TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/30 89/14/0243

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Veröffentlicht am 30.01.1990
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB;
EStG 1972 §34 Abs2;
EStG 1972 §34 Abs3;
EStG 1972 §34;
EStG 1972;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1990, 311;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte

Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 18. August 1989, Zl. B 357-4/88, betreffend Jahresausgleich für 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Steuerpflichtige (in der Folge: Beschwerdeführer) bezieht Pensionen von zwei Sozialversicherungsträgern. Bei Durchführung des amtswegigen Jahresausgleiches für das Streitjahr machte der Beschwerdeführer Unterhaltszahlungen von S 60.000,-- an seine in Not geratene Tochter als außergewöhnliche Belastung geltend.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde im Instanzenzug diesen Abzug vom Einkommen mit der Begründung, Aufwendungen, die die Folge eines Verhaltens seien, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen habe, könnten nicht als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden. Die Ehe der Tochter des Beschwerdeführers sei nach § 55a EheG geschieden worden. Diese Entscheidung setze Einvernehmen der Ehegatten voraus und erfolge daher aus freien Stücken. Da dieser Willensentschluß kausal für alle seine weiteren Konsequenzen, insbesondere auch vermögensrechtlicher Art sei, fehle diesen Konsequenzen das nach § 34 Abs. 3 EStG 1972 essentielle Merkmal der Zwangsläufigkeit. Aufwendungen, die sich als Folge einer Scheidung im Einvernehmen nach § 55a EheG darstellen, könnten keine außergewöhnliche Belastung sein. Die Tochter des Beschwerdeführers habe anläßlich ihrer Ehescheidung einen Vergleich mit ihrem Ehegatten abgeschlossen und nach Zusicherung einer Abdeckung der Unterhaltsansprüche sowie der Abgeltung aus der Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse von S 400.000,-- (Zahlung von S 150.000,-- bis zum 22. Februar 1981 und von S 250.000,-- bis zum 30. September 1982) auf jeden weiteren Unterhalt verzichtet. Die Tochter des Beschwerdeführers habe sich demnach aus freien Stücken entschlossen, auch im Falle der Not oder einer Gesetzesänderung auf jeden Unterhalt vom geschiedenen Ehegatten zu verzichten. Hätte die Tochter des Beschwerdeführers seinerzeit diesen Vergleich nicht abgeschlossen, wäre ihr geschiedener Ehegatte auf Grund der §§ 55 bis 68 EheG verpflichtet, für den anständigen Unterhalt der geschiedenen Frau aufzukommen. Durch den freiwilligen Verzicht auf Unterhalt vom geschiedenen Ehegatten fehle den Aufwendungen des Beschwerdeführers für seine Tochter das Merkmal der Zwangsläufigkeit.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß Unterhaltskosten für Kinder vom Verwaltungsgerichtshof, insoweit sie die üblichen Unterhaltskosten nicht überschreiten, nicht als außergewöhnlich angesehen wurden und der Verwaltungsgerichtshof deshalb ihre Abzugsfähigkeit gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1972 verneinte (hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1989, 88/13/0019). Dabei ging es aber um Kinder, die die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht erlangt hatten. Außergewöhnlich ist eine Belastung gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1972 nämlich nur, wenn dem Steuerpflichtigen größere Aufwendungen als der Mehrzahl der anderen Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Die normalen Unterhaltsleistungen an Kinder, die noch nicht selbsterhaltungsfähig sind, belasten aber ohne Zweifel die Mehrzahl der Steuerpflichtigen in gleichen Verhältnissen; solchen Aufwendungen fehlt daher die Außergewöhnlichkeit. Anders verhält es sich mit dem Wiederaufleben von Unterhaltsansprüchen erwachsener Personen, die bereits selbsterhaltungsfähig waren. Aufwendungen auf Grund solcher Unterhaltspflichten treffen nicht die Mehrzahl der Steuerpflichtigen in gleichartigen Verhältnissen (Eltern erwachsener Kinder). Die belangte Behörde hätte dem Begehren des Beschwerdeführers daher nicht entgegenhalten können, seine Aufwendungen zur Erfüllung der wieder ins Leben getretenen Unterhaltspflicht seien nicht außergewöhnlich.

Der Beschwerdeführer ist mit seiner Behauptung im Recht, die belangte Behörde habe ihm fälschlich den Mangel der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen mit der Begründung entgegengehalten, die Ehe seiner Tochter sei im Einvernehmen (§ 55a EheG) geschieden und bei dieser Gelegenheit von der Tochter des Beschwerdeführers gegenüber ihrem Ehemann für den Fall der Scheidung auf Unterhalt verzichtet worden. Das Merkmal der Zwangsläufigkeit gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1972 stellt nämlich, wie der Beschwerdeführer richtig vermerkt, auf den Steuerpflichtigen ab. Ob derjenige, gegenüber dem der Steuerpflichtige zu Aufwendungen RECHTLICH verbunden ist, seine Notlage "freiwillig" herbeigeführt hat, ist danach nicht von Bedeutung. Diesem Umstand könnte nur im Zusammenhang mit der davon getrennt zu beurteilenden Frage, ob überhaupt Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter vorlag, Bedeutung zukommen.

Mit dieser Frage hat sich aber die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt. Dies offenbar deshalb, weil sie die Rechtslage nach § 34 Abs. 3 EStG 1972 - wie dargelegt - verkannt hat.

Aus dem Umstand, daß die Ehe der Tochter des Beschwerdeführers gemäß § 55a EheG geschieden wurde und die Tochter des Beschwerdeführers seinerzeit (1981) für den Fall der Scheidung gegen einen Betrag von S 400.000,-- auf Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehemann verzichtet hatte, läßt sich kein Hindernis für das Wiederaufleben des Unterhaltsanspruches gegen den Beschwerdeführer (zur Unverwirkbarkeit von Unterhaltsansprüchen von Kindern gegenüber ihren Eltern vgl. OGH 7. April 1976, JBl. 1977, 594 ff) entnehmen. Daß sich die Tochter des Beschwerdeführers im Streitjahr in einer Notlage befand, wurde im angefochtenen Bescheid nicht in Frage gestellt. Nach der Aktenlage lebten bei ihr die damals noch minderjährigen ehelichen Kinder, weshalb - solange nichts Gegenteiliges bekannt ist - wohl davon ausgegangen werden kann, daß die Tochter des Beschwerdeführers für diese Kinder zu sorgen hatte und sie deshalb nicht in der Lage war, einem Beruf nachzugehen. Außerdem blieb bisher die Behauptung des Beschwerdeführers unwiderlegt, daß es seiner Tochter an einer Berufsausbildung fehlt.

Die bereits (durch Selbsterhaltungsfähigkeit) erloschene Unterhaltspflicht der Eltern lebt wieder auf, wenn das Kind verarmt (E 352 zu § 140 ABGB MGA32). Dies ist etwa dann der Fall, wenn dem vermögenslosen Kind die Selbsterhaltungsfähigkeit verloren geht (zum Wiederaufleben des Unterhaltsanspruches des Kindes gegenüber den Eltern im Falle des Fortfalles der Selbsterhaltungsfähigkeit vergleiche die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1989, 88/11/0192). Die Unterhaltspflicht würde dann nicht wieder aufleben, wenn das Kind etwa seinen Arbeitsplatz verschuldet verloren hätte (vgl. die im hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1989 zitierte Judikatur). Gleiches müßte wohl für den Fall angenommen werden, daß die allein im Haushalt tätige Ehefrau ihre Ehe aus alleinigem Verschulden aufs Spiel setzt oder sie aus Anlaß der Scheidung schuldhaft auf einen aussichtsreichen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehemann für den Fall der Scheidung verzichtet.

Dafür, daß ein solcher Sachverhalt hier verwirklicht sei, bietet die Aktenlage allerdings keinen Anhaltspunkt. Feststellungen darüber, was zum Scheitern der Ehe der Tochter des Beschwerdeführers geführt hat, wurden von der belangten Behörde ebensowenig getroffen wie darüber, ob nach der im Zeitpunkt der Scheidung gegebenen Sachlage überhaupt Aussichten auf einen Unterhaltsanspruch für den Fall der Scheidung und für die Realisierung dieses Unterhaltsanspruches bestanden, der kapitalisiert den Betrag überstieg, den die Tochter des Beschwerdeführers als Unterhaltsabfertigung im Vergleich zugesagt erhielt. Auch in diesem Fall hätte außerdem geklärt werden müssen, ob und in welcher Höhe der ehemalige Ehemann der Tochter des Beschwerdeführers im Streitjahr Unterhalt hätte leisten müssen, wäre der Unterhaltsverzicht nicht vereinbart worden. Die belangte Behörde hat aber auch nicht festgestellt, daß die Tochter des Beschwerdeführers im Streitjahr etwa noch über Vermögen (z.B. aus der Unterhaltsabfertigung) verfügte, das sie zur Bestreitung ihres eigenen Unterhaltes heranziehen konnte (zur Berücksichtigung auch des Vermögens und nicht bloß des Einkommens des Kindes im Fall des Wiederauflebens der Unterhaltspflicht vgl. SZ 20/54) oder sie Vermögen schuldhaft, unter Mißachtung ihrer bedrängten Lage vorzeitig und unnötig verbraucht habe.

Infolge Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde daher den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu ermitteln und festzustellen unterlassen.

Die Überlegungen der belangten Behörde in der Gegenschrift, welche Beträge der Tochter des Beschwerdeführers im Streitjahr "neben dem vom geschiedenen Ehegatten im voraus bezahlten Unterhalt" an Unterhaltsleistungen zur Verfügung standen, vermögen den angefochtenen Bescheid schon deshalb nicht zu stützen, weil es sich um neue Begründungselemente handelt, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht nachgetragen werden dürfen. Außerdem ist bisher eine Erörterung mit dem Beschwerdeführer darüber nicht erfolgt, ob seine Tochter 1986 noch über Geldbeträge aus der Unterhaltsabfindung verfügte. Was die Wohnbeihilfe anlangt, so steht diese nur zur Deckung des Wohnbedarfes, nicht jedoch darüber hinaus zur Deckung weiteren Unterhaltsbedarfes der Tochter des Beschwerdeführers zur Verfügung. Die Unterhaltszahlungen des geschiedenen Ehemannes der Tochter des Beschwerdeführers für den Unterhalt der gemeinsamen Kinder bilden ebensowenig wie die Familienbehilfen für diese Kinder ein Vermögen, auf das die Tochter des Beschwerdeführers zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfes greifen durfte. Hinsichtlich der Familienbeihilfen ist im übrigen im Vergleich aus Anlaß der Scheidung der Tochter des Beschwerdeführers ausdrücklich vereinbart worden, daß die Familienbeihilfen von der Tochter des Beschwerdeführers "zum Unterhalt für die minderjährigen Kinder verwendet werden" müssen (P 3 zweiter Absatz des Vergleiches). Die Überlegungen der belangten Behörde in der Gegenschrift, wieviel Personen aus diesen Beträgen ihr Leben fristen könnten, sind schon deshalb völlig ungeeignet, eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers gegenüber seiner Tochter zu widerlegen.

Der angefochtene Bescheid mußte aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Dabei durfte gemäß § 59 VwGG der Antrag des Beschwerdeführers nicht überschritten werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989140243.X00

Im RIS seit

30.01.1990

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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