichtung enthebt, zu prüfen, ob eine konkrete Gefährdung nachgewiesen ist, da der Umstand, dass eine Gefährdung nur nach den allgemeinen Erfahrungen nicht ausgeschlossen werden kann, hiefür nicht als ausreichend anzusehen ist (vgl. hiezu das zur Bestimmung des § 68 Abs. 3 AVG 1950 ergangene hg. Erkenntnis vom 3. Februar 1969, Slg. N.F. Nr. 7499/A). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers setzt aber auch ein derartiger Gefahrenbegriff als seinen gesetzlichen Sinngehalt nicht etwa die Feststellung eines in Ansehung der Gewissheit seines Eintrittes als auch seiner zeitlichen Komponenten fixierten Schadenseintrittes - im Beschwerdefall einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen - voraus.

Die Feststellung, ob danach die sachverhaltsbezogenen Voraussetzungen des § 360 Abs. 2 GewO 1973 vorliegen, ist hiebei Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1977, Zl. 1027/76).

Ausgehend von der dargestellten Rechtslage kann daher der belangten Behörde keine rechtswidrige Gesetzesanwendung angelastet werden, wenn sie auf Grund der dargestellten Gutachtensergebnisse insbesondere im Hinblick auf Dauerbelastungen von Wohnungsnachbarn von einer im angeführten Umfang durch die gewerbliche Tätigkeit des Beschwerdeführers verursachte Gefahr für deren Gesundheit ausging.

Sofern sich aber der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang inhaltlich auf die auf Grund des § 82 Abs. 1 GewO 1973 ergangene Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 23. Juni 1975, BGBl. Nr. 437/1975, über die Begrenzung der Immission von Trichloräthylen und Tetrachloräthylen aus Chemisch-Reinigungsmaschinen bezieht, so stünde eine derartige generelle Norm auch bei ihrer Einhaltung nicht der Verpflichtung der Behörde zur Anordnung einer Maßnahme gemäß § 360 Abs. 2 GewO 1973 entgegen, da diese Gesetzesstelle auf "die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen" abstellt. Entsprechend dieser Überlegung wird im § 82 Abs. 4 GewO 1973 i.d.F. der Gewerberechtsnovelle 1988 (ebenso wie inhaltlich auch nach dieser Bestimmung in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988) normiert, dass, wenn im Einzelfall durch die Einhaltung der Bestimmungen einer Verordnung gemäß Abs. 1 der mit dieser Verordnung angestrebte Schutz nicht gewährleistet wird, zur Erreichung dieses Schutzes auch über die Bestimmungen der Verordnung hinausgehende Auflagen vorzuschreiben sind.

Sofern aber der Beschwerdeführer der belangten Behörde - abgesehen von der nicht entscheidungsrelevanten Frage, ob bei Wohnungsnachbarn bzw. den Betriebsangehörigen auf Grund der in Rede stehenden betrieblichen Emissionen bzw. Immissionen Gesundheitsschädigungen bereits eingetreten seien - die Unterlassung neuerlicher Messungen mit in der Fachliteratur empfohlenen Methoden bzw. die Nichtbeiziehung des Vertreters des Beschwerdeführers sowie Verletzung des Parteiengehörs vorwirft, so ist das dargestellte, darauf Bezug habende Beschwerdevorbringen nicht geeignet, die von der belangten Behörde auf Grund von Sachverständigengutachten getroffenen hier entscheidungsrelevanten Feststellungen zu widerlegen oder aber jedenfalls in einem Ausmaß in Zweifel zu setzen, die zur Annahme eines entscheidungsrelevanten Verfahrensmangel zu führen hätte. Dies gilt insbesondere in Ansehung der - als solche allgemein formulierten - Beschwerderüge über die Verletzung des Parteiengehörs deshalb, da hieraus unter Bedachtnahme auf das gutachtens- und feststellungsbezogene materielle Beschwerdevorbringen im Hinblick auf die vorstehenden Darlegungen Anhaltspunkte für einen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wahrzunehmenden, in der Sache unterlaufenen und für diese bedeutsamen Verfahrensmangel nicht erkennbar sind.

Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 19. September 1989

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1989:1989040037.X00

Im RIS seit

12.02.2007

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten