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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
1. A und 2. B gegen Bundesminister für Inneres vom 19. April 1989, Zlen. 234.431/4-II/9/88 und 234.432/4-II/9/89 betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Rechtsmittelweg ergangenen angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführerinnen gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Februar 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und sprach aus, daß die Beschwerdeführerinnen nicht Flüchtlinge im Sinne des Asylgesetzes sind.
Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerinnen seien am 6. Dezember 1987 legal in das Bundesgebiet eingereist und hätten am 11. Dezember 1987 Asylanträge gestellt. Bei ihrer niederschriftlichen Befragung vom 13. Jänner 1988 hätten sie angegeben, weder sie noch einer ihrer Familienangehörigen seien in Syrien politisch tätig gewesen. Sie seien in ihrer Heimat auch seitens der Behörden nicht verfolgt worden. Ihre Eltern sowie ihre drei Brüder seien schon in Österreich, weshalb sie hierher gekommen seien. Als junge ledige Mädchen könnten sie nicht allein in Syrien leben. Sie hätten ohne Probleme Reisepässe erhalten, jedoch keinen Sichtvermerk der österreichischen Botschaft in Damaskus, weshalb sie sich Visa für die Bundesrepublik Deutschland besorgt hätten. Sie seien gemeinsam von Damaskus nach Frankfurt am Main geflogen, von wo sie ihr Bruder nach Österreich geholt habe.
In ihren Berufungen hätten die Beschwerdeführerinnen Verfahrensmängel gerügt. Allein die Tatsache, daß die Beschwerdeführerinnen der syrisch-orthodoxen (christlichen) Glaubensgemeinschaft angehörten, hätte die Behörde zu Erhebungen über die Situation dieser religiösen Minderheit in Syrien veranlassen müssen. Es wäre festzustellen gewesen, daß die Beschwerdeführerinnen so wie ihre Familie in Syrien einer religiösen Minderheit angehört hätten. Die Zugehörigkeit zu dieser Minderheit begründe nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv Furcht vor Verfolgung. Es hätten darüberhinaus schwerwiegende wirtschaftliche Benachteiligungen für die Beschwerdeführerinnen in ihrem Heimatland bestanden. Auch hätten sie die Kürze der Niederschrift über ihre Einvernahme im Verfahren erster Instanz gerügt und ersucht zu berücksichtigen, daß der Bruder der Beschwerdeführerinnen als Flüchtling anerkannt worden sei. In autoritären Staaten herrsche der Grundsatz der Familienhaftung. Daraus sei zu schließen, daß für die Beschwerdeführerinnen als Schwestern eines Konventionsflüchtlings eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Heimatland bestehe.
Zur Beweiswürdigung führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden übereinstimmend aus, zentrales Kriterium für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft sei das Vorbringen des Flüchtlings. Die Beschwerdeführerinnen hätten vorgebracht, in ihrer Heimat nicht verfolgt worden zu sein. Als Motiv für ihre Ausreise hätten sie familiäre Gründe angegeben. Diese Angaben seien glaubhaft, stellten jedoch keine Verfolgungsgründe im Sinne der Konvention dar. Die erstinstanzlichen Angaben der Beschwerdeführerinnen stünden auch nicht in Widerspruch zu ihrem Berufungsvorbringen, weil auch dort keine individuellen und konkreten Verfolgungen behauptet worden seien. Die von den Beschwerdeführerinnen genannten Gründe seien nur allgemeiner Natur. Die Stellungnahme der österreichischen Botschaft in Damaskus enthalte einen Überblick über die allgemeine Situation in Syrien, wonach die syrisch-orthodoxe Minderheit nicht stärker diskriminiert werde als andere Minderheiten oder nationale Gruppen. Alle Minderheiten würden zwar kontrolliert, doch könnte die syrisch-orthodoxe Minderheit ihre Religion frei ausüben, besäße Kirchen und Schulen, die nicht nur von Kindern der eigenen Religionsgemeinschaften besucht werden könnten. Eine Furcht vor Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zur syrisch-orthodoxen Minderheit sei nach übereinstimmenden Aussagen von Vertretern der syrisch-orthodoxen Gemeinde objektiv nicht "vertretbar" Schwerwiegende wirtschaftliche Benachteiligungen auf Grund der Zugehörigkeit zu dieser Minderheit seien nicht feststellbar. Auf konkrete Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Konvention habe der Bericht nicht eingehen können, weil keine Anfragen an die Behörden des Heimatstaates erfolgten. Es sei daher auch nicht erforderlich gewesen, den Beschwerdeführerinnen den Bericht des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zur Kenntnis zu bringen. Von der ergänzenden Einvernahme der Beschwerdeführerinnen sei Abstand genommen worden, weil sie bei ihrer niederschriftlichen Befragung und in ihrer Berufung Gelegenheit gehabt hätten, alle für das Asylverfahren berücksichtigungswürdigen Gründe darzulegen. Auch auf die Einvernahme der Familienangehörigen sowie weitere Erhebungen habe verzichtet werden können, weil diese Beweismittel nur zum Nachweis eines bereits als richtig angenommenen Sachverhaltes dienen hätten sollen. Die Berichte von Amnesty International seien der belangten Behörde bekannt, sie beträfen aber nicht die Beschwerdeführerinnen. Das Asylansuchen des Bruders der Beschwerdeführerinnen sei Gegenstand eines eigenen Ermittlungsverfahrens. Das Verwandtschaftsverhältnis allein lasse keine individuellen Verfolgungsgründe erkennen, weil das persönliche Vorbringen des Asylwerbers das zentrale Entscheidungskriterium darstelle. Die legale Ausreise der Beschwerdeführerinnen mit dem Flugzeug stelle ein Indiz dafür dar, daß die Beschwerdeführerinnen keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen seien. Auch hätten sie bei schwerwiegenden Eingriffen in ihre Grundrechte bereits in der Bundesrepublik Deutschland um Asyl ansuchen können. Daß sie dies unterlassen hätten, verstärke den Eindruck, daß die Beschwerdeführerinnen aus anderen Erwägungen nach Österreich gekommen seien, zumal sie auf den Aufenthalt ihrer Familie in Österreich hingewiesen hätten. Dies sowie der Umstand, daß die Beschwerdeführerinnen in ihrer Niederschrift vor der Bundespolizeidirektion Wien am 13. Jänner 1988 ausdrücklich selbst erklärt hätten, in ihrer Heimat seitens der syrischen Behörden nicht verfolgt worden zu sein, begründe die Abweisung der Asylanträge. Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 AsylG gehört worden.
Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. Die Beschwerdeführerinnen erachten sich nach dem Beschwerdevorbringen in ihrem Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbunden und hierüber erwogen:
Gemäß § 1 Asylgesetz 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 (AsylG), ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. hiezu das den Bruder der Beschwerdeführerinnen betreffende Erkenntnis vom 4. Oktober 1989, Zl. 89/01/0230) erkennt, liegt es in der Natur der Sache, daß in Anwendungsfällen der zitierten Konventionsnorm die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht nicht nur objektivierbar ist und von ihm nicht bloß behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden muß. Dabei steht die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel bzw. als Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung.
Wendet man diese Grundsätze auf die vorliegenden Beschwerdefälle an, so lassen sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen bei ihrer ersten Vernehmung und in ihren Berufungen keine Feststellungen treffen, die eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention glaubhaft machen hätten können. Die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Gruppe allein reicht nicht aus, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu rechtfertigen. Auch aus dem Umstand, daß Syrien Verbündeter des Iran ist, läßt sich eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung der Beschwerdeführerinnen aus religiösen Gründen nicht ableiten, abgesehen davon, daß solches erstmals in den Beschwerden behauptet wird (§ 41 VwGG - vgl. auch das zuletzt zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes).
Ebensowenig wäre für die Beschwerdeführerinnen daraus etwas zu gewinnen, wenn ihr Bruder in Österreich tatsächlich als Konventionsflüchtling anerkannt werden sollte. Daraus könnte noch keine wohlbegründete Furcht der Beschwerdeführerinnen vor Verfolgungen in ihrem Heimatland abgeleitet werden. Daß die beiden Beschwerdeführerinnen als ledige Frauen außerhalb des Familienverbandes eine schwächere Stellung in der Gesellschaft einnehmen, kann auch keinen konkreten Grund für die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung durch die Behörden des Heimatstaates darstellen.
Soweit die Beschwerdeführerinnen als Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen, die Ermittlungen der belangten Behörde seien mangelhaft geblieben und ihnen sei das rechtliche Gehör nicht in ausreichendem Maß gewährt worden, muß ihnen entgegengehalten werden, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorbringen der Asylwerber selbst im Asylverfahren das zentrale Bescheinigungsmittel darstellt. Geht man davon aus, so erweist sich, daß der vorliegende Verfahrensmangel - den Beschwerdeführerinnen wurde der Bericht der österreichischen Botschaft in Damaskus, der in der Bescheidbegründung genannt wird, nicht vor Erlassung des angefochtenen Bescheides vorgehalten - nicht relevant ist. Die Beschwerdeführerinnen vermögen nämlich nicht anzugeben, was sie bei Vorhalt dieses Berichtes ausführen hätten können, das zu einem anderen Bescheid hätte führen können. Daß nämlich, wie in den Beschwerden behauptet wird, nach einem Bericht der US-Regierung die Aktivität religiöser Minderheiten in Syrien schweren Einschränkungen unterworfen sei, kann nicht als Hinweis auf konkrete Verfolgungen seitens der syrischen Behörden gegen die Beschwerdeführerinnen dienen. Welche "besonderen persönlichen Gründe" die Beschwerdeführerinnen angeben hätten können, wird aber selbst in der Beschwerde nicht ausgeführt. Die belangte Behörde ist durchaus in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen, daß das eigene Vorbringen der Beschwerdeführerinnen im Asylverfahren keine objektive, als wohlbegründet anzusehende Furcht vor Verfolgung aus den in der Konvention genannten Gründen erkennen läßt.
Die Beschwerden mußten daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989010212.X00Im RIS seit
07.02.1990Zuletzt aktualisiert am
25.03.2009